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Die Straße der Zukunft – Datenautobahn 5G

Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G werden Menschen, Tiere, Pflanzen und Städte nun endgültig miteinander vernetzt. Bis 2020 sollen weltweit 50 Milliarden Dinge miteinander kommunizieren.

Text: Gerald Reischl

Wir leben in einer total vernetzten Welt. Glauben wir. Smartphones, Smartwatches, Wearables, Tablets, der gegenwärtige Hype um Elektromobi­lität und selbstfahrende Fahrzeuge, Bitcoins, Blockchain, sprachgesteuerte Assistenten wie Alexa oder Siri ­machen uns glauben, dass wir in der ­digitalen Ära angekommen sind und das Analoge die Sprache und Welt der Großeltern und Eltern war. Doch es geht noch was. Noch viel mehr, denn wir stehen erst am Anfang der digitalen Informationsgesellschaft – 99 Prozent der Welt sind noch nicht vernetzt. Richtig gelesen. Erst 1 Prozent dessen, was digitalisiert werden kann, wurde bis dato digitalisiert. Bei Menschen ist man mittendrin, in absehbarer Zeit wird der implantierte Chip, der die Gesundheit überwacht oder als Schlüssel benutzt wird, salonfähig. Nun kommen nicht nur die anderen Lebewesen wie Tiere, Pflanzen und Bäume an die Reihe, sondern auch Gegenstände des Alltags – Küchengeräte, Kleidung, Straßenlaternen, Kanaldeckel oder auch Mülltonnen. Über das „Internet der Dinge“ schwadronieren die Tech-Konzerne dieser Welt schon lange, genau genommen seit der Jahrtausendwende. Aus dem Internet der Dinge ist schon lange das „Internet of everything“ geworden; alles, wirklich alles, kann vernetzt, mit Sensoren oder Chips auf die nächste Stufe gestellt werden. Auch, um der willkürlichen Natur ein Schnippchen zu schlagen. Es wird gemessen, gespeichert, ausgewertet, Sensoren erfassen Daten von allem und jedem, schicken diese in Echtzeit ins Web. Ziel: unser Leben besser zu machen.

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Das Internet der Dinge. In Japan hat Fujitsu Kühen Sensoren an die Hufe montiert, um am Schrittmuster der Kühe das „Sexualmuster“ und daraus ableitend deren Paarungsbereitschaft herauszufinden. Die Produktivitätssteigerung liegt bei mehr als 50 Prozent. Das US-Unternehmen Smarter hat 2015 schon auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas eine WiFi-Kaffeemaschine gezeigt, die mit einem Sleeptracker ­verbunden war und die Kaffeestärke ­darauf abstimmte, wie man geschlafen hatte. In Wien wurde bereits 2014 etwa 70.000 Bäumen ein Funkchip (RFID) „eingepflanzt“, mit dem der Zustand der.  Bäume überwacht wird.

All das sind Beispiele, was uns im Zeitalter der fünften Mobilfunkgeneration (5G) erwartet. Als 5G wird jener neue Mobilfunkstandard bezeichnet, der die Welt ab 2020 nachhaltig ver­ändert, weil dadurch das Internet der Dinge wirklich möglich wird: Die Datenübertragung wird im Vergleich zu heute um bis zu 100-mal schneller – wir reden hier von Datenübertragungsraten von 1 Gbit/Sekunde und mehr (heute freuen wir uns über mobile ­Geschwindigkeiten von 20 Mbit/Sekunde). Die Datenkapazitäten steigen um den Faktor 1.000. Die Latenzzeiten, wie der Zeitraum zwischen einer Aktion und dem Eintreten bezeichnet wird, sind unmerklich – ein Gerät kann über 5G theoretisch 600-mal schneller einen Film laden, als es heute möglich ist. Ein Spielfilm in bester HD-Qualität ist in wenigen Sekunden geladen. Der Stromverbrauch ist minimal. So sind etwa die funkenden Sensoren, die die Stadt mit Informationen versorgen, etwa zehn Jahre energieautark und können über diesen Zeitraum über das 5G-Netz ständig Informationen verschicken. 5G ist keine Evolution, es ist eine Revolution. Antennen sind in der 5G-Ära praktisch überall vorhanden. Der ­Unterschied zu heute: Man sieht sie meist nicht, weil sie gut verborgen und unerkennbar im Straßenbild ­integriert sind. Sie können sich hinter Plakatwänden verstecken, sie sind ­unter oder in Kanaldeckel eingebaut oder Teil einer Straßenlaterne. Die Stadt der Zukunft ist von „Hoch­leistungsstrecken“ durchzogen.

