AKUT

Schlucken oder spucken?

Jakob Stantejsky

Was tun mit den Spermien beim Oralverkehr? Es gibt Fragen, die tauchen oft erst auf, wenn sich die Antwort erübrigt hat.

Text: Manfred Sax

Zunächst eine Würdigung: Es gibt Frauen, die es mögen. Es gibt Frauen, die es verstehen, und solche, die nicht wissen, was sie da tun, aber jedenfalls tun sie es. Es gibt Frauen, die bereitwillig blasen.

Dem Mann, dem sie die Gunst erweisen, bleiben sie langfristig in Erinnerung, seine Dankbarkeit kennt kaum Grenzen, und der eine Wermutstropfen für ihn ist eigentlich nur, dass diese Frauen nicht die Mehrheit sind. Es gibt nämlich auch Frauen, die ungern blasen. Jede Menge. Und nach dem Grund ihres mangelnden Enthusiasmus befragt, bleibt die Debatte öfter als nicht an einem bestimmten Punkt hängen: Der Gedanke an die Bescherung, die da kommen soll, wenn der Akt eigentlich schon gelaufen ist, törnt irgendwie ab. Sperma, was nun?

Moment mal, wer bläst denn heute noch ohne Kondom, mögen Sie jetzt einwenden. Simple Antwort: die Mehrheit. Das ist die Natur des Biests. Und man möchte vorab mal annehmen, dass Frauen im Zweifel lieber spucken als schlucken. Nur fehlt manchmal die Zeit für Zweifel. Manchmal deponiert der Mann seine Liebesgrüße, ohne vorher zu fragen, tut leid, es ging so verdammt schnell. Er war derart gerührt ob der Großzügigkeit, die ihm da widerfuhr, dass er sich sofort ergoss. Sie hat ihm einen geblasen! Heureka!

Natürlich findet jeder Mann, dass ihm die Gunst zu selten widerfährt. Ist logisch. Der Blowjob hat Sonderstellung, nichts kann sich mit ihm vergleichen. Anderer Sex mag ihm die bessere Ekstase bieten. Aber beim Blowjob kann er erstens keine Fehler machen. Zweitens gibt ihm ein BJ das Gefühl, dass die Spenderin ihn akzeptiert. Sie gibt. Manchmal kniet sie sogar, und er fühlt sich ausnahmsweise mal alpha. Und natürlich reden Männer darüber. Der Blowjob ist an jedem Stammtisch ein Thema. Nur kommt das einschlägige Problembewusstsein dabei etwas kurz.

Männer verschweigen, wie unsicher es sie macht, wenn sie nicht wissen, wie Frau auf den Samen reagiert. Stattdessen geben sie dem inneren Macho Sporen. Sagen Sachen wie: „Und dann hat sie mir einen geblasen.“ End of story, außer er war an eine sogenannte „begnadete Bläserin“ geraten, dann kann es vorkommen, dass seine Hymne an die edle Spenderin über die Grenzen des Stammtischs hinausdringt. Aber es passiert ihm eben zu selten.

Theoretisch können Männer besser blasen als Frauen, und nicht nur, weil ihnen der Schwanz kein Fremdkörper ist. Aber Männer sind sexuell neugieriger, das Tun und das Objekt vor seinen Augen wecken seinen Forschergeist. Schwule Männer blasen genial, Heteromänner lecken lieber, als Frauen blasen. Verständlich. Eine Vagina ist eben eine Vagina.

Weniger Verständnis kommt auf, wenn der weibliche Forschergeist in Sachen BJ sich lediglich wegen der Gedanken an die Samenflüssigkeit in Grenzen hält. Schade. Und sozusagen überflüssig. Denn meistens kommt er ohnehin nicht da oben. Ganz sicher nicht, wenn er ihre süßsaure Miene sieht, mit der sie den Mund öffnet. Selbst wenn sie ihn in den Himmel bläst, bricht er den Akt häufig ab und macht anderswo weiter. Erstens, weil er den BJ für Teil des Vorspiels hält, was natürlich nicht im Sinn des Erfinders Alphonse Gallais ist. Der verschaffte dem BJ hohes Ansehen als rare Nachspiel-Geste des Respekts der Spenderin für das zuvor Geschehene.(1)

Zweitens reicht ihm häufig schon der Verdacht, dass ihr das, was kommen soll, nicht ganz geheuer ist (ja, es gibt auch empathische Männer). Dann schon lieber in die Vagina. Die hat zwar keine sensible Zunge, die einem die gewisse Sensation mehr bereitet. Aber wenigstens hat eine Vagina kein Problem mit dem Sperma. Jedenfalls nicht sofort.

