KULTUR

Manfred Rebhandl ist verkühlt

Manfred Rebhandl sitzt in einer dunklen Ecke der Bingobongobar, ein Glas Bourbon in der einen Hand und keine Zigarette in der anderen, er trägt einen blauen Anzug zu gelbem Hemd und brauner Krawatte und verteilt Flugbussis an zwei Blondinen an seiner Seite, die darauf warten, dass er etwas sagt.

Text: Fred Mann

Er sagt aber nichts, sondern bezahlt bei Johnny, dem Barkeeper, die offene Rechnung, streift sich den schwarzen Armani Mantel über und geht die Bäckerstaße hinauf Richtung Fabios.

Dort sitzt er alleine an seinem angestammten Tisch in einer Ecke und bestellt  Wildschweinragout mit Maccaroni aus Ligurien, als Nachspeise ein Tiramisu, das ihm von alleine die Kehle hinunter zu rutschen scheint, so weich ist es. Sein neues Buch DER KÖNIG DER SCHWEINE liegt auf dem Tisch neben ihm, Fiona aus dem Clan kommt vorbei, setzt sich ungefragt zu ihm und beklagt sich über einen, den sie zu kennen scheint. Wobei sie immer wieder auf das Buchcover tippt, so, als wäre der, über den sie redet, eben dieser König der Schweine.

Rebhandl ist bald zutiefst gelangweilt, und als sie ihn um ein Autogramm bittet, lehnt er ab. Er winkt stattdessen Fabrizio zu sich, seinen persönlichen Kellner im Fabios, der Fiona weg führt und ihm dann eine Flasche Grappa bringt. Man hört und liest über ihn, dass er Grundsätze hätte, und mit Leuten aus dem Clan, die sich in seinem Ruhm sonnen wollen, möchte er keinesfalls etwas zu tun haben.

Als aber Dom Perignon Pfarrer Toni Faber kommt und sein Buch segnet, lässt er ihn großzügig gewähren, auch lässt er ihn die Rechnung für das Ragout und alles andere Zeug übernehmen, insgesamt sind es €  368,70. In einem Interview mit der WELT sagte Rebhandl einmal: „Ich enthalte Welten.“

Und tatsächlich: Der Frühaufsteher steht anderntags bereits um sieben Uhr in seinem Stammcafé, das auch Kulturcafé ist, abermals in einer Ecke und spielt dort mit dem DEER Flipper, es gilt, einen röhrenden Hirschen abschießen, aber es gelingt ihm kein Freispiel. „Fängt nicht gut an“, beklagt sich Rebhandl über den Beginn seines Tages.

Die selbst geschriebenen Plakate, mit deren Hilfe man hier zuletzt wochenlang Geld für das Begräbnis des Andi B. sammelte, sind nun abgehängt, und die zurückliegende Halloweenparty hat das Regal, in dem die Jägermeister stehen, beinahe vollständig geleert. Erika, die Besitzerin und Chefin des Lokals, fordert regelmäßig die allerstärksten Männer zu Liegestützewettbewerben heraus, aber es hat noch keiner gegen sie gewonnen. Der Verlierer zahlt eine Runde Jägermeister fürs ganze Lokal, das ist keine schlechte Geschäftsidee, wenn man gut ist im Liegestütze-Machen.

Rebhandl trägt an diesem finsteren Herbstmorgen einen braunen Nadelstreifanzug zu einem goldenen Hemd, er ist verkühlt und verschwindet auf der Toilette, um sich dort Tücher zum Schneuzen zu holen. Eigentlich sollte er in seinem Büro sitzen und einen Text für den WIENER schleifen. Das heruntergekommene Straßenlokal, das er The 5house Factory genannt hat, liegt nur ein paar Schritte neben dem Café Kriemhild, und dort wiederum nur ein paar Schritte neben dem örtlichen Prothesenladen. Leider hat Rebhandl dort keinen Ofen, also weiß er gerade gar nicht, wie alles weiter gehen soll.

„Erst mal Buchpräsentation“, sagt er und schneuzt sich ein paar Mal. Dann bestellt er einen Kleinen Braunen bei Gina, sie ist Rumänin mit dem Charme einer Bulgarin. Seinen Kaffee muss er sich selbst an der Bar holen, das ist hier der Brauch. Die Zeitung Österreich liegt vor ihm auf dem Tisch, und nach ihrer eingehenden Lektüre macht sich Rebhandl gewaltige Sorgen wegen der vielen Messerstecherein am Praterstern, den vielen Polizisten, die ihre Frauen erschießen, und den vielen sexuellen Übergriffen bei gleichzeitig abnehmender Liebe in der Welt.

Auch Rebhandl sucht in diesen Tagen Sicherheit und Geborgenheit. Am liebsten, sagt er, würde er den ganzen Tag lang in den Armen von Kitty Muhr liegen und mit ihr „Die Waltons“ am Stück schauen. Sie ist die Protagonistin seines neuen Krimis DER KÖNIG DER SCHWEINE, erzählt Rebhandl, Kitty wiegt ein bisschen mehr als ein Magermodel, und außerdem kann sie Judo. Judo, nicht Yoga. Das gibt Sicherheit. Sie steht auf Kerle, erzählt Rebhandl weiter, richtige Kerle. Und je mehr er von ihr erzählt, von ihrer Begeisterung für Dildos aus der Spezialanfertigung der Manufaktur Ghetto Boy, von ihrer Vorliebe für schwere alte Coupés der Marke Mercedes-Benz und für reichlich Brusthaar auf muskulösen Oberkörpern, desto nachdenklicher wird Rebhandl. Und dann versinkt er überhaupt in eine beinahe vorweihnachtliche, tiefe Melancholie: „Ich frage mich“, sagt er plötzlich, „ob ich bei diesem männermordenen, blonden Vamp, den ich da geschaffen habe, selbst überhaupt eine Chance hätte. Ich meine: Ich habe keine Muskeln, keinen Brusthaare, ich habe keinen Mercedes, und …. überhaupt.“

Rebhandl schneuzt sich noch einmal, und dann sagt er, er würde sich jetzt einen Heizstrahler kaufen gehen, „unten in der Lugner beim Media. Und dann werde ich den ganzen Tag in meinem Büro verbringen und Liegestützen üben!“

Ohne sich zu verabschieden, geht er hinaus in einen neuen Tag, der viele Blätter von den Bäumen sammeln und reichlich Regen auf die Menschenkinder schütten wird.  Am Abend wird es hier im Kulturcafé einen Liegestützecontest geben, und irgendjemand wird dann sehr viele Jägermeister bezahlen müssen.Am Donnerstag, 10. November ab 19 Uhr, präsentiert Manfred Rebhandl seinen neuen Krimi DER KÖNIG DER SCHWEINE in der Thalia W 3 Buchhandlung Landstraße.
Am Samstag, 12. November um 12 Uhr liest er auf der BUCH WIEN im Prater Messegelände.