AKUT
„Du Komiker!“
Der Komiker, Bestsellerautor, Schauspieler und Tausendsassa Michael Niavarani hat das Kabarett Simpl gekauft und wird es am 25. September mit seiner ersten Revue „Arche Noah Luxusklasse“ auch als Regisseur eröffnen. Den WIENER traf er in seinem Stammlokal Café Engländer zum Gespräch.
Datum: 29. August 2019, 16 h
Ort: Café Engländer, 1010 Wien
Interview: Manfred Rebhandl
Fotos: Maximilian Lottmann
wiener: Wir sind vom Männermagazin, die einschlägige Frage wäre: Sommer und Schweiß. Wie sehr darf ein Mann schwitzen?
Niavarani: Total darf er schwitzen!
Dann bin ich ja beruhigt. Wir schwitzen beide wie die Sau.
Auch eine Frau darf total schwitzen! Soll ich mir noch was anderes anziehen für den Fotografen?
Ich glaube, das passt so. Sie haben sich immer dagegen gewehrt, Kabarettist zu sein, jetzt sind Sie alles: von Bestsellerautor über Schauspieler bis Autor und Theaterbesitzer.
Ich sage immer, ich bin Komiker. Dem Viktor Gernot ist das ja nicht so recht, der sagt immer, in Wien ist das ein Schimpfwort.
„Du Komiker!“
Genau. Aber nachdem „Du Ausländer!“ auch ein Schimpfwort ist, bin ich halt halber Komiker und halber Ausländer, und beides stört mich nicht.
Sie sind gerade dem Rat von Altkanzler Sebastian Kurz gefolgt und haben sich „Eigentum aufgebaut“, indem Sie das Kabarett Simpl gekauft haben. Konnten Sie den Kaufpreis cash hinlegen?
Ich hab Gott sei Dank ein bisserl was von den ÖVP-Spenden bekommen und bin auch deswegen dem Herrn Kurz sehr dankbar, dass er mich in Richtung Eigentumaufbau gedrängt hat. Aber kurz im Ernst: Ich habe einen Kredit aufgenommen, ganz klassisch.
Jetzt gibt es verschiedene Herangehensweisen Eigentum betreffend, die einen sagen: „Eigentum belastet“. Spüren Sie nun Druck? Oder hatten Sie Revuen und Programme ohnehin schon für die nächsten dreißig Jahre im Nachtkasterl liegen?
Nein, nein, gar nicht! Das muss jetzt alles neu geschrieben werden. Aber Eigentum belastet schon, finde ich. Ich habe ja sehr viele Bücher und DVDs …
Wir reden von Tausenden?
Bücher sind es mittlerweile, glaube ich, neuntausend.
Alle in einem eigenen Zimmer?
Eigentlich ja, aber sie halten sich halt nicht daran. Sie gehen mit mir ins Bad, ins Klo, und manche von ihnen – aber das darf meine Frau nicht wissen – gehen sogar mit mir ins Bett.
Mit Ihnen und der Frau?
Dann gibt’s einen Dreier eigentlich. Zur Zeit gehen wir mit John Irving ins Bett. Aber zwei Drittel meiner Bibliothek sind populärwissenschaftliche Geschichtsbücher, die lese ich aus Interesse! Über den Shakespeare bin ich ja hineingekippt ins 16. Jahrhundert England, aber Geschichte interessiert mich generell. Ich glaube, wenn wir unsere Geschichte begreifen, können wir uns vielleicht in Zukunft leichter tun mit Entscheidungen. Leider sieht es immer noch so aus, als würden wir aus der Geschichte nichts lernen.
Was wir aus der Geschichte lernen, ist, dass wir aus der Geschichte nichts lernen.
Oder wie Karl Kraus sagte: Österreich ist das einzige Land, das aus Erfahrung dümmer wird.
Sie haben keine Scheu vor den großen Themen, behandeln die Arche Noah für das erste Simpl-Programm, da könnten Sie sich ja auch einmal an die Apokalypse heranwagen.
Wir machen darüber eh einen Sketch. Wir tun ja immer ein bisserl so, als ob es halt ein bisserl heiß wird, wenn es brennt im Wald, und wenn diese Erde kaputt ist, dann nehmen wir halt die nächste. Wenn die Erde hin ist, nehmen wir eine neue auf Leasing, so wie wir es gewöhnt sind, mit unserem Handy umzugehen. Dabei garantiert uns kein Mensch, dass nicht in hundert Jahren wir es sind, die übers Mittelmeer wollen und darin ersaufen. Wir nehmen das also ein bisserl zu leicht, und wir im Simpl nehmen’s noch leichter und blödeln sogar darüber. Aber man muss über diese Dinge auch lachen können, damit man befreit darüber nachdenken kann.
