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Archiv 1996: Die Verschwörung der Korrekten

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Das Schlagwort der „Political Correctness“ bedeutet nichts anderes als die immer drohendere Diktatur der Halbgebildeten und Humorlosen über Sprache und Gesellschaft. Wenn wir sie aufhalten wollen, sollten wir uns langsam beeilen.

Polemik von PETER HIESS & FRANZISKUS KERSSENBROCK • Foto ROLF LIBAN

Achtung! Bei diesem aus 1996 stammenden Text aus dem Archiv des WIENERs handelt es sich um bewusste Polemik bzw. Satire. Der Inhalt ist nicht wörtlich zu verstehen.

Sie essen keinen Thunfisch, weil sich ein Delphin im Netz verfangen haben könnte. Sie tragen bei öffentlichen Auftritten neckische rote Aids-Schleifen am Revers. Sie können Worte wie „Manager“ und „Lokführer“ nicht aussprechen, ohne automatisch die Endung „-innen“ anzuhängen.

Sie treten im Namen des Jugendschutzes – für die Zensur von Rock und Rap, Fernsehen und Video, Comic, Internet und Computerspiel ein; dabei arbeiten sie sogar mit Vertretern erzkonservativer Gruppierungen zusammen. Kurz: Sie sind genau das, was sie ihren Eltern und Großeltern immer vorgeworfen haben – die Verhinderer und Bücherverbrenner des ausgehenden 20. Jahrhunderts.

Sie sind politisch korrekt.

Die neuen Tugendwächter sind die traurigen Reste und Abkömmlinge der 68er Bewegung, die den langen Marsch durch die Institutionen geschafft haben und jetzt in Zeitungsredaktionen, Parteisekretariaten, Kirchenversammlungen, Seminaren und Instituten sitzen. Damals sprachen sie von Revolution, heute spielen sie den Großen Bruder und tun alles, um ihre Machtposition nicht mehr aufgeben zu müssen.

Politisch Korrekte können austeilen, aber nicht einstecken. Wer ihnen nicht passt, braucht nur den Mund aufzumachen und darf sich umgehend als „Rassist“ und „Neofaschist“ bezeichnen lassen. Bestes österreichisches Beispiel: FPÖ-Chef Jörg Haider, dem eine gut geölte Propagandamaschinerie aus Politikern und Medienmenschen gegenübersteht, die ihn täglich ins Kreuzfeuer nimmt. Wenn er es seinen Angreifern mit gleicher Münze heimzahlt, machen sich prompt tiefe Betroffenheit und Besorgnis über die „Qualität des politischen Dialogs in diesem Land“ breit.

Land der Hämmer. Beflissen (und natürlich betroffen) stellte die Wochenzeitung profil Ende Jänner in großen Lettern die Frage, warum uns unsere Vergangenheit immer wieder einhole. Auf dem Baugelände des Kraftwerks Lambach waren Skelette gefunden worden. Da die österreichische Vergangenheit bekanntermaßen nur die Jahre 1938 bis 1945 umfasst und zudem notorisch unbewältigt ist, mussten es jüdische KZ-Opfer oder wenigstens in der Gefangenschaft verstorbene Wehrmachtangehörige sein – Hauptsache, es handelte sich um Opfer der faschistischen Gewaltherrschaft. Wie sich später herausstellte, moderten die Gebeine jedoch seit mehr als 300 Jahren in der Au vor sich hin und stammen möglicherweise aus den Bauernkriegen. Aus und vorbei, Schluss mit der Aufregung. Nach Lambach kräht heute kein Hahn mehr.

Die scheinheilige neue Moral macht auch vor der künstlerischen Freiheit nicht halt: Als die New Yorker Gruftie-Rockband Type O Negative – deren Sänger in seinen provokanten Texten blutige Rache an einer Ex-Freundin schwört – in Wien auftreten sollte, brachte das ausgerechnet ein paar sensible Redakteursseelchen der linkslastigen Programmzeitschrift Falter so in Rage, dass sie zu Demos und Boykott gegen den Veranstalter aufriefen. Das Konzert wurde abgesagt. Was Kunst ist (und sein darf), bestimmt der Falter.


Beispielhaft
GUTE MENSCHEN

So gelten Sie als politisch korrekt:

(noch einmal: Satire!)

  • Seien Sie Frau, schwul, Jude oder Neger. Sie können auch als weißer inländischer Mann politisch korrekt sein, aber nur, wenn Sie sich für die Geschichte der letzten Jahrhunderte zutiefst schuldig fühlen.
  • Vergleichen Sie Massentierhaltung mit dem Massenmord in Nazi-KZs. Das ist zwar schwachsinnig, kommt aber immer gut an.
  • Freuen Sie sich, dass O. J. Simpson dem rassistischen US-Rechtssystem entronnen ist. Setzen Sie Kinder in die Welt und unter eine Käseglocke, das schützt vor der bösen Medienwelt aus Gewalt und Pornografie.
  • Engagieren Sie sich gegen Atomkraft, Treibgase und Ozon. Oder so ähnlich. Hören Sie CDs von R.E.M., Sinead O’Connor, Sting und Herbert Grönemeyer.
  • Scheuen Sie die üblen Machenschaften von Schulmedizin und Pharmaindustrie. Sie sterben zwar früher, dafür ganzheitlich.
  • Wandern Sie in eine Au und ketten Sie sich probeweise an einen Baum. Vernadern Sie jeden, der anders denkt.