Buch

Um die Liebe geht es immer

Konstantin Arnold ist ein Reisender. Er ist einer, der liebt und streitet und schreibt. Nun präsentierte er im Wiener Café Sperl seinen Debüt-Roman „Libertin – Briefe aus Lissabon“

Text und Fotos: Hannes Kropik

Der Hitler war nie im Sperl. Da, wo Konstantin Arnold jetzt aus seinem Debüt-Roman „Libertin – Briefe aus Lissabon“ liest, waren wohl zu Zeiten des Krieges Pferde eingestellt, die Lüster sicher verräumt. Aber der Hitler, darauf legt die Frau Chefin Wert, war nie Gast im Sperl. Andere Maler schon. Gut, sagt Konstantin Arnold, dann liest er die nächste Passage eben nicht wortgetreu: „Andere Maler waren auch schon hier.“

Konstantin nimmt einen Schluck Rosé und zieht an seiner Zigarette. Er liebt das Sperl. Früher, erzählt er, war er oft und lange hier. Sitzen, trinken, diskutieren und streiten. Das Leben feiern. Begegnungen und Beobachtungen aufsaugen. Notieren. In seinem Buch heißt das Sperl nicht Sperl. Es ist das Paradies. Die Grenzen zwischen der Wahrheit und erfundenen Geschichten verschwinden hinter Rauchschwaden.

Konstantin Arnold hätte hier perfekt in die gute alte Zeit der Kaffeehaus-Literaten gepasst, animiert hinein in die Sperrstunde und darüber hinaus. Er aber ist ein Nachgeborener, Jahrgang 1990. Und er ist auch nicht von hier, er stammt aus Eisenach im Osten Deutschlands. Bildungsbürger merken auf: Ach, die Wartburg! Luther! Egal. Konstantin ist ein Reisender, der in Lissabon vor Anker geht.

Warum Lissabon? Nun, darum geht es, unter anderem, in „Libertin“. Und natürlich geht es um die Liebe. Um die Liebe geht es immer. Und um die Leidenschaft. Um Oliven und Wein. Um das Suchen, das Finden, das Wollen, das unbedingte Wollen.

Wien ist der vierte und letzte Halt auf seiner allerersten Lesereise. Eisenach, München, Zürich, Wien. Der Abend, wird er am nächsten Tag notieren, hat sich ewig angefühlt. Es ist ein Heimspiel. Eines Tages werden wir in Wien leben, sagt er.

Der Lektor seines Buches, Martin Obermayr, lebt bereits in Wien. Er führt mit Konstantin durch den Abend; er lockt ihn aus der Reserve, erzählt von der Mühsal, den Autor von der Notwendigkeit von Satzzeichen und Absätzen zu überzeugen. Dabei ist das Leben doch ein wilder Fluss, der sich unmöglich regulieren lässt. Gib’s doch zu, du hältst mich für ein Arschloch, sagt Konstantin. Er gießt Martin vom guten Rosé nach und lacht herzverbunden.

Man kann schreiben, erklärt Konstantin zwischendurch die Philosophie seiner Arbeit, oder man kann lieben. Niemals beides zugleich. Jedes für sich zu hundert Prozent, ohne Kompromisse. Und doch geht das eine nicht ohne das andere.

Beim Schreiben braucht er seine Ruhe, absolute Ruhe, um sich im Rhythmus seiner Gedanken wiegen zu können. Freundin Catarina, eine schöne junge Portugiesin, sitzt unter den Zuhörern. Oft, sagt Konstantin, streiten sie. Wenn es ein guter, wahrhafter Streit ist, muss er sich schon währenddessen Notizen machen. Das macht Catarina nur noch wütender. Noch begehrenswerter.

Er liest davon, wie er nicht der Fußballer werden wollte, auf den der Vater so gerne so stolz gewesen wäre. Wie er lieber im Kaffeehaus sitzt, das Notizbuch und das Leben vor sich. Wie er in Lissabon diesem anderen Literaten gegenüber hockt und sie sich dabei beobachten, wie sie einander beobachten. Der andere schreibt Gedichte. Konstantin nimmt einen Schluck Rosé.

Konstantin Arnold liest und erzählt, wie er schreibt: unaufhaltsam, konsequent im Vorwärtsdrang. Ich habe gehört, sagt er, dass ich zu schnell lese. Nicht entschuldigend, nicht rechtfertigend. Ich muss so schnell lesen, denn ich habe den Text so schnell geschrieben. Keine Atempause.

Konstantins Hemd ist südländisch-leger geöffnet, die Brusthaare glänzen vom Schweiß. Fünftagesbart und dichtes Haar. Es ist heiß im Sperl. Noch ein Schluck Rosé, noch eine Zigarette. „Libertin“, sagt er, wird als Film auf die Leinwand kommen. Die Hauptrolle spielt er selbst. Natürlich. Es ist sein Leben.

Über das Buch: https://proof-verlag.de/shop/neue-literatur/libertin-briefe-aus-lissabon/