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Das WIENER Manifest wider die Gewalt gegen Frauen

Gleichberechtigung für Frau und Mann? Welche Frage. Und Gewalt gegen Frauen ist sowieso das allerletzte, absolut und unbedingt, das sagen wir seit über 45 Jahren. Nun schreiben wir es auf. Und bitten Euch Frauen, uns WIENER doch an Eurer Seite dagegen ankämpfen zu lassen.

Fotos: Thomas Riess

§1. Es muss des Mannes edelste Pflicht und höchstes Vergnügen sein, Frauen bei jedweder Gelegenheit zu ermächtigen, ihnen den Vorzug zu geben, sie auf ein Podest zu stellen.
Das ist die Grundlage, davon ­gehen wir aus. Und göttingewollt, wie wir meinen – ihr Wille geschehe.

§2. Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist unabdingbar und nicht zu diskutieren.
Gleiche Rechte im Job und beim Gehalt: was denn sonst? Welchen anderen Grund sollte es ­geben, einen Menschen, egal, welchen Geschlechts, zu bevorzugen oder besser zu bezahlen, als seine Qualifikation? Einer Diskussion darüber viel Raum und Zeit zu geben, macht diese eigentlich unglaubliche Sache schnell zum Elitenthema, was all jenen, die den sogenannten Gender-Pay-Gap neuerdings groß­zügig zulassen, Zeit gibt, die tatsächliche Umsetzung des Themas so lang wie möglich hinauszuschieben.

§3. Gewalt gegen Frauen ist das Allerletzte.
Egal, ob in dunklen Gassen, in hellen Büros, in Partnerschaften, Beziehungen oder Ehen: Die Typen gehören benannt, gefasst, ­gerührt und geschüttelt und nein, das aktuelle Strafgesetzbuch ist hierzu vermutlich weniger geeignet als eine Runde Riesenrad mit ein paar festeren Mitgliedern ­unserer Redaktion oder aber des Macho-Alphas im Team, der hoch geschätzten Alexandra Pisecker. Warum das leider nicht geht? Weil es verboten ist.

Noch ein paar Worte zur Definition von Gewalt aus WIENER-Sicht. Eine Facebookanfrage mit eindeutigen ­Absichten, eine plumpe Anmache im Kaffeehaus, eine Zote, die der Männerwitze erzählende Altsack in der Kantine viel zu laut bringt – all das ist mühsam, unnötig, entbehrlich, aber noch keine Gewalt. Nachpfeifen auf der Straße ist niveaulos, dumm, kann das Nervenkostüm über Gebühr belasten, ist aber noch immer etwas anderes als unmittelbar körperliche Übergriffe. Ein Kompliment am Arbeitsplatz ist häufig unangebracht, aber keine Gewalt. Und auch das gerne ins Treffen geführte Mansplaining kann zwar richtig mächtig nerven, ist aber noch immer etwas anderes als der notorische Klaps auf den Hintern oder gar die Faust ins Gesicht.

Dick Pics, Drohungen auf Leib und Leben, vulgäre Beschimpfungen per SMS, auf der Straße oder sonst wo, ungebührliches Eindringen ins private Umfeld, mangelnde Distanz, Übergriffigkeiten körperlicher Natur? Meet us at the Riesenrad. Aber bitte lasst uns differenzieren. Und dann umso beherzter durchgreifen.

Die roten Scuhevon Schwelm (© Adobe Stock)

§4. Nein bleibt Nein, immer und überall.
Übrigens höchst egal, ob aus männlichem oder weiblichem Mund gesprochen und unter welchen Umständen. Tinder-Date? Nein bleibt Nein. Jobinterview? Nein bleibt Nein. Zuwiderhandeln fällt unter Gewalt und somit unter § 3 ff. (Riesenrad-Paragraf).

§5. Frauen sind göttliche Geschöpfe und als solche zu verehren.
Vagina divina. Es ist uns Männern von klein an bewusst, dass Göttin im Schoße der Frau beheimatet ist. Und sollte uns die Gunst der Stunde ihren unverhüllten Anblick bescheren, so gibt es für uns nur eines: runter auf die Knie und gebetet wie noch nie. Wir Männer werden uns nicht da­gegen wehren können, die Äußerlichkeiten der Frauen zur Kenntnis zu nehmen, ihre sexuellen Reize zu registrieren und deren Anziehungskraft auf uns zu bewundern, in passenden Momenten eventuell kundgetan durch Akklamation. Freilich obliegt es der Bewunderten allein, das Passen des Momentes zu beurteilen. Letzteres zu ignorieren oder all das als Rechtfer­tigung für jedwede Ausübung von ­Gewalt heranzuziehen, fällt klarerweise unter § 3 und § 4.

§6. Bekämpft nicht uns Männer, lasst uns an eurer Seite kämpfen.
Incels, Frauenhasser, Möchtegern-­Unterdrücker, Fräulein-Sager – hach, wie sind uns solche Typen zuwider. Der Chef, der Verbesserungen im Job verspricht, dafür ein Date einfordert, der Vorstadt-Casanova, der auf Zurückweisungen mit abfälligen Bemerkungen reagiert, der Oberexperte, der Frauen für nichts anderes als Hausarbeit prädestiniert sieht …

Solche Leute beleidigen nicht nur euch, sondern auch uns. Weil wir sie nicht als Männer in unserem Sinne wahrnehmen können. Sie sind die ­„toxischen Männer“, von denen immer die Rede ist und deren Gift auf uns alle abfärbt. Wir lassen uns durch gemeine Verallgemeinerung nicht mit diesen Leuten in einen Kahn setzen. Holt uns lieber zu euch ins Boot. Wir werden um unser aller Leben rudern.

§7. Anbiedern ist uncool, seicht und durchschaubar.
Nicht halb so viel, aber doch einiges an Verachtung gönnen wir all jenen Kerlen, die die derzeit hippe Fancyness eines generalistischen Männer-Schuldbekenntnisses durch lautstarke Selbstgeißelung bei jeder Gelegenheit absurfen. Jungs, wir wissen: Wer vögeln will, muss nett sein. Aber euer ständiges „Wir Männer sind das Problem!“-Geseiere ist weder nett noch empathisch. Es ist dumm, falsch und durchschaubar.

§8. Quoten und ähnliche Regelungen sind Wasser auf die Mühlen der Falschen.
Wir halten nichts von Quoten, die die sowieso selbstverständliche Gleichstellung von Frauen erzwingen sollen, schon der Begriff „Frauenquote“ ist eigentlich eine Beleidigung. Derlei ­Regelungen bringen bloß Beifall in den eigenen Reihen, verärgern aber jene, die sie stets zu umgehen trachten: All jenen Menschen, die Frauen aus welch irrigen Gründen auch immer gerne benachteiligt sehen, ölt jede künstliche Verzerrung das muntere Opponieren.

§9. Unbelehrbaren, egal, welcher Herkunft, ist stets mit Haltung zu begegnen
Rechts, links, jung, alt, weiß, schwarz, reich, arm, Christ, Moslem, Jude, Hindu, Ausländer, Inländer, Mann, Frau – es gibt immer da wie dort Idioten. Und die gilt es herauszupicken, Haltung vorausgesetzt. Dann klappts auch mit der Nachbarin namens Zivilcourage.

§10. Sie sehen großartig aus, meine Liebe.