Ihre neue Immobilie befindet sich im Keller. Sie könnten dort auch Teigtascherl herstellen lassen, bleiben aber vorerst bei der Produktion von Pointen?
Ja! Und gerade kommen wir mit dem Schreiben gar nicht nach. Wir proben z.B. einen Sketch über eine Politikerrunde, aber der ist jeden Tag schon wieder überholt. Das mit den Teigtascherln ist ja wunderbar: Der Amazonas brennt und wir werden alle sterben, aber das Schlimmste in Österreich sind die 1,5 Mio illegalen Teigtascherl! Und so schlecht sind die ja gar nicht, muss ich sagen … Darum haben auch wir ein paar illegale chinesische Witzeproduzenten im Keller, die ganz gut sind.
Vorschriftsmäßig ausgebeutet?
Solche Chinesen sind ja sehr bescheiden und fleißig.
Als „faulen Wiener“ brauchen Sie sich von Altkanzler Kurz jedenfalls auch nicht schimpfen lassen …
Wobei mich der Vorwurf des jüngsten Altkanzlers aller Zeiten sehr getroffen hat, weil ich bin noch nie um 9 aufgestanden, das ist einfach eine Frechheit! Ich bin höchstens mal um 9 im Wirtshaus aufgestanden und dann nach Hause gegangen, weil der Wirt auch schon so besoffen war, dass er die Putzfrau nicht mehr gesehen hat, die gekommen ist. Ich erlebe den Vormittag aber höchstens herumschweifend und nachdenkend, oder um 10 bei der Probe. Wirklich warm werde ich erst ab 13 Uhr.
Dann wird gearbeitet? Wie schreibt man einen guten Sketch?
Wie man einen guten schreibt, weiß ich nicht … aber grundsätzlich hat man ein Thema – Teigtaschen oder Ibiza … Wobei Ibiza … Nichts toppt Herrn Gudenus auf Ibiza! Es gibt nichts Lustigeres als den bladen Strache mit seinem zu engen Leiberl und dem Wodka-Red-Bull in der Hand …
Viktor Gernot wäre ein guter Gudenus.
Und ich wäre ein guter Strache! Auch ein bisserl dicklich … Der war mir ja noch nie so sympathisch wie in dem Video. Jetzt bringen wir als Sketch halt eine Gerichtsverhandlung, in der nachgewiesen wird, dass ausschließlich der Alkohol der Täter war …
Weil es kein Veltliner war …
… sondern wieder ein Ausländer, der Ivanov, der Wodka.
Sind Sie mehr Scherzkeks oder mehr Witzbold?
Mehr Scherzkeks.
Mehr Grantscherm oder mehr Zornbinkerl?
Grantscherm.
Wären Sie lieber ein Lady’s Man oder ein Ladyman?
Hm? Was? Wo ist der Unterschied? Ah, Moment! Okay, ich wäre eigentlich lieber als ein Lady’s Man ein Ladyman, weil ich jetzt im Alter sowieso schon Brüste kriege, und sollte ich genderfluid sein, bin ich schon relativ weit. Das Traurige ab einem gewissen Alter ist ja, dass, wenn ein Mann sagt: „Mein Gott, was hast du für herrliche Brüste?“, er nicht mehr seine Frau meint, sondern sich selbst.
Zwischen Ihren Wiener Theaterverpflichtungen sind Sie dann immer wieder auch bei Sommerfestspielen auf der Bühne oder als Homo idioticus respektive auf der Suche nach ihm unterwegs durch die Lande – genießen Sie beim Zugfahren den Blick hinaus, oder schreiben Sie zwischen Wien und Stadtsaal Mürzzuschlag lieber einen Bestseller?
Das Lustige ist, dass ich im Zug relativ gut schreiben kann. G’spritzt wie ich bin, würde ich ja lieber volksnah und bescheiden in der fünften Klasse reisen, aber ich fahre Business, weil sie dort eine g’scheite Steckdose haben. Ich möchte ja überhaupt nur noch Bahn fahren, man sollte einfach das Fliegen lassen.
Und der SUV bleibt in der Garage?
