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Champion der Freigeister – Freeriderin Nadine Wallner im WIENER-Interview

Nadine Wallner zählt zu den besten Freeriderinnen der Welt. Zweimal schon, 2013 und 2014, konnte sie die Freeride World Tour für sich entscheiden. Aufgrund ihrer herausragenden Leistungen widmet ServusTV der Vorarlbergerin ein Porträt in der Dokumentationsreihe „Bergwelten“. Im WIENER spricht die 29-jährige Athletin über ihre Erfolge, warum sie ein Freigeist ist und was der Berg den Menschen lehrt.

Interview: Thomas Bruckner

Du bist viel in den Bergen, im Schnee, also in der Natur unterwegs. Was gibt dir das?
Wallner: Die Natur macht mich frei. Sie befreit mich vom Rush der Gesellschaft, vom Alltag, von der Normalität manchmal auch. Sobald ich draußen bin, steigert sich meine Lebensenergie, ich spüre mich intensiver als sonst ­­wo, wenn ich in den Bergen bin.

Und wie wichtig ist dabei das Freeriden, du gehörst ja zu den Besten der Welt, was bedeutet es für dich, zu den Besten zu gehören?
Skifahren ist meine optimale Ausdrucksweise. Es mag abge­droschen klingen, aber wenn ich einen Tiefschneehang hinunterziehe, herrscht absolute Stille in mir. Ich gebe mich dann ganz dem Moment hin. Kein Denken mehr, nur noch Sein.

Stefan Häusl und Nadine Wallner beim frühmorgendlichen Start zum Gipfel. Die Abfahrt ist schon im Dämmerlicht zu sehen. Foto: (c) ServusTV / Andreas Vigl

Ist das eine Art Meditation für dich?
Ja vielleicht, aber da ich nicht meditiere, weiß ich nicht, ob der Vergleich wirklich passt. Ich würde eher sagen, ich bin dann im Flow, die Zeit steht quasi still.

Ganz offensichtlich gehörst du zu den Glücklichen, die mit ihrer Leidenschaft Geld verdienen können. Wenn die Profikarriere nicht geklappt hätte, hättest du auch einen Plan B gehabt?
Es hat sich recht früh herausgestellt, dass ich irgendwas in der Natur machen werde. Ich bin auch ausgebildete Skilehrerin und mache gerade eine Ausbildung zur Bergführerin. Ein 9-to-5-Job wäre für mich nie in Frage gekommen. Ich liebe die Freiheit, mag es, meinen Tag eigenständig zu strukturieren, lege Wert darauf, flexibel zu sein. Das verlangt Eigenenga­gement und Durchhaltevermögen, beides habe ich, beides liebe ich.

Nadine Wallner und Stefan Haeusl steigen am Vorabend der Befahrung des Albonakopfs zu ihrem Basecamp auf. Foto: (c) ServusTV / Andreas Vigl

Wie kann man sich einen typischen Tag von Nadine Wallner vorstellen?
Relativ früh aufstehen, um 8 steh ich bei der Bahn und geh für ein paar Stunden zum Skifahren oder ich mach eine Skitour. Am späten Nachmittag bin ich dann meist auch noch Klettern.

Und wie ist das im Sommer?
Den ganzen Tag klettern (lacht). Nein, im Ernst – natürlich muss ich auch viel organisieren, Sponsorenprojekte umsetzen, ich sitze viel vorm Laptop, Fotoshootings – gestern war ich zum Beispiel sechs Stunden mit dem Auto unterwegs für ein Fotoshooting. Ich reise auch viel.

Nadine Wallner und Stefan Haeusl am Vorabend der Abfahrt vom Albonakopf am Arlberg. Foto: (c) ServusTV / Andreas Vigl

Was bedeutet Erfolg für dich?
Frei zu sein ist für mich der größte Erfolg.

Wie gehst du mit Niederlagen um?
Im Nachhinein sind auch Nieder­lagen zumeist Erfolge, zumindest dann, wenn man richtig mit ihnen umgeht, die richtigen Schlüsse zieht usw. Durch Niederlagen entwickelt man sich doch am meisten weiter. Und so schwarz, wie die Welt nach einem großen Misserfolg manchmal aussieht, so schwarz ist sie in Wirklichkeit ja nie. Das hab ich gelernt, obwohl sich das natürlich leichter sagt, als es sich im echten Leben umsetzen lässt.

Nadine Wallner steht am Einstieg ihrer Line bei den Dreharbeiten zu ihrem Film am Arlberg. Foto: (c) ServusTV / Andreas Vigl

Freeriden und Tourengehen erleben seit Jahren einen enormen Hype. Es ist kaum mehr möglich, Einsamkeit in den Bergen genießen zu können. Wie geht es dir mit diesen Massenaufläufen in den Bergen?
Ich glaube, dass es gesund ist, dem Rush der Gesellschaft zu entfliehen und in den Bergen Ruhe zu suchen. Allerdings muss man das auch zulassen. Es macht keinen Sinn, in den Bergen den Wahnsinn der Gesellschaft fortzusetzen. Dann liegt bloß Spannung in der Luft. Wenn alle nur egoistisch unterwegs sind, nach dem optimalen Foto gieren für Facebook, Insta­gram oder sonst was bringt das gar nichts.

Optimale Fotos und coole Videos sind doch auch wesentliche Bestandteile für dein Image und deine Karriere?
Ja, das stimmt natürlich. Trotzdem geht’s ums Wie. Ein Beispiel: Wenn einer spurt, und ein anderer hechelt hinterher und nimmt ihm dann ungefragt den ersten Run, dann ist das keine gute Entwicklung. Wenn er allerdings vorher mit dem anderen redet, ihn fragt und im alles erklärt, passt das wahrscheinlich.

Nadine Wallner genießt den frischen Pulverschnee am Arlberg während der Dreharbeiten zu ihrem Filmprojekt mit ServusTV. Foto: (c) ServusTV / Andreas Vigl

Es geht also um einen respekt­vollen Umgang miteinander?
Ja, wenn einen der Berg etwas lehrt, dann ist das Respekt zu haben. Und sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen.

Nadine Wallner

wurde am 15. Mai 1989 in Bludenz geboren. Sie wuchs in Klösterle in Vorarlberg auf. Bereits mit 3 Jahren begann sie Ski zu fahren und startete früh eine Skirennlaufkarriere. Ihr Vater, ein erfahrener Berg- und Skiführer, nahm sie auf vielen seiner Touren mit. Vom Anfang an war Nadine von dieser freien Art des Skifahrens begeistert. Mit 16 Jahren beendete sie nach einer Verletzung ihre Karriere als alpine Skirennläuferin und machte die Ausbildung zum staatlichen Skilehrer und Skiführer. Das Freeriden begann ihre große Leidenschaft zu werden. Am ersten Freeride-Bewerb nahm sie 2011 teil. Bereits zwei Jahre später gewann sie die gesamte Tour. Im Jahr darauf holte sie sich erneut den Sieg der Gesamtwertung der Freeride-World-­Tour. Bei einem Freeride-Projekt in Alaska verletzte sie sich schwer, kämpfte sich ­jedoch erfolgreich zurück, realisierte anschließend einige fantastische Freeski-­Projekte und nimmt in Zukunft auch wieder an Freeride-Bewerben teil.

Sendungstipp: „Bergwelten: Nadine Wallner – Tiefschnee am Arlberg“ – jetzt in der Mediathek bei ServusTV. Hier geht‘s zum Film: servustv.com