GENUSS

Fass, Whisky, Fass!

Nichts gegen eine Single-­Malt-Sammlung! Doch der WIENER sprach mit Österreichern, die sich schottischen Whisky lieber fassweise kommen lassen. Hinter den Kulissen einer raren Szene.

Text: Roland Graf / Foto Header: Getty Images

Vielleicht lesen ja Damen mit. Dann besteht die Chance, dass eines der klassischen Verlegenheitsgeschenke für Männer heuer ein bisschen exklusiver ausfällt. Denn Whisky steht neben Krawatten als Präsent hoch im Kurs. Was der Single Malt aber mit den Kulturstricken teilt: Es gibt solche und solche. Das fällt beim Überangebot an Whisky nur nicht so schnell ins Auge wie das psychedelische Batikmuster um den Hals. Dass es auch bei Single Malt zwei Klassen gibt, ist aber auch manchem Whisky-Fan nicht so geläufig. Denn es gibt abseits der auf brave 40 oder 43 Prozent herunterverdünnten schottische Destillate auch die „Single Casks“. Ihr Inhalt wird so abgefüllt, wie er im Fass ist. Das ist so authentisch, wie es geht, kann aber – je nach Alter und damit Verdunstung im Lagerhaus – Fassstärken um die 55 Prozent Alkohol bedeuten.

Vor allem aber heißt es, dass ein eigener Handelskreislauf für diese Fass für Fass geleerten Single Malts existiert. Genau genommen, geht diese Tradition der unabhängigen Abfüller („Independent Bottlers“) weit zurück: Wie viele Weine und Spirituosen wurde auch Whisky im 19. Jahrhundert lange von den Wiederverkäufern abgefüllt, wann immer sie es für richtig hielten. Firmen wie Cadenhead’s (Gründungsjahr 1842) tun das bis heute. Zu diesem schottischen Traditionshaus, das auch in Wien-Döbling eine Niederlassung mit Raritäten betreibt, kommen jüngere Abfüller wie Signatory oder Compass Box. Sie alle beziehen Fässer von den Brennereien selbst oder so genannten Whisky Brokern. Diesen schottischen Playern auf diesem Nischenmarkt steht auch eine Handvoll Österreicher gegenüber. Dass sie sich ihren eigenen Whisky frisch aus dem Fass füllen, vielleicht noch bei Kerzenlicht im feuchten Keller, ist aber leider unmöglich.

Foto: Getty Images

Denn die an sich überschaubare Szene der Austro-Einzelfässer wird durch einen Faktor weiter limitiert. Er ist im „Scotch Whisky Technical File“ nachzulesen, wie die gesetzliche Grundlage für den weltbekannten Getreidebrand heißt. Es sieht für Single Malts (nicht aber für schottische Blends!) eine Ausfuhr ausschließlich in bereits etikettierten Flaschen vor. Auch danach darf nichts mehr umgefüllt werden, ist der britische Gesetzgeber deutlich: „Single Malt Scotch Whisky may not be bottled, or re-bottled, outside Scotland“. Der Handel mit den „Single Casks“ erfolgt also eigentlich gar nicht mit den Fässern, „zumindest nicht, wenn man später ‚Scotch Whisky‘ auf die Flasche schreiben will“, wie Gerald Petö von Whisky Purbach präzisiert. Der Burgenländer bietet mit „Heaven of Malts“ jedes Jahr Einzelfass-­Abfüllungen an.

Ohne einen Partner in Schottland, der die Abfüllung übernimmt, geht also gar nichts. Gehandelt werden von den Whisky-Brokern aber längst nicht mehr nur alte Fässer. Neue Destillerien verdienen schließlich erst nach drei Jahren, dem gesetzlichen Mindestalter eines Whiskys, Geld. Oder sie bieten Interessenten das ungelagerte Destillat an. „Als Privatkunde kostet ein Fass ‚New Make‘ um die 6.000 bis 8.000 Pfund“, rechnet Petö die Kosten für 200 Liter vor. Das beinhaltet auch die Lager- und Versicherungskosten für die ersten zehn Jahre. Aber: ­„Bereits gelagerte Fässer sind wesentlich teurer; da kommst du je nach Lagerzeit schon mal auf das Doppelte oder mehr“.