Ich habe nicht mal einen Führerschein! Ich bin also klimatechnisch fein heraus, ich war’s nicht! Die Mutter hat mich neulich gefragt, ob ich nächstes Jahr wieder nach Griechenland komme, und wir haben schon eine Strecke ausgemacht, wie ich da hinkomme. Mir graust es wirklich, ich will nicht mehr in einem Flugzeug sitzen. Wir müssen wieder artgerechter leben. Wir sind einfach zu schnell. Der Michel de Montaigne, ehemaliger Bürgermeister von Bordeaux, hat damals in seinen Essays geschrieben: Diese Vier-Pferd-Gespanne, die hält er nicht aus! Er reitet lieber auf seinem einen Pferd, und zwar im Schritttempo. Der wäre uns kollabiert, wenn er in einer Stunde von Paris aus in Südfrankreich gewesen wäre, und uns geht es ja im Prinzip ähnlich.
Apropos Reisen: Wie haben die Kollegen reagiert, als sie gemerkt haben, dass Sie sie alle überholt, dann abgehängt und am Schluss hinter sich gelassen haben?
Es gibt entweder den offenen Neid, da heißt es dann: Du Oarschloch! Jetzt host an Bestseller a no g’schriebn! Ansonsten erlebe ich eine ehrliche Wertschätzung: Wie geht das? Dass einer ein Theater aufmacht, Shakespearstücke auf Volksstücke umschreibt, und dass das dann auch noch funktioniert. Diese Kategorien gibt es also nicht. Es gibt nur Leute, die mehr verdienen, aber die haben die anderen deswegen nicht überholt. Das Leben ist kein Wettrennen, es geht um die Herausforderung und um die Wertschätzung. Ich bin in einem der kleinsten Länder der Welt berühmt, aber darüber hinaus, kann ich alle beruhigen, kennt mich keine Sau.
Auf den Altkanzler fehlen Ihnen noch 500.000 Facebook-Fans.
Aber dem seine sind gekauft. Ich kaufe nicht.
Hilft man sich unter Kollegen gegenseitig mal mit einem Joke aus?
Natürlich! Und ich rufe oft Kollegen an und sage: Lies dir das mal durch, ist das gut? Spielt es sich so oder so besser, was findest du lustiger? Ich brauche Rat und Unterstützung von anderen Menschen.
Wie verhält sich das Geschriebene zum Ergebnis? Ich habe jetzt „Fawlty Towers“ gelesen, die sehr lustige Johne-Cleese-Serie, aber auf Papier …
… Das verhält sich wie eine Landkarte zu einer Reise. Das eine schaust du dir an, und dann musst du außer Haus gehen und irgendwohin wollen. Der Text ist keine Literatur, und das Theater und der Film sind ohne Schauspieler nichts.
Gibt’s Momente, wo Sie selbst zum Lachen anfangen beim Schreiben?
Natürlich find ich lustig, was ich schreibe, sonst würde ich’s ja nicht schreiben. Aber ich bin noch nie zuhause gesessen und habe gelacht. Was ich habe: So eine diebische Freude. Ich freu mich so, wenn die Leute das dann sehen! Man ist so froh, wenn beim Schreiben die Pointen kommen, dass man sie durch lautes Lachen nicht verscheuchen will.
Christine Nöstlinger hatte einen Computer für ihre Kinderbücher, einen für ihre Gedichte, einen für ihre Zeitungstexte … Sie haben wohl eine ganze Halle mit Computern zuhause?
Wow! Das wäre vielleicht gar keine schlechte Idee! Ich habe jetzt schon 640 Dokumente für das Simpl, jeder Sketch hat vier oder fünf Versionen, dazu die Notizen, die Abrechnungen … Mein Desktop schaut aus wie mein Schreibtisch, ein einziges Chaos! Alle eineinhalb Jahre markiere ich den ganzen Desktop, kopiere ihn in einen eigenen Ordner, und da steht dann „Desktop 2018“. Und ich fange von neuem an. Ich traue mich einfach nicht, irgendwas zu löschen und habe alle Dokumente acht- oder zehnfach.
Ist John Cleese mehr väterlicher Freund oder mehr Haberer?
