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Der andere Rebhandl – Seine Rock Rockenschaub Kolumne im WIENER #W446

Manfred Rebhandl

Scheiß-Investoren

Ich wachte vom Baulärm auf, schälte mich aus dem Bett, ging zum Fenster und schaute hinaus auf das Haus gegenüber. Ein verdammter Investor hatte es übernommen und mit dem Haus auch die Wohnung unseres Kumpels Ringo, der dort ohne rechtes Bein, dafür aber mit unbefristetem Mietvertrag wohnte.

Aber wie lange noch?

Die Masche, mit der diese Geldsäcke alte Mieter rausekelten, war immer die gleiche: Sie rockten das Haus mit Balkanmethoden hinunter und eröffneten zunächst im Keller ein Schlaflager für illegale Bauarbeiter. Dann brachte man ein paar Extra-Postkästen für Scheinfirmen an, was wiederum Stiernacken anlockte, die einmal pro Woche mit ihren Verbrecherkutschen vorfuhren, um sich die Post vom Finanzamt oder der Sozialversicherung abzuholen, die fälligen Beiträge wurden dann aber erst recht nicht bezahlt.

Am Wochenende kamen dieselben Stiernacken mit minderjährigen Mädchen, deren Dienste sie halbstundenweise an die Bauarbeiter unten im Keller verkauften. Dabei ließen sie ihre Verbrecherkutschen gerne eine halbe Stunde lang mitten auf der Straße bei laufendem Motor stehen, während sie selbst sich gemütlich in die Hose fassten.

Bald stand Tag und Nacht das Haustor offen, sodass sich herum sprach, dass man darin gratis pissen und kacken konnte, am besten gleich im Stiegenhaus. Die ersten Mieter zogen aus, weil sie den Gestank nicht ertrugen, während immer mehr Junkies der Umgebung das Haus nutzten, um sich darin ihren Stoff reinzuziehen.

In den bereits geräumten Wohnungen ließ man verlauste Punks wohnen, die Einstürzende Neubauten hörten, obwohl es doch ein Altbau war, der bald abgerissen werden sollte. Die nächsten Mieter hatten genug und zogen aus, weil sie den Lärm nicht ertrugen, und die, die noch nicht genug hatten, wurden ­speziellen Methoden unterzogen: Man hängte den Gatten-Kopf ­voran aus dem Fenster, bis die Gattin die Kündigung unterschrieb – auch wenn sie lieber auf den Gatten verzichtet und dafür die Wohnung behalten hätte!

Waren am Ende alle draußen, rissen ein paar illegale Rumänen alles nieder, was ein paar Böhmen mit vielen Ziegeln vor hundert Jahren errichtet hatten. Wer gut im Raten war, der wußte, dass stattdessen bald Luxus­Immobilien entstehen würden. Die Polizei interessierte sich nicht für solche Machenschaften, und das Bauamt war korrupt bis hinauf zum Chef des Bauamtes. Während ich aus meinem Fenster hinauf auf dieses Haus schaute, fragte ich mich wieder einmal, was war eigentlich aus dem guten alten, roten Wien geworden war?

Anstatt den Spekulanten die Eier abzuschneiden, ließen sich die Spitzen der Stadt von Verbrechern aus einschlägigen Herkunftsländern sowie heimischen Steuerschonern in den Arsch ficken.

Jemand musste endlich etwas dagegen tun!

Ich schrie hinüber: „He! Ein Mensch muss auch mal ausschlafen können!“

Aber wegen des Lärms hörte mich da drüben keiner, also ging der Lärm einfach weiter. Wo ich nun aber schon mal wach war, leimte ich mich für das Werk des kommenden Tages zusammen: Ich wählte den gelben Jogginganzug mit Kapuze zu weißen Socken, trank einen ersten Becher Russenschnaps und rauchte einen ersten Joint. Ich steckte mir die Bleispritze in die Unterhose und schlüpfte in die blauen Adiletten, weil ich wegen eines Hühnerauges zurzeit keine Tanzschuhe tragen konnte. Ich schwang mich hinunter und querte die Straße hinüber zum Abbruchhaus, an dem eine riesige Tafel angebracht war mit dem Namen des neuen Eigentümers: ALPESTE-Entwicklungsgmbh. Na klar! Wenn es keine Entwicklungsgmbh war, dann galt es nicht! Dazu eine detaillierte Auflistung der zu errichtenden Wohneinheiten. Überraschenderweise sollten es 32 Luxus­eigentumsappartements werden.

Für Ringo würde da kein Platz mehr sein. Ich zückte die Bleispritze und trat ein.


Manfred Rebhandl
Autor in Wien. Zuletzt erschien von ihm „Sommer ohne Horst: Rockenschaub löst auf alle Fälle alle Fälle“ (Haymon Verlag 2020)