Mode

Trendsetter – The Big Sock Suspender

Sarah Wetzlmayr

Bruno von Josephsheim erschnüffelt unter dem Tisch eines noblen Berliner Ess- und Trinktempels das ultimative Bei(n)werk für den Mann: den Sockenhalter.

Wir haben uns kürzlich mit dem jungen Hardenberg getroffen. Der Graf ist zwar von überschaubarer Statur, doch immer groß im Kommen. Er trug Bart, als die Männerwelt noch mit nackten Wangen herumlief. Kurze Zeit später mutierte die männliche Gesichtsbehaarung zum Hipster-Accessoire und Hardenberg präsentierte sich mit einem filigranen Moustache – aber dazu ein andermal. Dem Grafen liege ich gern zu Füßen, lausche seinem nasalen Singsang, spitze die Ohren: Warum die Grünen den Trend der Lumbersexuellen vorwegnahmen, Shabby Baroque und Industrieschick als bohemistische Wohnstile nicht in Frage kommen und die Hauser&Wirth-Dependance im süd-westenglischen Somerset besser als jede Gagosian-Galerie ist. Im schummrig-noblen Ambiente des „The Grand“ plätscherte die Unterhaltung dahin. Ein verbales Pingpong zweier stil- bildender Zeitgenossen. Und ups, fast hätte ich den nächsten Trend überhört. Da war es, das ultimative Trendutensil, quasi vor meiner Schnauze. Hardenberg lüpfte sein Hosenbein: „No longer is the idea of a woman different from that of a man“, kündigte der Graf an. Das Zitat stammt von Esther Perbandt, die Berliner Modedesignerin ist feminin ebenso präsent wie maskulin und wird gerade die Fashion-Blogs und -Postillen rauf- und runtergejagt.

Nur: Hardenberg hatte etwas anderes im Sinn. Seine Schenkel wurden zu Dreiviertel von feinstem zweifarbigen Zwirn umschmeichelt und unter der Kniebeuge von Sockenhaltern umschlossen. Mein Herrl starrte verzückt auf die Waden des Blaublüters. Ich dachte mir: Ja, warum sollte bei Männern nicht funktionieren, was bei Frauen bereits seit der Erfindung des Strumpfbandes klappt? I.e., Sockenhalter sind sexy – und praktisch, wenn man es genau nimmt. Denn trotz Elastikfaser in den meisten Beinkleidern kommt es schon mal vor, dass die eine Socke bis zur Wade rutscht, während sich die andere bis zu den Fesseln entrollt. Mittlerweile tätschelt mir mein Herrl den Kopf – als äußeres Zeichen bedingungsloser Zustimmung, der sich anbahnenden Sockenhalter-Bewegung folgen zu wollen. Damit bewegt er sich in ausgewählt guter Gesellschaft, wie eben der des Herrn Grafen und eines gewissen Johnny Depp, Enfant terrible in vielerlei Hinsicht. Da sich Herr Depp immer sehr mit seinen Rollen identifiziert und zum Glück die Piraten-Phase hinter sich gelassen hat, schmückt er sich nun mit edlem Tuch, einer zarten Oberlippenbehaarung und: Sockenhaltern. Wie in „Mortdecai“, einer mäßig erfolgreichen Hollywoodproduktion über einen Teilzeitgauner mit Stil. Während Ärmelschoner immer noch fad wirken, emanzipieren sich Sockenhalter hin zum ultimativen männlichen Kleidungsaccessoire. Dabei fällt mir ein, erst kürzlich wurde ein gewisser Herr David B. mit Ärmelschonern gesichtet. Ich glaube, er war gerade dabei, dem Kindermädchen die Tür aufzuhalten. Da bleib ich lieber beim Trendgespür eines Herrn Depp und bin überzeugt: Ihr Über-Ich trägt ja schon länger Sockenhalter, nur das Modebewusstsein hat das noch nicht ganz geschnallt. Sollte jetzt aber schnell gehen. Hardenberg behauptet übrigens, die besten Trends blühen im Verborgenen. Rein verbaltheoretisch hat er mein Einverständnis.

Fotos: Getty Images
Constantin Film