E-Mobility

Surren mit Stil

Jakob Stantejsky

Warum sich der Elek­tro­roller in der mitteleuro­päischen Innenstadt noch nicht durchgesetzt hat, könnte eine Stilfrage sein. Damit ist nun Schluss, sagen die Italiener: Die Vespa Elettrica betritt die Bühne.

Text: Franz J. Sauer / Fotos: Eryk Kepski

Optisch macht die elektrische Vespa schnell alles klar. Auf den ersten, zweiten und auch dritten Blick wird man das Gerät nicht von einer normalen Primavera
unterscheiden können. Das hilft beim Überschreiten der seltsamen Elektrofahrzeugschwelle. Erst beim näheren Hinhören sollten dem geübten Rolleristen Unterschiede auffallen. Nämlich, dass das gegenständliche Surren durch keinerlei Akrapovic-Beigaben zu tunen ist. Dafür bewegt man sich wunderbar sauber fort. Und der regelmäßige Besuch an der Zapfsäule fällt ebenfalls weg, lässt sich mühelos gegen eine ganz normale Schuko-Steckdose tauschen.

Womit der Grüngürtel-Bewohner nebst Garage oder zumindest Carport selten ein Problem hat. Immerhin hat dieser ja auch einen Rasenmäh-Roboter, der eine Steckdose braucht. Verteiler dran, Vespa daneben, fertig. Das Geräusch des Ladekühlers (nicht zu verwechseln mit dem Ladeluftkühler aus dem guten Turbo-Porsche) werden die Nachbarn verschmerzen. Und in der Früh ist die Wespe proppenvoll geladen für die knapp 100 Kilometer des Tages, die man nie und nimmer zusammenbringt.

Was aber, wenn man mitten in der Stadt wohnt? Gesetzt den Fall, die bisherige Abneigung der Wiener Innenstädter gegen Elektro-­Mopetten war wirklich eine Stilfrage, werden dann künftig aus Fenstern baumelnde Strom­kabel das Stadtbild prägen?

Wir können entwarnen. Weil wir die Probe aufs Exempel gemacht haben. Felix, ein junger Mitarbeiter unserer Redaktion, wohnt mitten in der Stadt, konkret in Wien 7, Kaiserstraße. Er studiert nebenher (natürlich jobbt er nebenher, aber wir sehen das gerne anders) an der TU, legt fast alle seine Fahrten in der Range Wien 7–Wien 1–Wien 9–Wien 4 zurück, und gelegentlich muss er raus zu uns in den 12. Bezirk. Hier gibt es Steckdosen en masse, da kann er also locker aufladen, während er sich über die drei, vier Stunden Recherchebedarf stürzt.

Daheim hingegen – Fehlanzeige. Beim Hofer vis à vis gibt es keine Steckdosen, der Wirt nebenan hat seine Mitarbeit diesbezüglich verweigert – scheinbar tschechert ihm unser Felix nicht genug. Und die WIENENERGIE-Ladesäulen, die sich tatsächlich in beachtlicher Stückzahl an den Gehsteigen der Innenstadt tummeln, sind nur für Autos und ihre speziellen Steckerbedürfnisse gedacht; die Schuko-Steckdosen der WIENENERGIE befinden sich allesamt in Parkgaragen. Und in die darf man als Einspuriger nicht mal einfahren. Hier kommt der Vespa Elettrica der ebenfalls aufwogende Trend zum Elektrofahrrad zugute, weil man deren Bedürfnisse in Wien gut erkannt hat und auch befriedigt. Insofern muss sich Felix nicht allzu sehr verbiegen und etwa die mehreren Zapfsäulen entlang des Donauradweges aufsuchen, um aufzufüllen. Direkt vor der TU findet sich eine nämliche Ladestation, den entsprechenden Stecker hat der Portier, und das Laden selbst ist netterweise gratis.

Einer wie Felix, bekennender Generation Z-ler und daher längst per Smartphone und Piaggio-Mia-App mit der E-Wespe connected, kommt also innerstädtisch problemlos über die Runden, niemals in einer ganzen Woche wurde es auch nur knapp mit dem Füllstand. Die Beschleunigung von der Kreuzung weg ist wie immer bei Elektrikern formidabel, die Höchstgeschwindigkeit der stärkeren L3EVespa (es gibt eine Ausführung fürs kleinere Taferl auch, die heißt dann L1E und ist mit dem PKW-Führerschein zu fahren) liegt bei 53 km/h, abgeregelt. Nix für die Quartermile, aber genug für die Innenstadt. Außerdem baut die Vespa E angenehm schlank, was das Vorfahren an Stauschlangen vereinfacht, apropos Stau: Sogar auf die Tangente dürfte sie mit ihrem großen Taferl.

Was gibt es zu motzen? Vielleicht ein paar Kleinigkeiten.

Die E-Vespa hat etwa nur einen Hauptständer, was dem geübten Biker keine Schwierigkeiten bereitet, dem Neuling aber doch Umfaller androht. Die Bremskraftverteilung ist schwer erspürbar, die Rekuperation namens KERS kaum, immerhin, sie bringt doch viel. Das Handschuhfach vorne ist gar sehr klein geraten, es gibt sich fast mit dem Ausweistascherl überfordert, dafür hält es einen USB-Port bereit, damit man den geeigneten Helm per Bluetooth mit dem Telefon koppeln kann. Und das Ladevolumen unterm Sitz fasst zwar gut einen Helm, aber nicht viel mehr. Gottlob gibt der Bobo von heute gerne mit seinem Umhängetascherl an.

Was, wenn man nicht an der TU studiert oder bei uns im ebenerdigen Büro werkt? Auch dann wird man genug Gelegenheiten finden, seine Vespa einmal die Woche mit Strom zu befüllen. Es gibt mehr teils unsichtbare Stromstellen, als man glaubt, diverse Apps geben hier Auskunft. Individuelle Arrangements mit Wirten oder anderen Vertrauenspersonen lassen sich wohl auch schnell aufstellen und der private Autostellplatz hat auch meist wo eine Dose. Fakt ist: In vier Stunden ist das gute Stück von null auf randvoll für die nächsten 100 Kilometer. Sprich: knapp eine Woche Großstadt.

Vespa Elettrica

Motor: rein elektrisch
Reichweite: 97 km
Leistung: 5,5 PS / 200 Nm Drehmoment
Sitzhöhe: 790 mm
Gewicht (ohne Fahrer): 145 kg
Batteriekapazität: 4,2 kW/h
Preis: 7.590 Euro (mit Förderung: 6.490 Euro)