Rapper Sido sitzt in der ESC-Jury

Der einstige Skandal-Rapper Sido urteilt in der Grand-Prix-Jury über Jazz aus Georgien und Punk aus Island. In Zukunft könnte der ESC aber mehr Hip-Hop vertragen, meint er.

Selbst würde der Rapper Sido beim Eurovision Song Contest zwar nie mitmachen. Trotzdem hat der 33-Jährige zumindest in diesem Jahr alle Lieder des Wettbewerbs wohl schon mehr als einmal gehört. Als Mitglied der deutschen Jury muss er sie beim Show-Finale am Samstag bewerten. Im dpa-Interview in der dänischen ESC-Stadt Kopenhagen bricht der Musiker, der vor einem Dreivierteljahr Vater wurde, eine Lanze für den Hip-Hop im Grand Prix. Und erklärt, wie ein Rapper zum größten Popfest Europas kommt.

Sido und der Eurovision Song Contest – wie passt das zusammen?

Sido: Ja, wie passt das nicht zusammen? Ich bin ja in erster Linie Musiker, und hier geht es um Musik. Ich finde, das passt sehr gut. Ich finde auch, dass es ein guter Schritt dahin ist, dass Hip-Hop, die Musik, die ich mache, hier auch als Musik wahrgenommen wird. Ich freue mich, dass ich als Musiker wahrgenommen werde und meine Meinung sagen darf. Das ehrt mich.

Hip-Hop ist beim ESC noch eher ein Exot.

Ich habe gestern Polen gesehen, das kommt der Sache schon sehr nahe.

Kannst du dir vorstellen, selbst beim ESC anzutreten?

Nein. Ich finde, der ESC ist ein gutes Sprungbrett für neue Künstler. Aber Künstlern, die schon gefestigt sind, schon ihr Bein im Geschäft haben, denen kann das nur schaden. Nehmen wir an, die gewinnen nicht, werden sogar Letzter. Ich glaube aber, dass wenn jemand, der nicht bekannt ist, verliert, er immer noch eine Chance auf eine Karriere hat. Aber jemand, der schon jemand ist und sich dann in so einen Contest begeben muss, das ist nichts. Deswegen siehst du selten jemand Bekanntes.

Welcher Hip-Hopper könnte Deutschland denn beim ESC vertreten?

Jeder im Grunde. Jeder, der sich diesem Contest stellen möchte. Ich glaube aber, dass Rap nicht so eine große Chance hätte.

Warum nicht?

Das Publikum ist nicht so jung. Es wird immer jünger, und es interessieren sich wieder viele jüngere Leute dafür – wie es früher schon einmal war. Wenn das mehr wird, hat auch Hip-Hop eine Chance. Aber jetzt noch nicht. Es gibt viele Schwule und Lesben, die beim ESC zuhören. Die sind auch nicht gerade mit Hip-Hop befreundet. Ich würde mich über mehr Hip-Hop freuen, aber wir hätten keine Chance.

Wer hat denn in diesem Jahr die größten Chancen auf einen ESC-Sieg?

Ich fand Finnland super. Ich habe Dänemark kurz gesehen – ich glaube, das könnte einer meiner Favoriten sein. Aber jemand, mit dem wahrscheinlich niemand rechnet, ist Georgien. Die sind bei allen anderen ganz weit hinten in der Liste, aber ich mag sie, weil sie schöne, handgemachte Musik machen. Mir gefällt die Melodie sehr. Wie die auf der Bühne stehen, das ist nicht so verkleidet. Ich glaube, die haben denen einfach gesagt: Zieht an, was ihr wollt. Macht auf der Bühne, was ihr wollt. Das sieht man: Es ist nicht durchgestylt, und das macht mir Spaß zu sehen. Aber ich glaube nicht, dass sie große Chancen haben.

In diesem Jahr schwingt beim ESC durch die Ukraine-Krise mehr Politik mit als sonst. Ist davon hinter den Kulissen etwas zu spüren?

Was ist denn hier in Dänemark? Wenn wir in der Ukraine wären, würde ich es verstehen, dass man darüber redet. Ich finde, die Ukrainer, die hier antreten, sollen sich Luft machen und das gerne auch als Bühne, als Podium nutzen, um darüber zu sprechen. Mein Thema ist es ehrlich gesagt nicht.