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Warum Männer sind, wie sie sind

Es ist das Testosteron, Baby. Die Chancen, dass sich da was ändert, stehen zwischen Gering und Null. Und Gering wohnt hier nicht mehr.

Text: Manfred Sax

Zuerst die Kurzversion, inspiriert von einer Rede des irischen Denkers Dylan Moran (1), und eigentlich würde das reichen. Also meinte der Denker: Als Frauen entworfen wurden, von Gott oder wer immer das war, war es sicher ein guter Tag; ein Tag, den jeder genossen hat. Der Wein floss wahrscheinlich in Strömen, und es gab gutes Essen, und alle waren in gehobener Laune, und da wurde also herumgebastelt und geformt und so weiter, und einer meinte dann, weißt du was, machen wir da noch so ein kleines Knöspchen hin. Wozu? Na, einfach so halt.

Als es dann ans Basteln des Mannes ging, na ja, da war die Deadline schon verdammt nahe, und die Designer hatten Kopfweh vom Wein, und es ging darum, das vorhandene Restmaterial zu verwerten – Ramsch, mehr oder weniger, die schönen Sachen waren alle beim Entwerfen der Frau draufgegangen. Der so entstandene Mann war dann etwas deprimierend anzusehen, ein Haufen behaarter Röhren, das war’s. Und bei den Funktionsdetails darf man halt nicht zu kritisch sein, man denke an den Orgasmus, kein Wunder, dass sich der anfühlt wie ein gescheiterter Selbstmord, weitgehend schmerzlos, aber immerhin kurz.

King Kong erhebt sich über NYC, in seiner Hand Fay Wray. Foto: (c) Getty Images / Bettmann / Kontributor

Und warum sind Männer so, wie sie sind? Wegen der lachhaften Qualität der Tools, die man noch hatte, nachdem die feinen Sachen beim Bau der Frau draufgegangen sind. Historisch gesehen gab es nie sonderlichen weiblichen Bedarf an Lingerie für Männer. Weil es nur begrenzte Möglichkeiten gibt, mit den männlichen Genitalien was zu tun. Es ist egal, was du um einen Schwanz bindest, ein purpurner Schal macht ihn auch nicht schöner. Wie Mister Moran so richtig umreißt: Kommst du als Mann auf die Welt, hast du den einen Finger in der Nase und die andere Hand am Schwanz und wirst langsam größer. Möglichkeiten für etwaige zeitgemäße Updates? Sehr begrenzt. Klar, jeder Mann wär auch gern mal so ständig upgedated und kompliziert und vielseitig und wandelbar, wie Frauen das mühelos hinlegen. Aber die Chancen liegen da irgendwo zwischen Gering und Null, und leider ist Gering kaum je anwesend.

Ja, Mann, du warst mal ein Weib, wenn auch nur kurz. Aber schon in den ersten Momenten trittst du dir die Substanz ein, die dir zeitlebens den Unterschied beschert.

Zur längeren Version: Vergessen wir gleich mal Adams Rippe und Ähnliches, das führt hier nicht weiter. Am Anfang war tatsächlich das Weib. Der klassische Körpertyp ist weiblich. Jedes menschliche Wesen beginnt mit weiblicher Körperstruktur. Ja, Mann, du warst mal ein Weib, wenn auch nur kurz. Denn schon in den ersten Momenten kriegst du eine Substanz ab, die dir zeitlebens den Unterschied beschert – dass sie schön und vielseitig und wandelbar ist, und du nur ein Getriebener. Die Maskulinisierung passiert als Konsequenz von fötalem Testosteron. Dieses Frühstadiumstestosteron hat es in sich, bekanntlich ist der Boy bereits im Baby-Alter ein ganz anderes Wesen als das Girl, nämlich ein unruhigeres Wesen, eventuell sogar hyperaktiv. Ja, ein Mädel hat es von Anfang an besser, hyperaktive Boys sind beispielsweise wesentlich anfälliger für Autismus, aber auch generell sind Boys von klein auf weniger kontaktfreudig, Girls suchen weit häufiger den Aug-in-Augenblick. Und so fängt das Ganze schon mal an. Das Mädel entwickelt schnell einen Geschmack für nette und nützliche Sachen. Der Bub ist vor allem getrieben, was immerhin reicht, allmählich zu checken, wohin es ihn tendenziell treibt, nämlich zu ihr, dem schönen Wesen, das weiß, was nett und nützlich ist.

