AKUT

Taste of Wien

Sarah Wetzlmayr

LIEBE GRÜSSE UND EIN BUSSI AUS WIEN

Es ist eine schwere Zeit für hartgesottene Wiener Grantler – von allen Seiten erklären sie einem wie schön und lebenswert diese Stadt einfach ist. Nun auch in Bildern, in einem ambitionierten Zeitraffer-Video.

von Sarah Wetzlmayr

 

„Spitzenreiter Wien punktet besonders bei der Verfügbarkeit von geeigneten Mietobjekten für Expatriates, der Auswahl an Theater- und Musikdarbietungen sowie Restaurants und dem Angebot von internationalen Schulen“ erklärt die Mercer-Expertin Christ Zihlmann Wiens neuerlichen Sieg in ebendieser Studie. Aha. Grund zur Freude und die eigene Raunzfrequenz mal ein bisschen zu überdenken und möglicherweise sogar ein wenig zu drosseln. International wird unsere Stadt an der Donau wieder einmal groß gefeiert. Warum das so ist, berichtet unter anderem sogar der britischeGuardian. Allerdings scheinen hier einige Lücken in der Recherche auf, so soll laut einer vom Guardian befragten Wienerin eine 100 Quadratmeter Wohnung mit zwanzgminütiger Gehentfernung vom altehrwürdigen Zentrum nur 800 Euro kosten. Keine Ahnung wie schnell diese Frau geht oder aus welchem Jahrhundert dieses Guardian-Interview stammt, aber bestimmt nicht aus dem Hier und Jetzt. Im amerikanischen Bundesstaat Virginia gibt es ebenfalls eine Stadt die Vienna heißt. Möglicherweise lebt die besagte und befragte Frau dort und hat nur einen 20 minütigen Fußmarsch bis zum städtischen Saloon zurückzulegen.

Nach den Lobeshymnen des Zeit Magazins auf Wien als wieder auferstandene Musikhauptstadt, den Zahlen und Fakten der Mercer-Studie und nun auch einem ambitionierten Timelapse-Video war es nie einfacher Wien einfach nur zu lieben. Man muss quasi. Vor allem wenn man sich das Video der beiden Filmemacher Thomas Pöcksteiner und Peter Jablonowski mal angesehen hat. Oder etwa nicht?

Drei Minuten Wien, die den beiden nach eigener Aussage ein Jahr ihrer Freizeit kosteten. Die (theoretische) Hektik der Großstadt im Zeitraffer hat natürlich schon etwas und fängt diesen wientypsichen Widerspruch zwischen Langsamkeit und Schnelllebigkeit auch irgendwie gut ein. Was ein wenig fehlt ist das Leben. Die Bilder wirken ein bisschen so als wären sie die gesammelten Vorlagen eines Malkurses im Pensionistenverein. Schon schön, aber eben ein bisschen zu schön. Einleben kann man sich mithilfe dieses Videos nur schwer in Wien, dafür wirkt alles einfach ein bisschen zu wenig abgelebt. So wie eine animierte Postkarte aus Wien zu Kaiserszeiten: „Hier ist es sehr schön, ich gehe viel spazieren, fahre mit der Bim und war auch schon im Theater. Liebe Grüße und bis bald (im 21. Jahrhundert)“. Das stellt aber natürlich nicht in Frage was Wien eben trotzdem ist: Schon schön.

Foto: Screenshot Youtube