Wir stehen erst am Anfang der digitalen Informationsgesellschaft – 99 Prozent der Welt sind noch nicht vernetzt.

Die Datenautobahn, als die das ­Internet vor der Jahrtausendwende bezeichnet wurde, ist im Vergleich zu dem, was kommen wird, bestenfalls ein Güterweg. Sensoren immer und überall 5G macht die mobile Informations­gesellschaft möglich, weil 5G das ­NarrowbandIoT möglich macht, ein Schmalband-Internet-der-Dinge ­sozusagen. NarrowbandIoT braucht nicht nur ganz wenig Bandbreite, ­sondern auch sehr wenig Energie. Das ist nicht irrelevant in der intelligenten Stadt der Zukunft, denn die ist mit tausenden Sensoren, Fühlern, Detektoren ausgestattet. Die Smart City bekommt sozusagen Sinnesorgane, die ständig jene Daten, die sie detektieren müssen, an die Rechner der Stadt schicken, wo sie in Informationen für die Menschen verwandelt werden.

Wenn man sich die Smart City als intelligentes Haus vorstellt, in der alles, was sinnvoll miteinander vernetzt werden kann, miteinander kommuniziert, sind den Möglichkeiten – so sehr es auch nach Plattitüde klingt – keine technischen Grenzen gesetzt. So werden Sensoren Parkplätze in smarte Abstellflächen verwandeln – Autofahrer erhalten vom Verkehrsleitsystem die Information, wo ein Parkplatz frei ist. Ob das in der Ära der selbstfahrenden Autos oder wegen Fahrverbotszonen in Städten überall notwendig sein wird, bleibt dahingestellt. Aber in der Stadt von morgen werden Autos nicht nur mit anderen Autos, Ampeln und Verkehrszeichen kom­munizieren, sondern auch mit den Smartphones der Fußgänger – diese Systematik wird übrigens auch von den selbst­fahrenden Autos in ­Googles „Waymo“-Projekt genutzt. So werden Kolli­sionen und Unfälle vermieden.

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Intelligente Infrastruktur. Die Intelligenz von Städten wird man künftig auch aus der Luft beobachten können. Wer heute nachts aus dem Flugzeug auf die Erde schaut, sieht vom Himmel aus die hellen Punkte, die Straßenverläufe sichtbar machen. Auch wenn kein Auto fährt, kein Fußgänger unterwegs ist, leuchten sie – sie schalten sich bei Abend­dämmerung ein und am Morgen aus. Straßen­beleuchtungen zählen zu den großen Energieverbrauchern, doch das Potenzial, hier Geld zu sparen, ist gewaltig. Die Beleuchtung ist aber nicht nur einer jener Bereiche, bei dem Gemeinden 30 Prozent der Energie einsparen können, auf die Straßenbeleuchtung zielen viele Smart-City-Projekte ab, da sie Teil der Infrastruktur der ­Zukunft werden kann. Die Straßen­laternen werden nicht nur Licht ­spenden, sondern werden mit Intelligenz ausgestattet und unter anderem nur dann leuchten, wenn man sie wirklich benötigt. So können sie etwa mit einer Follow-Funktion ausge­stattet werden – sie schalten sich ein, wenn sich ein Fußgänger, Radfahrer oder ein Auto nähert, und schalten sich wieder aus, wenn diese keine ­Beleuchtung mehr benötigen. Ein ­ähnliches Konzept hat auch ­Philips mit seiner LumiMotion-Serie bereits realisiert.

In der Straße der Zukunft werden auch Mülltonnen zu Netzteilnehmern.

Videoaugen & Verhaltensanalyse. Das Berliner Start-up Ubitricity hat Straßenlaternenmasten entwickelt, die zu Ladestationen für Elektroautos werden. Eine logische Entwicklung, denn die Infrastruktur Strom ist ja bereits vorhanden, diese auch für das Aufladen von E-Autos zu nutzen, ist eine simple Idee. Doch die Laterne wird noch mehr Funktionen haben – sie kann mit einem WLAN-Hotspot, mit Wettersensoren und/oder auch mit Videoaugen bestückt sein. Das US-Unternehmen Sensity etwa hat die smarte Parkplatzanalyse entwickelt, Smart Parking genannt. Die Straßenlaterne hat quasi Parkplätze in ihrer Umgebung im Visier, verfolgt in Echtzeit jede Bewegung und schickt die Daten an die Stadtverwaltung, die wiederum in Echtzeit über die Parkplatzsituation Bescheid weiß. Auch für Parkpickerl- oder Parkschein-Überwachung eignet sich die Lösung, da die Software auch zum Scannen der Parkpickerl genutzt werden kann. Selbst der Kauf von Parkscheinen ist über die Straßenlaterne möglich. Sensity hat die Lösung aber um Funktionen „aufgefettet“, die in Europa für wenig Freude sorgen würden: Die Videoaufzeichnungen werden in Echtzeit analysiert – für Verhaltens­analysen etwa. Seit Jahren schon wird das Gangbild von Menschen ausgewertet, um Autodiebe und andere verdächtige Personen zu überführen oder Taten zu verhindern. In Chicago sind Sensity-Leuchten genauso im Einsatz wie am Flughafen in New York, Kansas City oder im indischen Bangalore. Kansas City ist für Sensity ein lebendes Labor, hier werden alle Entwicklungen getestet.