Foto: Vinothek St. Stephan

Vor allem jenseits der 20 Jahre Reifezeit explodieren die Preise regelrecht, bestätigt ein weiterer „Single Cask“-Anbieter. Ludwig Köstler ist lange genug dabei, um sogar noch selbst Whisky vom Fass in Flaschen gefüllt zu haben. „Das war damals noch möglich“, erinnert sich der Inhaber der Vinothek St. Stephan an die Jahre 1998 bis 2000. Die Tradition der eigenen Abfüllungen hat Köstler damals quasi geerbt. Denn die Vinothek, die immer auch rare Spirituosen anbot, füllte erstmals 1996 zu ihrem 20. Bestehen ein Einzelfass ab. Auch nach der Übernahme durch den der ehemaligen Sommelier blieb es bei den Haus-Abfüllungen, meist zwei pro Jahr. Einen 28 Jahre (!) alten Glenlivet bot Köstler 2003 um 88 Euro im Verkauf an. Eine Summe, die heute locker für einen zwölfjährigen Standard-Malt fällig wird. Über 20 Jahre gereifte Single Malts wären heute kaum mehr leistbar, teilweise käme es daher auch zur Kostenteilung für ein Fass – wenn denn der Abfüller in Schottland das zulässt. Denn dann sind natürlich auch zwei Etiketten zu erzeugen und ­anzumelden.

Dabei kommt den Einzelfass-Händlern noch zugute, dass sie in der Regel auf unabhängige Abfüller in Schottland zurückgreifen. „Deren Flaschen sind nicht so wertsteigernd wie die Abfüllungen der Brennereien selbst.“ Zumal auf deren wenigen, schmucklosen Flaschen keine horrenden Marketing-Budgets lasten, sind sie in der Regel auch deutlich günstiger als die Originale. Eine Single-Cask-Flasche Ardbeg, nach 20 Jahren direkt von der Destillerie angeboten, steht aktuell gerade um 3.000 Euro zum Verkauf – weltweit gibt es davon gerade 179 Flaschen.

Doch die Käufer der Wiener Einzelfass-Abfüllungen sind in den seltensten Fällen Sammler, weiß Ludwig Köstler: „95 Prozent suchen besonderen Whisky zum Trinken.“ Und es geht auch nicht immer nur bierernst zu bei den Freunden der raren, authentischen Fassstärken. In Deutschland ist Klaus Pinkernell immer noch legendär für seinen „Fishky“ – einen Whisky, den er im Salz-Heringfass lagerte. Schon damals waren ihm überteuerte Single Malts aus obskuren Fasshölzern suspekt. Der „fischige“ Protest liegt zwar schon 13 Jahre zurück, mit Whiskyfässern handelt er aber immer noch. Und auch der Schalk hat den Betreiber des Salzburger „Whisky Markets“ nicht verlassen. Für den „Conspirator Malt“ legte er gerade einen Mix aus drei Single Malts aus Oktavfässern auf. Die rund 55 Liter fassenden Kleinfässer sind selten in der Whisky-Welt und ergeben durch das höhere Verhältnis von Holz zu Whisky eine raschere Reifung.

Foto: Whisky Purbach

Der nach 13 Jahren Lagerung tiefdunkle Whisky passte für Pinkernell zu Verschwörungstheoretikern. Weshalb er den Flaschen – gerade 161 gibt es davon – nicht nur einen Aluhut als Erkennungszeichen verpasste, sondern auch auf das Etikett schrieb, gegen welche Theorie man wie viel Whisky trinken sollte. „Es sind nicht nur Männer über 50, die so etwas kaufen“, zerstört Pinkernell nicht nur Verschwörungstheorien, sondern auch ein Klischee. „Auch Leute, die bei uns ein Geschenk suchen, greifen zu den Einzelfass-Abfüllungen.“ Genau 29 Stunden dauerte es etwa, bis der Whisky mit dem Aluhut ausverkauft war, hat der Salzburger Händler ein aktuelles Beispiel.

