KULTUR

In Songs verpraten

Sarah Wetzlmayr

Der Wurstelprater öffnet die verschlossensten Seelen. Und manche öffnet er so weit, dass Songs dann dort herauskommen. Welches die besten sind, sehr ihr hier. 

von Sarah Wetzlmayr

Sommerzeit ist Freibadzeit in Wien. Aber auch Praterzeit. Der aufgeheizte Beton intensiviert den Gestank von abgesonderter Kotze und Langosresten. Und wenn das Hirn, von der Kombination aus warmen Bier und brütender Hitze so richtig durchweicht und zu einer optimalen Brutstätte für irre Gedanken geworden ist, lohnt es sich besonders all anderen Geschäfte zu vergessen und sich so ganz auf das bunte Spektrum an Fahrgeschäften einzulassen. Der Wiener Wurstelprater hat seinen ganz eigenen Sound, einer der sich in deine Ohren heftet, wie die klebrige Zuckerwatte an den Fingerspitzen und in den Gesichtern der Praterbesucher. Diesen Sound, genauso viel die gebündelte Geruchsvielfalt des Wurstelpraters und seine vielen wimmelbuchartigen Eindrücke in Songs zu verarbeiten, daran haben sich schon einige abgearbeitet, denen der Prater, in irgendeiner Art und Weise nahe steht. Die, deren Herzen daran kleben, wie der Zuckerwattenzucker an den Fingern, bei denen hört man es auch heraus. Deshalb: Eine musikalische Ehrung des Wiener Praters in vier Songs, mit viel Herz und Zuckerwatte.

_Im Prater blüh’n wieder die Bäume. Der Soundtrack zu einem österreichischen Liebesfilm aus dem Jahr 1958 von Robert Stolz. Es geht in dem Film zwar nicht primär um den Wiener Prater aber vor allem um zwei Ladies namens Mizzi und Lixie, Balletttanz, eine Reitschule und das Hotel Sacher. Und wie es bei all diesen Komponenten gar nicht anders sein kann, dreht sich alles, ganz kettenkarussellartig um die Liebe. Und die findet ihren krönenden Abschluss natürlich im Wiener Prater._Krixi Kraxi und die Kroxn „Hallo“. Den Prater als Therapie schlägt die Band rund um Nino Mandl vor. Dr. Freud wäre da vielleicht nicht so ganz einverstanden gewesen, aber den fragt ja niemand mehr. „Aber du gehst jeden Tag in den Prater und ich geh jeden Tag zum Psychiater“ heißt es da. Der Prater therapiert dich aus, auch wenn er vielleicht einen etwas unkonventionellen Zugang wählt, aber das soll in einer Zeit, wo die Define zu Therapiezwecken schon längst überholt wurden und auch als überholt gelten, eigentlich niemanden stören. Man ist offen für alles, was – auf den Prater gemünzt – nach oft sehr kurzer Zeit auch schon für diverse Körperöffnungen gilt. Ein Praterlied-Klassiker aus dem Nino-Dunstkreis._Der Nino aus Wien „Praterlied“. Der eigentliche Klassiker aus dem Praterlied-Repertoire kommt vom Nino selbst. Er ist, mit seiner Homebase im Café Dezentral und Wurstelprater, der neue Praterkönig. Im Praterlied schlägt der Nino durchaus lebensbejahende und Freudenfunken versprühende Töne an. Und obwohl es darin um viel mehr als um den Wiener Prater geht, nämlich um das Leben des Nino Mandl selbst, wird der Prater zu einem wichtigen Ankerpunkt genau darin: „Der Wurstelprater in der Nacht ist viel mehr als du glaubst. Da kommst auf manches drauf.“ Vielleicht sollte man also doch mit den um alle Prater-Aufenthalte kreisenden Tagada-Erlebnissen der Unterstufenzeit abschließen, und ab und zu in den Prater gehen – wegen der wichtigen Erkenntnisse warat’s._Molden/Resetarits/Soyka/Wirth „Rudschduam“. Den zarten Lärm zelebrieren Ernst Molden, Willi Resetarits, Walther Soyka und Hannes Wirth auf der Platte „Ho Rugg“ (2014), die auch dieses melancholisch, zwischen diversen Fahrgeschäften umhertreibende Praterlied enthält. Was passiert wenn die Praterfee aus dem Prater flattert, die halben Attraktionen hin sind und der Prater aber trotzdem nichts von seiner sehnsuchtsverheißenden Attraktivität verliert, darum geht es unter anderem in dem Song. Resetarits und Co inszenierten sich dafür perfekt als alte Strizzis, die nichts daraus gelernt haben, was ihnen die Mama schon damals, als Kinder im Prater, gesagt und verboten hat.