KULTUR

I’m A Raver Baby – Ilsa Gold im WIENER-Interview

Ilsa Gold ist Wiens erster Techno-Exportschlager.
Die Elektronik-Musiker Christopher Just und Peter Votava über ihren Erfolg mit subversivem „Schnitzelcore“.

Interview: Michael Grasberger & Anneliese Ringhofer

Hattet ihr für eure ravige Variation von Techno Vorbilder?

Peter Votava: Nein, vor uns gab’s nur Falco (lacht). Jedenfalls hatten wir keinen Masterplan.
Christopher Just: Am Anfang ging’s gar nicht darum, eine Platte rauszubringen. Es war einfach der pure Spaß an den elektronischen Geräten. Ich hatte einen Sampler und der Peter einen Atari mit der Audiosoftware Cubase. Dann kamen die Roland-Kistln dazu, zuerst die 303, damals spottbillig. Das haben wir alles zusammengesteckt und angefangen herumzuschrauben.

Also learning by doing …

Christopher Just: Es war weniger learning als doing, und schon war’s fertig. Wenn man eine neue Musik mitkreiert, überlegt man nicht viel. An die Auswahl der Samples sind wir allerdings sehr konzeptuell rangegangen.
Peter Votava: Das Konzept war von Anfang an, lustige Sachen zu machen.
Christopher Just: Das „La Boum“-Thema, „Fang das Licht“ von Karel Gott oder Peter Cornelius („I bin süchtig“) haben wir bewusst aus dem Kontext gerissen und musikalisch kippen lassen. Im Gegensatz zu Leuten wie Mark Oh, die das nachgemacht und kommerzialisiert haben, wurde es bei uns nie cheesy.

Dabei hättet ihr „Scooter“ werden können, lange bevor es Scooter gab.

Christopher Just: Ich weiß gar nicht, ob wir das so hemmungslos hingekriegt hätten. Da müsste man Scooter sein, denke ich. Und wir hätten auch dieses Produkt sabotiert, da wären wir nicht drumherum gekommen.

Umgekehrt hat sich Scooter ungeniert bei Ilsa Gold bedient.

Peter Votava:  „I’m A Raver Baby“ ist 1:1 von uns geklaut.
Christopher Just:  Der einzige Unterschied ist eine poppigere, radiokompatible Aufmachung. Unsere Version ist natürlich viel spröder. Als wir sie 1995 rausgebracht haben, kam ein Einspruch von Beck, der uns verbot, die Platte nachzupressen. Bei Scooter gab es dann offensichtlich kein Problem mehr.Euer Track „4 Blond Nuns“ war ein kleiner Seitenhieb auf die Band 4 Non Blondes und das Grunge-Phänomen, das sich parallel zu Techno entwickelt hat.

Peter Votava: Ich habe Grunge komplett versäumt, ich hab‘ nur mal gehört, dass sich ein Sänger erschossen hatte …
Christopher Just: Unser Ansatz bei „4 Blond Nuns“ war: wir reißen das Ding an, beschleunigen es auf Mickymaustempo und schütten es mit Krach zu – nach dem Motto: so würden wir das leiwand finden.
Peter Votava: Wir hatten geplant, mit unserem Stück rauszukommen, als das Original noch auf Platz 1 in den Charts war. Wir wollten zeigen, dass wir das mit der neuen Technologie quasi in Echtzeit übernehmen und dekontextualisieren können. Das Subversive daran war: wir mit unserem modernen Zeug können euch altbackenen Rocker in Nullkommanix einholen. Der Aufwand für uns war ja mikroskopisch verglichen mit dem Aufwand der Band.

Ihr habt am Höhepunkt eures Erfolges jede Woche auf einem Rave gespielt. Wann und warum war Schluss?