Doch nicht nur Straßenlaternen werden smart, in der Straße der ­Zukunft werden auch Mülltonnen zu Netzteilnehmern – ob Mistkübel oder Buntglas-Container, sie werden die zuständige Magistratsabteilung in­formieren, wann sie geleert werden müssen. In der westchinesischen 2-Millionen-Stadt Yinchuan sind ­solche Mistkübel bereits im Einsatz. Auch Luftgüte- und Wassersensoren nutzen die Stadtverantwortlichen, um die Stadt sauber zu halten. Plakatwände werden in Times-Square-Manier mit bewegten Video­bildern in bester Qualität beschickt. Dem Schweizer Mobilfunker Sunrise gelang es, aus einer einzigen 5G-Antenne zwölf 4K-Fernseher mit Livebildern zu versorgen. Freilich müssen diese 5G-Mikrozellen an ein Glasfasernetz angebunden sein, allerdings reicht es, statt jedes einzelnen Hauses ganze Häuserblocks ans Glasfasernetz an­zubinden – fiber to the block ist die ­Devise, fiber to the home haben in den ver­gangenen Jahren vor allem die Festnetzbetreiber propagiert, um an die Breitbandfördermilliarden zu gelangen. Aber das ist eine andere Geschichte. Denn die wirklich smarte Welt ist eine drahtlose und mobile Welt.

Infoporn:
Von 1G zu 5G

Die einzelnen Technologien im Mobilfunk werden in Generationen (G) eingeteilt. Die erste Ära der Mobilkommunikation wird mit 1G bezeichnet und basierte noch auf einer analogen Sprachübertragung. Auto­telefone, so groß wie ein kleiner Koffer, waren die ersten mobilen Telefone. Mit der zweiten Generation (2G) wurde der Mobilfunk – nach damaligen Maßstäben – interessant. Mit der digitalen GSM-Technologie war es nämlich möglich, Daten mit einer Geschwindigkeit von 9,6 bis 14,4 Kbit/Sekunde zu übertragen. Eines der bekanntesten Geräte damals war der Communicator von Nokia, mit dem man nicht nur faxen und Mails verschicken, sondern auch im Internet surfen konnte. Als große Revolution wurde 3G bezeichnet, auf dem Weg dorthin gab es aber Zwischenstufen wie 2,5G (GPRS) oder 2,75G (EDGE), bei denen die Datenübertragungsraten kontinuierlich gesteigert wurden.

Wirklich spannend wurde es erstmals mit 3G, bei diesem Mobilfunkstandard wurde das multimediale Zeitalter in der Mobilkommunikation eingeläutet. Problem damals war, dass es noch keine Anwendungen gab und die Mobilfunkbetreiber die Technologie (UMTS) verkauften, und nicht den Kundennutzen. Da die Datenübertragungsraten aber ständig nach oben geschraubt werden konnten und neue Web-Services entstanden, wurde 3G ein Muss. Mit dem Siegeszug der Smartphones stiegen die Anforderungen an die Mobilfunknetze, nicht nur die Datenübertragungsraten mussten gesteigert werden, sondern auch die Datenkapazitäten. Die vierte Generation des Mobilfunks (4G) setzte auf die Infrastruktur von 3G auf und machte anfangs Bandbreiten mit bis zu 50 Mbit/Sekunde möglich. LTE, so heißt die Technik, die dahinter­steckt und mit der wir gegenwärtig versorgt werden, macht derzeit bis 600 Mbit/s möglich, man spricht bereits von LTE+ bzw. LTE advanced. Die Revolution beginnt mit 5G. Die Testläufe der fünften Mobilfunkgeneration sind bereits im Laufen, 2020 soll es flächendeckend verfügbar sein. Techniker sprechen bereits davon, dass in dieser Ära Datenübertragungsraten von 2 Gbit/Sekunde möglich sein werden.