Nun zur Sache selbst. Für Health-Freaks ist Samen nicht uninteressant. Er besteht zu 80% aus Wasser, der Rest ist ein Cocktail aus Nutrienten. Gut: der hohe Anteil an Vitamin C, Calcium, Magnesium und vor allem Zink. Weniger gut: das Cholesterin. Die Samenzellen selbst machen nicht einmal 1% der Ladung aus. Daraus nun ein Argument für die „Gesundheit“ von Samen zu machen, ist dennoch etwas schräg. Die Mengen sind simply unwesentlich. Allerdings gibt es Studien, die männlichen Samen gegen Morgenübelkeit von schwangeren Frauen empfehlen(2). Andererseits machte unlängst auch der Fall einer Frau mit Penicillin-Allergie, die nach einem BJ wegen entsprechender Anfälle ins Krankenhaus transportiert wurde, gehörigen Wind.(3) Der Mann zum BJ war gerade auf Antibiotika, die Penicillin enthielten, was offenbar auch in den Samen geriet. Kurz: Das Thema „schlucken oder spucken“ ist zumeist eine Frage des Geschmacks. Und diesbezüglich wissen Spezialisten, dass Kaffee, Alkohol und Zigaretten die Sache bitter machen, Rindfleisch und Grünzeug für Schärfe sorgen, während insbesondere der Samen von Diabetikern ausgesprochen süß daherkommt. Gut zu wissen, ehe er in sie kommt.

Durch die männliche Brille gesehen – und außer er weiß, dass sie drauf steht –, gibt es im Wesentlichen nur zwei praktische Theorien zur Frage, wie das Sperma im Mund der Geliebten landet. Entweder vorzeitiger Erguss (nenne es Kompliment). Oder sie hat seinen männlichen Stolz verletzt.

Im ersteren Fall ist die Lage simpel. Sein Orgasmus war offenbar himmlisch, er war buchstäblich übermannt, und weil derlei Ekstase bei ihm eine vorübergehende Gehirnlähmung auslöst, kam ihm die Frage zum Erguss nie bzw zu spät in den Sinn. „Entschuldige, Darling, aber du warst so toll, dass ich ganz vergaß, den Schwanz rechtzeitig rauszuziehen.“ So sind sie, die Komplimente.
Im Fall des „verletzten“ Mannes ist es weniger Vergesslichkeit, mehr ein Ausklinken, das ihn geradezu danach drängt, ihr quasi den Mund zu stopfen. Etwa beim Akt, den sein erkranktes Gemüt als schnöden Straf-BJ nach ihrem Seitensprung begreift: „Gestern hat sie geschluckt“, erzählt er dann am Stammtisch, nach dem siebenten Bier, mit der Miene des gestillten Rachedursts. Das reicht. Und seine Spezis wissen alsogleich, dass seine „Alte“ einen anderen hatte und er deswegen sein Mütchen kühlte, um sie zur Hure zu machen, die er nun neben das angenagelte Bild der bisherigen Heiligen hängen konnte. Nur so erlangt seine, ach, so verwundete Seele ein erstes bisschen Frieden (und wahr ist natürlich auch, dass sich eine ertappte Fremdgeherin sozusagen mehr reindrücken lässt als üblich).

Beide – Kompliment und Rache – sind nur die zwei Extrempole, und in den Normalfällen dazwischen gerinnt der Blowjob in seinen Augen allzu häufig zur banalen Geschmacksfrage. Sein Sperma ekelt sie an, und so was schmerzt den quasi mit seinem Sperma Ausgespuckten. Zumal er auf sein Sperma steht. Es war ihm immer vertraut. Schon beim Masturbieren als Teenager hat er es geschluckt, und es war okay. Er hat es geschluckt, weil er schon damals auf die Frage „wohin mit dem Zeug?“ keine bessere Antwort fand. Und wie damals kommt ihm auch heute die Frage oft erst, wenn er bereits gekommen ist.

(1) „Das Paradies des Fleisches oder das göttliche Liebesbrevier“, (1903)

(2) Siehe: Gib mir deinen Kopf, Baby, WIENER 427 (3) https://www.iflscience.com/health-and-medicine/woman-with-penicillin-allergy-went-into-anaphylaxis-after-performing-oral-sex/