ESC 2014: Deutsche Jury nach Wurst-Verweigerung in der Defensive

Vom deutschen Publikum gab es für Conchita Wurst beste Noten, von der „Fachjury“ hingegen wenig Punkte. Dafür müssen Sido & Co. nun heftige Kritik einstecken.

Aus Russland kommt Hass auf die Eurovisions-Siegerin. Voll des Lobes sind dagegen internationale Stars wie Cher und Julio Iglesias. Und die deutsche Jury muss sich für ihr Votum rechtfertigen.

Die Organisatoren des deutschen Grand-Prix-Votums haben die schwache Jury-Bewertung von Conchita Wurst gegen Kritik verteidigt. Die österreichische Siegerin hatte aus Deutschland nur sieben Punkte bekommen, obwohl das Publikum ihr zwölf Punkte gab. Fast nirgends sonst lagen Jury und Zuschauer so weit auseinander, was in Sozialen Netzwerken viel Unmut auslöste. „Wenn der Sieg von Conchita Wurst als ein Zeichen der Toleranz in Europa betrachtet wird, ist es eine Selbstverständlichkeit, dem Urteil der „music industry professionals“ dieselbe Toleranz entgegenzubringen“, schrieb ESC-Teamchef und ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber am Montag.

Heftige Reaktionen

Conchita Wursts Sieg für Österreich beim Eurovision Song Contest (ESC) rief weltweit zum Teil heftige Reaktionen hervor. Von US-Popdiva Cher bis zu russischen Politikern kommentierten viele den Triumph der Vollbart-Dragqueen in Kopenhagen.

Nachdem bekanntgeworden war, dass Deutschlands Profi-Juroren Conchita Wurst zusammengerechnet nur den elften Platz und damit keine Punkte gaben, hagelte es Kritik vor allem in sozialen Netzwerken. Wäre es nur nach dem Fernsehpublikum gegangen, hätte Deutschland Wurst die Höchstwertung von zwölf Punkten gegeben. Mit dem Jury-Votum zusammen gingen sieben Punkte (die vierthöchste mögliche Wertung) nach Österreich. Die umstrittene 50:50-Regel für Jury/Publikum gibt es beim ESC seit 2009.

Sido voller Häme

In der vom NDR gekürten Jury saßen die Musiker Andreas Bourani („Auf uns“), Madeline Juno, Jennifer Weist (Jennifer Rostock), der Manager Konrad Sommermeyer sowie der Berliner Rapper Sido (Paul Würdig). Sido verteidigte sich bei Facebook: Es sei „eine reine Geschmacksfrage“, warum ihm die „Komposition und die Performance des Herren aus Österreich“ nicht gefallen habe. Er sah Wurst sogar nur auf Rang 13.

In den USA spielte der ESC – wie immer – kaum eine Rolle. Nur wenige Zeitungen berichteten: Die „New York Times“ attestierte Tom Neuwirth alias Wurst eine Stimme „wie gemacht für den Broadway“. Der Sieg des Österreichers zeige, „dass der Song Contest die größeren sozialen und politischen Trends widerspiegelt… auch wenn er von den sozial konservativ Eingestellten in Russland und Osteuropa als Zeichen des dekadenten und moralisch verdorbenen Westens scharf kritisiert wird“.

Grand-Prix-Urgestein Ralph Siegel (68) schaut nach dem enttäuschenden drittletzten Platz mit San Marino schon wieder nach vorne und will weitermachen. „Mein größter Traum wäre, nochmal mit Deutschland anzutreten.“ Den Grund fürs schlechte Abschneiden machte er auch aus: „…mein Song war vielleicht zu anspruchsvoll.“ Der ORF will in spätestens zwei Monaten entscheiden, wo in Österreich der Eurovision Song Contest (ESC) 2015 ausgetragen wird.

ORF kein Vorbild

Auch wenn der ORF ohne Vorentscheid mit der Nominierung der Vollbart-Dragqueen erfolgreich gewesen ist, will der zuständige NDR Deutschland an einem nationalen Finale festhalten: „Auch im kommenden Jahr wird es einen deutschen Vorentscheid geben.“