Während die zwei bis drei limitierten Abfüllungen pro Jahr ein Nebengeschäft für Whisky-­Handlungen darstellen, existiert mit der „Single Cask Collection“ auch ein eigenes, heimisches ­Unternehmen, dass schottische Single Malts abfüllt. „Bis jetzt waren es 82 Fässer“, erzählt Alexander Huprich, einer der Gründer der Welser Firma. Seine Kontakte nach Schottland gehen auf ein Praktikum auf der Hebriden-­Insel Islay zurück. Im gelobten Land für Freunde des getorften Whiskys werkte er bei Bruichladdich, und „so wurden einige echte Freundschaften geschlossen“. Die Schotten kommen mitunter zum Bergsteigen und versorgen die Oberösterreicher mit wichtigen Kontakten. Ansonsten sei es schwierig, an Fässer zu kommen, selbst bei offiziellen Verkäufen: „Bei Auktionen ist es sehr oft so, dass viele reiche Whisky-Freaks zu hohe Preise bieten“, liebt Huprich zwar das Flair der Spezialversteigerungen, bezieht die Fässer aber meist aus seinem persönlichen Netzwerk.

Denn grundsätzlich gibt es immer wieder Nachschub an einzelnen Fässern. Vor allem aus jenen, teils längst geschlossenen, Brennereien, die „Single Grain“ erzeugten, kursieren etliche „Single Casks“. Der aus anderen Getreiden als gemälzter Gerste gebrannte Whisky wird in hoher Zahl erzeugt, blieb als Bestandteil in „Blended Scotchs“ aber auch immer wieder einmal schlicht liegen. Pur wird er kaum geschätzt, vor allem nicht in jungen Jahren. Doch immer wieder wurden Chargen im Zuge von Brennerei-Schließungen der ­letzten Jahrzehnte mitverkauft. „Carsebridge“ etwa schloss 1983 für immer, am Markt findet sich aber 35 Jahre alter „Grain ­Whisky“ der Destillerie ebenso wie 29, 43 oder gar 45 Jahre gereifter. Der Preis für den 1982 destillierten Brand, eine echte Zeitkapsel, beträgt moderate 280 Euro. Wobei echte Single-­Malt-Trinker da doch eine ­Batik-Krawatte als Geschenk vorziehen würden.

Aber einen aus meinem Fass …
Abfüllungen der heimischen Barrel-Boys

„Heaven of Malts“ ist Burgenlands Import-Gemeinschaft von Andreas Schmidt (brennt im Lafnitztaler „Rabenbräu“ selbst Whisky namens „Old Raven“) und Gerald Petö. Der Whiskyhändler aus Oslip hat aktuell einen elf Jahre ­gereiften Ardmore im Angebot; die Fass-Stärke des Highland-Malts beträgt 60 Prozent.

Foto: Hersteller

Um 78 Euro bei www.whisky-purbach.at


Unmittelbar neben dem Stephansdom wartet mit Ludwig Köstler einer der beständigsten Single-­Cask-Abfüller Wiens auf Whisky-Freunde. Seit 1996 wird in der „Vinothek St. Stephan“ fassweise importiert. Für Fans des raauchigen Whiskys wartet aktuell ein Caol Ila, Brennjahrgang 2007 (57,2 Prozent).

Foto: Hersteller

Um 108 Euro bei www.vinothek1.at


Klaus Pinkernells Salzburger Whisky-Handlung (und ihr Schwester-Geschäft in Berlin) sorgt immer wieder für überraschende Abfüllungen. Der Weltverschwörer-Malt „Conspirator“ war innerhalb von zwei Tagen ausverkauft. Nachschub kommt mit dem „Austria 2020“, einer Auflage von nur 360 Flaschen einer ungenannten Islay-Brennerei (56,2 Prozent).

Foto: Hersteller

Um 45 Euro bei www.pinkernells-shop.at


Alexander Huprich und seine Freunde, die den Welser Abfüller „Single Cask Collection“ gegründet haben, lagern etlichen Nachschub in Schottland. 100 Fässer sind es derzeit, die auf die kommenden Jahre warten, um abgefüllt zu werden. ­Aktuell bietet man u. a. einen elf Jahre alten ­„Craigellachie“ (53,6 Prozent) an.

Foto: Hersteller

Um 64 Euro bei www.vinospirit.at/single-cask-collection