Peter Votava: Erstmal bin ich ausgestiegen, das war 1995.
Christopher Just: Die Veranstaltungen wurden immer beschissener, es ging wirklich rapide bergab, und Peter meinte, er hält das nicht mehr aus. Ich habe dann die Flucht nach vorne angetreten und unter dem Namen Sons of Ilsa nochmal eine Schicht Subersion über das Ganze gelegt. Die Krönung war das Volksmusiktechnostück „Mei allerliebster Sound ist Techno“, sozusagen eine Vorankündigung für DJ Ötzi. Als ich das auf den Partys gespielt habe, merkte ich, jetzt werden die Leute sauer. Jetzt fühlen sie sich wirklich auf den Schlips getreten. Damit war für Ilsa Gold alles gesagt.

Ihr tretet ja heute noch gelegentlich als Ilsa Gold auf. Wie sehen diese Auftritte aus?

Peter Votava: Es sind eher Performances als tatsächliche Live Acts. Die Musik ist vorproduziert, und wir machen auf der Bühne Dinge wie: in der Sonnenliege liegen, Schach spielen, uns massieren lassen oder die Zeitung lesen. Dazu läuft die Musik vom Band …

Christopher Just: Wir nutzen die Musik von damals und benutzen bei diesen Auftritten nicht nur Ilsa Gold, sondern auch tausend andere Samples und verarbeiten das zu einer Klangcollage.
Peter Votava: Der erste Auftritt dieser Art war bereits in den 90ern bei der Mayday in Berlin. Wir hatten nur 15 Minuten Auftrittszeit, haben ein Dat abgespielt und mit der Joghurtmaschine Show gemacht.

Wiener Ravestars: Peter Votava (l.) und Christopher Just aka Ilsa Gold live im Wiener Gasometer anno 1993. Foto: Stephan Doleschal/doleschal.atWelche Tipps habt ihr für junge Technoproduzenten parat?

Christopher Just: Laptop wegschmeißen und auf den analogen Kistln arbeiten.
Peter Votava: Es ist die intuitivere und viel lustvollere Art, Musik zu machen.
Christopher Just: Wichtig ist, dass man sich was traut. Dass man nicht im Vorsichtigsein hängen bleibt – und im Schönklang.
Peter Votava: Was wir gemacht haben, war nicht berechnend. Es war naives Glück.

Die Zukunft von Ilsa Gold?

Peter Votava: Uns gibt es seit 20 Jahren nimmer.
Christopher Just: Neues Album 2017.

Info:
Ilsa Gold das sind die beiden Wiener Elektronikmusiker Christopher Just und
Peter Votava. Ihre erste EP „I“ mit einem frühen Rave-Hit „Up“ wurde auf dem
Wiener Label Mainframe veröffentlicht, kurz danach landeten sie mit „Silke“ und „Elastico“ die nächsten Hits, Auftritte beim deutschen Großrave Mayday folgten (1993, 1994 und 2011). Der Hit „Pulsingers Nacht“ (fälschlich meist als „I’m A Raver Baby“ bezeichnet) (1995) stammt von Sons Of Ilsa, einer angeblichen Selbstpersiflage von Ilsa Gold, wovon sich diese aber immer vehement distanziert haben. Fans wie Kritiker überinterpretieren gerne Tracks wie „Eggs They See“ (Ilsa Gold I) oder ihren zeitungslesenden Auftritt auf der Mayday 2011 als Statements gegen Drogenmissbrauch durch Ecstasy oder die zunehmende Kommerzialisierung der Raveszene. Ihrem Stil treu bleibend treten sie seit ihrer Auflösung 1996 immer wieder gelegentlich auf und bringen neue Tracks raus, wie vor kurzem „Donald Grabs To Washington“.

Das Video zu „Donald Grabs To Washington“ und weitere Videos findet ihr hier:

Up

4 Blond Nuns

Mei allerliebster Sound ist Techno

Ilsa Gold live auf der Nature One 2014

Eggs They See

Serial Phuckers

Ilsa Gold auf Facebook:
https://www.facebook.com/Ilsa-Gold-47341143876

Foto Header: Ilsa Gold spielten vergangenen Dezember einen ihrer seltenen Live-Gigs im Wiener Fluc. Fotografiert von Maximilian Lottmann.