KULTUR

Jump Around – Der Seitensprung

Wenn wir nun wissen, dass Männer außerehelichen Sex genießen können, ohne sich gleich zu verlieben, dann muss hier nun folgerichtig das feurige Plädoyer für den guten alten Seitensprung kommen. Oder?

Text: Franz J. Sauer / Fotos: Oliver Gast

Alle kennen wir den alten Witz mit der Grabinschrift: „Du wirst es nicht fassen, ich kann es nicht lassen, bin bei Frau Reiter, zwei Gräber weiter.“ Hahaha. Sympathisch, irgendwie. Macht aus dem alten Sünder einen alten Filou. Der es nicht lassen kann. Das es, das eigentlich ein er ist.

Der Seitensprung.

Klar kann sie, die Unbekannte, die Neue, alles besser als die daheim. Sie ist schöner, fescher, sexier, lustiger, gewitzter, hat bessere Beine, steht noch viel mehr im Leben, hat Schmäh und alles, was dazugehört. Während zu Hause immer mehr das Eigenschaftswörtchen „nett“ das Zwischenmenschliche treffend beschreibt. Und zwar genau in jenem Sinn, der stets in Verbindung mit einem kleinen Bruder genannt wird …

Foto: Oliver Gast, Model: Marion Mandl, Hair & Make Up: Manja Mietho

Natürlich ist das alles Bullshit. Meine Frau ist die schönste, auch nach vielen Jahren noch immer. Alle anderen Jungs stehen auf sie, jeder möchte sie mir ausspannen. Auch weiß sie um mich, mag sie mich mit allen Schwächen, die die andere ja noch gar nicht kennt. Ich kann aufs Klo gehen, wenn sie draußen vor der Tür steht. Ich kann duschen ohne Baucheinziehen. Und ich mag es auch irgendwie, wie sie ständig bis zum Hals in ihrem eigenen Chaos versinkt, aus dem sie sich dann am wunderbaren blonden Schopf auch gleich wieder herauszieht.

Aber ist sie die Richtige? Für immer? Also lieber hätte ich sechs Richtige … Wer hat eigentlich den Scheiß mit der Monogamie eingeführt? Sind wir Menschen wirklich so? Nicht mal im Lexikon. Und schon gar nicht auf Wikipedia. „Die soziale Monogamie wird in menschlichen Gesellschaften häufig als ,monogame Ehe‘ definiert.“ Na da haben wir’s. Und weiter: „Vor dem Kontakt mit der westlichen Welt lebten 80 % der menschlichen Gemeinschaften polygyn“. Polygyn heißt: Der Mann darf mehrere Frauen haben. Also doch nur ein Missverständnis, das uns die Gesellschaft, die Kirche, der sonstwer aufoktroyiert, obwohl es unserem Wesen null entspricht?

Gut, der Seitensprung wäre somit auch genealogisch legitimiert. Und natürlich hat man gefühlt hunderte unfassbar schöne Frauen zur Auswahl, wenn man selbst in einer ­Beziehung steckt, egal wie lange die schon andauert. Nun ist es allerdings weiters so, dass das mit dem kurzen, unkomplizierten Sex immer nur so lange eine wunderbare Idee darstellt, bis man hier wirklich zur Sache geht, womit auch schon das Vorspiel, das Anbraten, das Kontaktaufnehmen gemeint ist.

Speziell bei Letzterem stößt man doch schnell auf Widerstände, die man sich nicht schönsaufen kann. Gut ja, sie hat eine furchtbare Stimme. Gut ja, sie hat lächerliche politische Ansichten. Gut ja, sie mag Katzen und hat gleich drei davon – aber von der Tür bis ins Bett und nachher in die Dusche und wieder hinaus werde ich’s schon schaffen, ohne gleich zu ersticken.