Schauspielerin Jessica Lange in King Kong. Foto: (c) John Bryson/The LIFE Images Collection/Getty Images

Genau genommen wär es jetzt angebracht, eine Spur einzubauen, die sich mit den vergangenen einskommafünf Milliarden Jahren beschäftigt. Warum? Um zu zeigen, dass es Dinge gibt, die weniger mit männlicher Willkür oder Sturheit oder sonst was zu tun haben, sondern evolutionär gewachsene Angelegenheiten sind; und Testosteron spielte immer mit. Wie kam es etwa zur Zellteilung der ersten Stunde – zu diesem von der Wissenschaft deponierten Ereignis, als sich ein – Eukaryote getaufter – Einzeller auf einen zweiten setzte und daraus ein weiterer Eukaryote entstand? Tatsache ist, dass dies zu Geschlechtern führte, deren eines mehr Testosteron hatte, deren anderes attraktiver war. Und einen mächtigen Zeitsprung später stand der Mann als toller Jäger da; das Testosteron macht nicht nur un­rastig, sondern auch schnell und wagemutig bis zur Hirnlosigkeit. Warum? Weil gute Jäger mal einen Vorteil bei der Frauenwerbung hatten. Ein Vorteil, der sich laut der eminenten Anthropologin Helen Fisher über Jahrmillionen hielt und von Frauen unschwer identifiziert wurde. Das Timbre einer tiefen Stimme zum Beispiel reichte, um den Mann dazu als guten Jäger zu identifizieren, ausgestattet mit Wagemut und gutem Raumdenken, das der Mann eben brauchte, um von der Jagd wieder zurückzufinden. Dies sei nur erwähnt, weil Frauen immer murren, wenn jemand die simple Tatsache verbalisiert, dass Männer ein Auto besser einparken können. Das ist nun mal so, in seinen Genen sitzt ein jahrmillionenlanges Training.

Quotenpolitik kommt in diesem Licht ebenso bemüht wie sinnlos rüber: je gleicher die gesellschaftlichen Umstände für Frau und Mann, umso präziser der Unterschied.

Zurück zu den Kindern, den hyperaktiven Boys und augenkontakt­freudigen Girls. Die Girls entwickeln sich im Schnitt zu Frauen mit den überlegenen empathischen Talenten, die Boys zu Männern mit Hang zum Systematischen. Soll in der Regel heißen: Frauen werden weit häufiger in sozialen Jobs heimisch (z. B. Krankenpfleger), die Männer befassen sich eher mit „Zeug“ (z. B. als Ingenieure). Dazu ein Zahlenverhältnis, das sich laut dem populären kanadischen Psychologen Jordan Peterson (2) in netter Regelmäßigkeit auf einer Konstanten hält – 1:20 (eins zu zwanzig). Es gibt weltweit im Schnitt zwanzigmal so viele weibliche Krankenpfleger wie männliche; es gibt zwanzigmal so viele männliche Ingenieure wie weibliche. Zufällig ist es auch so, dass der Mann von zwanzigmal so viel Testosteron bedient wird wie die Frau.