Das kann ich noch nicht sagen, wir waren erst dreimal essen. Eher väterlicher Freund, würde ich sagen, aber auch Kollege. Er ist ja der Gott der Komödie, oder einer der Götter der Komödie, die Komödie ist ja nicht monotheistisch. Es ist eine große Freude und Verwunderung, dass der überhaupt mit mir auf die Bühne geht, weil ich finde mich eigentlich gar nicht so gut … Er mich übrigens auch nicht! Er geht nur mit mir auf die Bühne, weil er Wien liebt, obwohl er wiederum noch gar nicht oft in Wien war. Aber er hat irrsinnig viel gelesen, von 1880 bis 1920 weiß er alles, seit seiner Jugend bereut er, dass er nicht in Wien lebt. Wo der Sigmund Freud wann den Arthur Schnitzler getroffen hat, das weiß er, und wo der Joseph Roth in welchem Roman was erwähnt hat … Der weiß Sachen über Österreich! Er wiederum war beeindruckt, dass ich wusste, dass Heinrich VI. geweint hat, als Richard III. ihn verhaften hat lassen … Er versteht meine Liebe zu London nicht ganz, weil er findet’s Scheiße, und ich verstehe seine Liebe zu Wien nicht so ganz, weil … na gut, ich find’s nicht Scheiße, aber ich bin nicht geflüchtet. Er lebt ja in der Karibik, weil er nicht mehr will, dass ihm noch einmal kalt wird, er ist ja jetzt schon 79.
Sprechen Sie Oxford English mit ihm?
I try to speak proper english with him, aber mein Oxford English wird oft durch mein American English verdrängt, weil ich Verwandte sowohl in England als auch in Amerika habe, in der Nähe von Boston. Da fange ich manchen Satz Britisch an und höre ihn Amerikanisch auf.
Bester Monty-Python-Film?
„Das Leben des Brian“.
Den Advent beginnen Sie dann mit Harald Schmidt gemeinsam. Ist er mit Ihnen auf Augenhöhe, oder spüren Sie Minderwertigkeitsgefühl bei ihm, wenn er es mit Ihnen zu tun hat?
(lacht schallend) Eine lustige Anekdote: Bei unserer ersten Vorstellung im Burgtheater war sein Wortanteil 75 %, meiner 20, und 5 % waren Schweigen. Bei der zweiten war Wortanteil Schmidt 50 %, meiner 25, und der Rest war Schweigen. Nach der Vorstellung ist er zu mir gekommen und hat gesagt: Du, ich war heute schlecht drauf, tut mir leid. Habe ich gesagt: Nein! Du hast mir manchmal zugehört! Und das hat ihn sehr beeindruckt. Er hat ja das Gefühl, wenn er nicht wie ein MG eine Pointe nach der anderen rausschiebt – und das kann er, und da ist keine dabei, wo du dir denkst: Na ja. Und wenn eine na ja ist, dann mit Absicht! Der ist ein Comedy-Genie –, dass er versagt, wenn er den Kollegen zuhört. Er hat gemerkt, ich habe vor niemandem Angst auf der Bühne, und ich war ja nicht böse, dass er so viel redet, er kriegt ja dasselbe wie ich, macht aber 80 % der Hack’n. Dann hat er begriffen, keiner will ihm was wegnehmen. Manchmal neutralisieren sich ja zwei Komiker auf der Bühne, oder sie sind sich zu ähnlich, und ich dachte, wir sind zu unterschiedlich: Er Kopfmensch, ich nur Bauchmensch. Ich kann mit meinem Kopf nichts, überhaupt nichts, außer essen, aber ich kann mit meinem Gefühl viel. Jetzt wissen wir, das passt hervorragend. Wir haben großen, großen Spaß!
Schönster Satz: Leider sind bereits alle Vorstellungen ausverkauft?
Nein, der schönste Satz ist: Heute haben sich die Männer fast angewischelt vor Lachen, und den Frauen ist die Schminke aus dem Gesicht geronnen, weil es so lustig war.
Michael Niavarani
1968 als Sohn eines Persers und einer Wienerin geboren, maturierte am BRG Kandlgasse und war von 1986 bis 1992 Mitglied des Graumanntheaters. Bekannt wurde er mit der Fernsehsendung „Wer lacht, gewinnt!“ mit Ossy Kollmann. Er ist Autor zahlreicher Revuen des Kabarett Simpl, wo er 1989 erstmals auftrat und dessen künstlerische Leitung er 1993 übernahm. Daneben ist er immer wieder in Kinofilmen und TV-Serien zu sehen, seit September 2004 ist er Stammgast beim ORF-Comedy-Quiz „Was gibt es Neues?“, nebenher schrieb er noch zahlreiche Bestseller wie „Vater Morgana“ und Kabarettprogramme wie „Encyclopaedia Niavaranica“ an der Seite von Thomas Mraz. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.