Motor

Wellenreiten am Drehmoment

Wie man es dreht und wendet: Ein Motorrad ist kein ideales Transportmittel für Reisen in die weite Ferne. Die Triumph Rocket III GT sieht das ganz genauso. Weshalb wir wirklich gute Freunde geworden sind.

Text: Franz J. Sauer, Fotos: Eryk Kepski

Dass ein Motorrad wie die Rocket 3 reich an Superlativen sein könnte, sieht man ihr irgendwie von der Weite an. Ein taxierender Blick auf das Kernstück dieses Ungetüms stellt klar: Mit dem Zweieinhalbliter-­Dreizylinder schlägt hier das aktuell dickste Herz weltweit in einem Motorrad. Alles andere, was da guttural daherkartoffelt, muss sich hinten ­anstellen. Trotzdem ist die Rocket gegenüber ihrer Vorgängerin leichter geworden, und zwar um fette 40 Kilo. Das ist eine Menge, wenn ein Fahrzeug insgesamt nur 300 auf die Waage bringt. Wir halten also fest: stärkster Motor, weniger ­Gewicht. Trotzdem ein Fahrwerk, das sich weitgehend überarbeitet präsentiert. Von Sportlichkeit sollte man bei einem Bock dieser Ausmaße da nicht gleich reden. Aber als bis in den letzten Muskel durchtrainiert will sich die neue, große Triumph wohl verstanden wissen. Schon die Optik präsentiert den stolzen Bodybuilder, schön in die Länge gestreckt mit keinem Gramm Fett zu viel auf den chromblitzenden Rippen. Was ­einem letztlich auf der langen Reise ein paar Tankstopps zu viel einbringt: 18 Liter Tankinhalt sind fürwahr kein ausreichend dimensioniertes Behältnis für den Reiseproviant.

Und damit sind wir auch schon beim Hauptunterscheidungsmerkmal der GT-Version zur R-Version der neuen Rocket angelangt. Weiter vorgerückte Fußrasten, ein weit nach hinten geschwungener Lenker, ein gemütlicher Soziuspolster nebst höhenverstellbarem Sissy-Bar machen die dicke GT zum perfekten Reisecruiser. Und tatsächlich: Auf Asphalt-Geschläuch wie etwa der großartigen, kroatischen Küstenstraße spielt die fette Rakete all ihre Trümpfe aus. Viel schöner lässt sich kaum Straße versaugen, und steht der lästige Sattelschlepper im Weg, dreht man am Gashahn und hat kurz das Gefühl, sich nicht nur am Lkw vorbei, sondern auch gleich im Raum-Zeit-Kontinuum anständig nach vorne zu zoomen. Vor der nächsten Kurve holt einen die ­nachhaltige Bremserei guttural-­beruhigend ins echte Leben zurück und lehrt einen von Mal zu Mal, den fetten Gummischlapfen nebst dem hervorragend austarierten Fahrwerk doch ruhig ein bisschen mehr zu vertrauen, sprich: es mit höherem Speed in die Kurven zu prügeln.

Kein Gramm Fett zu viel an den verchromten drei Rippen, wunderbar ausgewogene Form mit groß­zügiger Länge: Ein Layout, das nicht nur den Fahrer begeistert. Die sportlichen Täschchens ­fassen auch eine ganze Menge.

Das Problem sind wie bei den meisten Reisen die Verbindungsetappen. Die Autobahn taugt weder der Rocket noch ihrem Reiter. Der Windschutz ist gleich null, ein größeres Windschild würde aber die Optik stören. Fett auf der Straße liegt die Fuhre auch bei jenseits der 160 km/h, und lenken kann man sie da auch nur mit den Knien, wenn es beliebt. Trotzdem braucht es einiges an Hinterngemuskel, um vier, fünf Stunden Tempomatreise auch nur ansatzweise entspannend zu finden nebst all der mühsamen Gelsen­fresserei. Wahrlich: Zwischen Zöbern (bis dahin geht’s irgendwie) und ­Bosiljevo II wünscht man sich schon irgendwie eine GS unter den Hintern. Wenn nicht gleich eine Gold Wing. Oder aber einen Land Rover ­Discovery mit feister Anhängerei.

Uhren sind out, so sind die Zeichen der Zeit. Unfassbar viel Information verpackt sich in einem gut ­ablesbaren TFT-­Display. Gut so.

Der Triumph Rocket 3 GT herself geht es da, wie schon erwähnt, nicht viel anders als ihrem Fahrer, zumindest kommt’s einem so vor. Auch sie hält nichts von ewigem Gleichstand am Drehzahlmesser, trotz der trägen Kubatur. Zwar genießt sie es durchaus, die immense Drehmomentwelle zu reiten, aber irgendwann muss auch mal hochgejault werden, sonst gibt sich der Dreitopf nach einer Weile recht ruppig und auch ein bissel ungestüm am Kardan. Was die Rocket umso mehr genießt, obwohl sie da ihre brachial-technologischen Vorzüge kaum ausspielen kann: rücksichtsloses Posen im Blitzlich­gewitter der Handy-Kameras.

Trotz fettem Auftritt und ebensolchem Herz lässt sich die Rocket 3 erstaunlich behände bewegen. Da steht nicht einmal der fette Hinterschlapfen im Weg herum.

Triumph Rocket 3 GT
Motor: R3-Zyl DOHC, flüssigkeitsgekühlt
Hubraum: 2.458 ccm
Leistung: 167 PS / 221 Nm Drehmoment
Antrieb: 6 Gang, Kardanwelle
Bremsen: Doppelscheibe, Kurven-ABS
vorne 320 mm, hinten 300 mm Einscheibe
Sitzhöhe: 750 mm
Trockengewicht: 294 kg
Tankinhalt: 18 Liter
Verbrauch: 7,0 l / 100 km
Preis: ab 26.600 Euro