Bekanntlich haben vor allem die als fortschrittlich eingestuften Länder immer versucht, dieses Verhältnis zu ändern bzw. zu „harmonisieren“.  Weil gerade in von Feminismus durchdrungenen Theorien dieses 1.20-Verhältnis als „umweltbedingtes“ Konstrukt eingestuft wurde, das von der Männerwelt etabliert wurde, was sonst. In Skandinavien wurde laut Peterson wiederholt versucht, das Verhältnis durch politischen Druck zu ändern. Aber gerade in Skandinavien, allgemein als die egalitärsten Länder eingestuft, hat sich eine interessante Konsequenz gezeigt: Je gleicher die gesellschaftlichen Umstände für Frau und Mann, umso präziser der Unterschied zwischen ihnen – und zwar genau im Verhältnis 1:20. (Peterson)

Das Happy End: Bruce Cabot und Fay Wray über den Dächern von New York in „King Kong“ unter der Regie von Merian C Cooper and Ernest B Schoedsack for RKO. Foto: (c) Hulton Archive/Getty Images

Ja, Madam, so sieht es offenbar aus. Quotenpolitik kommt in diesem Licht ebenso bemüht wie letztlich sinnlos rüber. Du kannst 10 weibliche Ingenieure neben 10 männliche Ingenieure stellen, nur werden die weiblichen langsam wieder abbröckeln; für die Pfleger gilt umgekehrt das Gleiche. Es hat langfristig mit genetischen Anlagen zu tun. Und die mehr Erfolg versprechende politische Strategie wäre, so gesehen, den sozialen Berufen gleiches Zahlungsniveau zuzugestehen wie den technischen Berufen. Nur passt das nicht ins wirtschaftliche Betriebssystem. Und apropos: Ausgerechnet männlich-dominierte Umwelten wie die Wall Street sind laut Peterson Gefahrenzonen, weil Männer untereinander in einer Wettbewerbsumgebung testosteronmäßig Gas geben, die überdrehte Risikofreude auch die Rest-Ratio quasi überrollt, die Situation somit toxisch werden kann, man denke an den Crash 2008.

Aber zurück in die heterosexuelle Beziehungswelt, wo das Verhältnis 1:20 herrscht, wo der Mann nach einem Tag sexuell so drauf ist wie die Frau nach 20 Tagen, und wo die Frau den Mann ändern will, was bekanntlich nur möglich ist, wenn es um Sex geht. Okay, es gibt auch zwei natürliche Wege, um dieses Verhältnis zu ändern. Erstens: Jedes Mal, wenn ein Mann sein Kind umarmt, weiß Helen Fisher, sinkt sein Testosteron-Level. Nur braucht es eben auch wieder Sex, um zum Kind zu kommen, es braucht dieses seltsame Ding, das so aussieht wie eine verkümmerte Seegurke und eine Art Erste Hilfe benötigt (Trigger von Testosteron und Stickstoffmonoxid zwecks vorübergehendem Aufplustern), um für eine Audienz mit der makellos formschönen Queen Vagina halbwegs funktionstüchtig zu sein; dieses seltsame Ding, das normal nur für einen Shitstorm gut ist, wenn du ihm mal in Öffis per gespreizten Beinen von der üblichen Raumnot befreist („Manspreading! Manspreading!“)

Zweitens könnte man auch gemeinsam alt werden, dann geht quasi alles wie von selbst. Ab einem Alter von 30 Jahren sinkt der Testosteronlevel des Mannes pro Jahr um 1 %, und irgendwo dazwischen kommt es kurioserweise immer wieder mal zwischen den beiden Geschlechtern, die ohne einander eigentlich fantastisch können, zu einer Phase der Harmonie. Meist merkt der Mann nicht, wie sein Testosterongehalt allmählich schwindet, er also seine habituelle Unruh und Abenteuerlust verliert. Aber irgendwann versteht er die Zeichen. Plötzlich hat er einen Hund. Mit dem sich so was wie eine Beziehung entwickelt, eine postsexuelle Beziehung. Die Kommunikation ist noch immer nonverbal, der Sex noch immer seltener, als ihm lieb ist, nämlich gar keiner. Aber immerhin will der Hund ihn nicht ändern. Und vor allem ist er am Herrl interessiert.

(1) Dylan Moran: What It Is, Live at Sydney’s State Theatre, DVD

(2) https://jordanbpeterson.com/

Foto oben: pexels, free licence