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Tischuhr-Roboter Balthazar ist böse

Dabei ist er im Kern ein lieber Roboter. Ein stolzer, lieber Roboter, der sich aus 618 Einzelteilen zusammensetzt, präzise die Uhrzeit anzeigt, bloß alle 35 Tage aufgezogen werden muss und mit seinen Fingerchens sogar teure Kugelschreiber halten kann. So was frustriert vermutlich mit der Zeit, was ihn alle 20 Sekunden seine roten Äuglein rollen lässt. Und irgendwann zeigt er Dir dann, wo ­gerade der Mond steht …

Text: Franz J. Sauer / Fotos: Maximilian Lottmann

Sein Vater hieß Melchior, war wesentlich einfacher gestrickt und kannte sich auch mit Astrologie kaum aus. Aber wie so oft bei älteren Verwandten begründete Melchior eine Tradition. Nämlich jene der gemeinsamen Sache des „Horological Lab“ Max Büsser & Freunde (MB&F) und der französisch-schweizerischen High-End-Großuhren-Manufaktur L’Epée 1839.  Melchior war die erste Tischuhr in Robotergestalt des Joint Ventures. Es folgten mehrere Heißluftballone und sonstige künstlerische Gebilde, die ganz nebenbei, dafür aber hochkompliziert, die Zeit anzeigten. Und schließlich kam Balthazar. Der liebenswerte Tischroboter mit den zwei Gesichtern, der sich aus sage und schreibe 618 feinst gefrästen Einzelteilen zusammensetzt.

Die Dame des Hauses, Astrid ­Stüger-Hübner, mit dem lieben Balthazar, der hier nur ihr, also gottlob nicht uns, seine böse Seite zuwendet. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Zwei Ziffernblätter auf der Brust, eines für die langsam springende Stunde, das andere für die Minuten, zeigen gewitzt die Zeit an, die beiden roten Pupillen des Roboters stellen eine retrograde 20-Sekunden-Anzeige dar. Unter seiner polierten Glas-Schädeldecke werkt gut sichtbar die Unruh vor sich hin, der Brustkorb beherbergt das hochkomplizierte Werk mit seinen fünf Federhäusern, den 62 Edelsteinen und den 405 Komponenten aus palladiumbeschichtetem Messing und Edelstahl.

Dreht man den Rumpf, kriegt man das Böse. Und eine Mondphasen-Anzeige. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Auch abseits seiner horologischen Funktionalität ist Balthazar beweglich. Seine Arme sind sowohl an Schultern wie auch an Ellbogen und Handgelenken bewegbar, die Fingerchens können Gegenstände halten. Im riesigen Schild, das er scheu vor sein Bäuchlein hält, verbirgt sich der beschichtete Vierkantschlüssel, mit dem man Balthazars Uhrwerk alle 35 Tage aufziehen muss. Und auch am Rumpf ist er drehbar. Mit einem herrlich haptischen Klicken der Führung …

Unter dem Glaskopf arbeitet die Unruh, die Äuglein des lieben Gesichts rollen retrograd alle 20 Sekunden. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Dreht man Balthazar um 180 Grad, so blickt man in das dunkle Gesicht des an sich liebenswerten Roboters. Ein Gebiss aus einzeln angefertigten, polierten Zahnstiften bleckt einem entgegen, das kalt gefräste Gesicht eines Totenkopfes stiert einen an. Hier bewegt sich keine Pupille, ganz im Gegenteil. Und dort, wo die fromme Vorderseite netterweise die Zeit anzeigt, deutet einem der böse Bal­thazar, es sich nicht mit der auf 122 Jahre genauen Mondanzeige zu verscherzen.

Der Uhren-Roboter besteht aus 618 Einzelteilen. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Seine Beine bohrt Balthazar übrigens ungelenk in den Tisch. Insgesamt wiegt das massive Kerlchen stolze 8 Kilo, und auch der Preis des noblen Accessoires kann sich in besten Kreisen sehen lassen. Stolze 59.000 Euro werden für das in je­der Farbe (vier davon gibt es) auf 50 Stück limitierte Handarbeitsteil genommen, was letztlich dazu führt, dass auch das Wiener Traditionshaus Hübner langsam eine Art Familienbande zum lieben Kleinen aufbaut.

Balthazar in seiner vollen Pracht. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Familie Hübner ist mit Balthazars Schöpfer Max Büsser gut bekannt, weshalb mehrere der edlen Kreationen im Haus am Graben ausgestellt sind (ein blauer Fesselballon steht in der Auslage). Balthazar war gerade in Linz auf Promo-Tour, nun ist er wieder ins Stammhaus zurückgekehrt und macht es sich vorerst gemütlich. Vielleicht ist er nach dem Weihnachtsgeschäft bereits an seinem endgültigen Bestimmungsort angelangt. Dort rollt er dann ja vielleicht nicht mehr genervt mit den Äuglein – bis er wieder aufgezogen wird.