KULTUR

Amadeus Award 2023  – Mein Scheitern in mehreren Akten.

Götz Schrage war für den WIENER am Amadeus Award 2023. Und kam mit einem etwas anderen Bericht zurück.

von Götz Schrage

So viel hatte ich vor und so wenig ist mir gelungen. Ich wollte Karl Ratzer gratulieren und ich wollte Tränen in den Augen haben, wenn er etwas sagt. Ich habe ihn oft was sagen gehört, damals in den frühen 80ern, aber ich habe nie ein Wort verstanden. Er hat was gesagt zu uns und seine Schwestern haben es dann erklärt, oder es waren seine Cousinen? Jedenfalls wir Jungen sind da gestanden, haben genickt und waren stolz, dass er überhaupt was sagt zu uns.

Ich hatte aber noch viel mehr vor am Amedeus Award 2023. Ich wollte Fotos machen von alle den jungen und wichtigen Musikern der Zeit. Ich wollte DIE Fotos machen, die mein Enkel dann in 30 Jahren verkaufen kann. Ich wollte Oskar Haag am Klo fotografieren, ich wollte den Bart von Herrn Wurst fotografieren, ich wollte den  scharfen Anzug von Voodoo Jürgens ganz scharf fotografieren und ich wollte noch viel mehr. Zum Beispiel wollte ich dem Matthias Strolz Blut abnehmen und schauen lassen, was da drinnen ist, weil wenn ich irgendwann mal anfangen sollte, was zu nehmen, soll es das selbe sein.

Ich habe Karl Ratzer oft was sagen gehört, damals in den frühen 80ern, aber ich habe nie ein Wort verstanden.

Nichts ist mir gelungen. Ich war akkreditiert, ich hatte ein Band um den Arm und ich war so kooperativ, wie man nur sein konnte und trotzdem, oder deswegen (?), ließ ich mich immer dorthin scheuchen, wo irgendwelche Idioten mit Bedeutungsproblemen meinten, dass wir Pressefotografen zu sein hatten. Wobei, dass die Idioten uns dorthin schicken ist eine Sache, aber dass wir Oberidioten dem alle folgen, ist die viel üblere. Im Prinzip darfst du Bilder vor einer hässlichen, gelben Wand machen und nur dort. Und wenn du das Pech hast, keinen Platz im Gehege der Fotografie zu bekommen, dann darfst du gar nichts machen (Conny de Beauclair hatte Glück, hier gehts zu seinen Bildern.)

Irgendwann werden die Medien nur noch ihre Drohnen schicken, ich bin mir jedenfalls zu schade für den Mist und gehe.

Habe dann versucht mich unter die Gäste zu mischen, in der Hoffnung, dass mir so etwas gelingen könnte. Versteckt in diesem Strom von gut gelaunten Landmenschen, schicken Bobogesichtern und älteren Männern mit bunten Brillen, viel zu kleinen Hosen und jungen Freundinnen, aber ich wurde sofort erkannt – wahrscheinlich an meinem Fotoapparat (oder an meinen passenden Hosen?) – und aussortiert. „Für die Presse wird die Veranstaltung live in den Roten Salon übertragen, wenn sie mir bitte folgen“. Immerhin höflich wurde ich abgeführt.

Pressefotograf zu sein ist heute offenbar das Gegenteil eines Privilegs. Dreißig Securitys aller Geschlechter stehen vor jeder Tür. Der Kollege vor mir hatte den Mut, sich die Brustwarzen zu piercen, und die Eitelkeit, sein Hemd offen zu tragen, aber es fehlten ihm die Eier, sein Bierglas mit auf den Raucherbalkon zu nehmen, ohne den Mann im schwarzen Hemd mit dem Funkgerät um Erlaubnis zu fragen. Wir konnten damals noch mit Peter Gabriel Tischtennis spielen, ein Fotografenkollege hat Tom Waits Feuer gegeben (ich stand daneben), und ich habe persönlich mit Depeche Mode Bier getrunken und das war nicht mal schwer.

Wir konnten damals noch mit Peter Gabriel Tischtennis spielen, ein Fotografenkollege hat Tom Waits Feuer gegeben (ich stand daneben), und ich habe persönlich mit Depeche Mode Bier getrunken und das war nicht mal schwer.

Nach der Show müssen wir in den weißen Salon. Wieder eine gelbe Wand und ein Hintereingang. Die Award-Gewinner werden von hinten vor die Wand geführt, machen unter Anfeuerung der Fotografen ihre immer gleiche Fratzen in allen Richtungen und gehen wieder. Dann kommt der oder die Nächste und es beginnt das selbe von vorne. Irgendwann werden die Medien nur noch ihre Drohnen schicken, ich bin mir jedenfalls zu schade für den Mist und gehe.

Unten im Foyer sehe ich Oskar Haag alleine stehen. Er hat die Augen sehr sonderbar geschminkt mit so glänzendem Glitzer, wie sich Poledance-Mädchen über die Busen sprühen. Ich bleibe kurz vor der Ausgangstür stehen und will meine Kamera auspacken. Der Mann mit dem schwarzen Hemd und dem Funkgerät sagt: „Wenn Sie bitte da weggehen. Sie blockieren den Ausgang“. Ich erwidere, dass da überhaupt niemand ist, der raus gehen will, weil es schon gar ruhig ist. „Gehen Sie bitte weiter, ich habe Ihnen das ganz freundlich gesagt“. Ich sage nichts mehr, weil es unter meiner Würde wäre noch etwas zu sagen.