Aber die Beine. Das Gesicht. Die Haare. Die Lippen. Das Kokettieren. Das Mich-scheinbar-gut-Finden trotz der zahlreichen Extrakilos. Und der sexy Hüftschwung. Und schöne Zehen hat sie auch noch, wie man durch die Peeptoe-Highheels gut erkennen kann. Lauter Gründe für fetten außerehelichen sexuellen Kontakt, am ­besten noch heute Nacht. Und um diese ein für alle Mal zu killen, reicht vor allem eines: ein Samenerguss.

„Gut ja, sie mag Katzen und hat gleich drei davon – aber von der Tür bis ins Bett und nachher in die Dusche werde ich’s schon schaffen, ohne gleich zu ersticken. “

Schnell weg spielt’s aber nicht in unseren Breiten. Da braucht’s dann doch eher ein Gefühlvoll-Sein. Eine Tätigkeit, die sich in nämlicher Situation immer zugleich mit schlechtem Gewissen paart, so sehr man sich auch beim letzten Streit daheim noch vorgenommen hat, es diesmal drauf ankommen zu lassen. Und plötzlich, plötzlich … sind die gerade noch verführerischen Lippen höchst entbehrlich, weil sie jetzt unbedingt noch immer küssen wollen. Die langen, langen Beine liegen schwer auf den eigenen. Die bebende Brust ist voller roter Flecken. Bloß die arge Stimme, die politischen Ansichten und die depperten Katzen sind noch da. Sorgen mitsamt der Allergie und dem da unten im Club gar nicht so wahrnehmbaren, dafür nun umso ­penetranteren Eigengeruch der Dame für eine explosive Situation, deren Zuspitzung kurz bevorsteht.

Just hier fällt das Hirnsegment für Ausredenfindung aus. Liefert nur schmusigen Schwachsinn, den wirklich jeder und jede in der Sekunde als, nun ja, Ausrede identifiziert. Man stammelt nur noch Kurzmeldungen mit dümmlich-gutturalem Unterton. Lässt Platitüden ab, kommt sich selbst dabei lächerlich vor. Dann folgt übertriebenes Husten mit ­Kurz-vorm-Sterben-Schnaufen. Die Katzen, you know. Und es ist ja doch schon sooo spät.

Foto: Oliver Gast, Model: Marion Mandl, Hair & Make Up: Manja Mietho

Einzig die Hoffnung bleibt, dass es der umwerfenden Alten von vorhin wohlgemerkt jetzt ganz genauso geht wie mir. Und sie sich auch nur denkt: Wie krieg ich den ungelenken Fettwanst, der nicht mal meine Katzen mag, jetzt wieder aus meiner Hapfen? Dann also doch gleich auswärts verlieben. Gute Idee! All das oben beschriebene, bloß noch mit ganz viel Stress, ganz viel Kilometergeld und einem permanenten schlechten ­Gewissen dazu. Einzig das Ausredenfindungs-Hirnsegment kriegt plötzlich ganz viel Training. Und funzt im nunmehrigen Dauerbedarfsfall daheim viel, viel besser als dereinst beim One-Night-Stand mit den Katzen und ihrer Mami.

Irgendwann trennt man sich dann von einer der beiden. Was auf jeden Fall all den Schmerz, Zank und Hader, den Trennungen nun mal an sich haben, nach sich zieht. Wenn man sich von der Ehefrau trennt, kommt noch die Sache mit den Kindern und der Kohle dazu. Oder man zieht das Ganze jahrelang durch. Jahrzehntelang. Vielleicht sogar ein ganzes Leben lang. Bis zum Schlaganfall, den derlei auf jeden Fall nach sich zieht. Dann fühlt sich die Nebenbuhlerin meist nicht mehr dafür zuständig, dich im Rollwagerl durch die Gegend zu schieben und dir das Trenzerl zu halten.

Seitensprung als Option? Eher nicht. Der einzig denkbare Sidestep wäre der professionelle außereheliche Sex. Zieht keinerlei Mühsal nach sich. Schon gar keine, die sich in SMS, unerbetenen Anrufen oder sonstigen Weinereien ergießt. Kosten tut’s halt ein bisserl was. Und die Gefühlsebene? Keine Ahnung. DAS hab ich nämlich noch nicht ausprobiert …