Motor

Es war ein Rendezvous in Berlin

Vor 44 Jahren drehte Claude Lelouch seinen legendären Kurzfilm „C’était un rendez-vous“, bei dem er ohne Rücksicht auf Verkehrsregeln durch das morgendliche Paris jagte. Heute würde man für derlei verhaftet – es sei denn, es ist Lockdown …

Text: Franz J. Sauer, Fotos: Matthias Mederer

Sieht man sich die Rahmenbedingungen an, unter denen der nicht nur unter Motorfreaks legendäre Neunminüter entstand, wähnt man sich in einem anderen Jahrtausend. Die Idee der frühmorgendlichen Räuberei durch die französische Hauptstadt kam Autofan Lelouch aus einem Sachzwang heraus. Jenem nämlich, dass ihm vom Dreh des Streifens „Ein Hauch von Zärtlichkeit“ (mit Catherine Deneuve) eine Filmrolle übriggeblieben war, die er nicht zurückgeben wollte. So wurde flugs ein Plot gezimmert, der nicht wirklich anspruchsvoll vom Inhalt her war, dessen Verwirklichung sich allerdings schnell materialisierte. Autonarr Lelouch würde demnach mit seinem privaten Ferrari 365 GTB in der Morgendämmerung durch Paris, konkret vom Porte Dauphine bis zur Sacré-Cœur de Montmartre rasen, und das ohne jede Rücksicht auf regelbedingte „Hindernisse“ wie Tempolimits, Nachrang oder rote Ampeln. Ziel der morgendlichen Hatz: ein Rendezvous mit einer Dame auf den Stiegen von Montmartre – diesfalls Lelouchs dama­lige Lebensgefährtin Gunilla Friden.

Als der Streifen erschien, lieferte er Raum für Spekulationen. So wurde etwa gemutmaßt, welcher Rennfahrer (hoch im Kurs standen in der Gerüchteküche Jacky Ickx und Jacques Laffite) den
Ferrari pilotiert haben könnte und welche Spitzengeschwindigkeiten erzielt worden waren. Fakt ist: Das ganze galt als etwas exaltierteres Kavaliers­delikt, das letztlich auch nur am Rande durch die Pariser Polizei sanktioniert wurde.

Heute käme man für derartige Lausbubenstreiche ins Gefängnis und bliebe außerdem ob der Bußgelder bis an sein Lebensende verschuldet. Aber auch das Verkehrsgeschehen würde eine solche Fahrt wie beim „rendez-vous“ von Lelouch kaum ohne Blechschäden oder Schlimmeres über die Bühne gehen lassen. Außer es ist Lockdown. Und demzufolge nichts los auf den Straßen, schon gar nicht in der Früh. Also wagten wir die Probe aufs Exempel. Da kam es uns nur zu gelegen, dass Bentley zwecks Präsentation des großartigen Continental GT V8 nicht wirklich nach Berlin einlud, allerdings Fahrer nebst Lichtbildner für eine virtuelle Probefahrt bereitstellte.

Die Vorgabe kam auf Celluloid, die Hatz fand statt, diesmal ohne Schummelei wie dereinst in Paris. Claude ­Lelouch konnte den Dreh letztlich nicht mit dem Ferrari verwirklichen, weil dessen harte Federung die Kamera zu sehr schüttelte. So wurde nur der Sound des Ferrari eingespielt – die Fahrt selbst wurde mit einem Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 durchgeführt, weil dessen 286 PS per Luftfederung mit der Straße kommunizierten. Nun – der Bentley hat 549 PS und sowieso Luftfederung. Und ob diesmal Tempolimits ignoriert oder rote Ampeln überfahren wurden, tut nichts zur Sache. Erstens ist das hier Kunst. Und zweitens kennen wir nicht mal den Namen des Fahrers …

Bentley Continental GT V8
Hubraum: 3.996 ccm
Leistung: 549 PS
Verbrauch: 11,2 Liter (kombiniert)
Drehmoment: 770 Nm/2.000–4.500 U/min
Beschleunigung: 0–100: 4,0 s
Spitze: 318 km/h
Gewicht: 2.165 kg
Preis des Testwagens (GB-Modell): 226.765 Euro

Der Kurzfilm „C’était un rendez-vous“ von Claude Lelouch entstand 1976 in Paris, den Film selbst und auch die ganze Story dazu gibt es hier: https://wiener-online.at/2020/04/14/cetait-un-rendezvous-der-legendaere-motorkurzfilm-die-morgendliche-hatz-durch-paris-von-claude-lelouch/