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Der andere Rebhandl – Seine Rock Rockenschaub Kolumne im WIENER #W429

Aus dem Leben eines Superschnüfflers: Rock Rockenschaub entdeckt die Schönheit des Lebens.

Guttmann, der Bulle, holte mich aus der Zelle und führte mich auf den Lokus, wo ich mir zitternd eine ­anzündete. Er fragte: „Hast du eine Erklärung dafür?“ Und deutete auf mein Gesicht. Okay, ich war ein wenig ramponiert, aber durch die Brille des Wahnsinns betrachtet ging ich immer noch als top durch. Diese Kriegslandschaft sollte geschützt werden, und nicht verurteilt! Ich sagte: „Muss wohl zu tief ins Glas geschaut haben.“ Aber als ich mich selbst im Spiegel sah, war das ein herber Rückschlag für einen, der gerade wieder gehen lernte. Ich dachte: So muss mein Arsch aussehen, wenn ich länger drauf sitze.

„Ich sah in den Spiegel und dachte: So muss mein Arsch aussehen, wenn ich länger drauf sitze.“

Ich bat Guttmann um seine ­Hämorrhoidensalbe, die immer ganz gut wirkte, wenn einer von uns Schwellungen unter den Augen hatte. Aber warum war ich überhaupt eingesperrt gewesen? Ich ­hatte wohl irgendwie gehofft, dass einer meiner Kumpels eine Überraschungsparty für mich veranstalten würde, jetzt fiel es mir wieder ein. Man hofft ja bis zum Schluss, dass die Anrufe eintrudeln, wenn man fünfzig wird, aber es passiert dann halt nicht. Willi, das Schwein, ­Kubelka, der Gehirnschlosser, die Biene Mayr aus der Forensik zusammen mit Guttmann, dem Bullen – sie alle hatten sich nicht gemeldet. Und mein Freund Lemmy, bei dem ich wohnte, saß seit Tagen nur unten im Quattro Stazzione und bewegte sich nicht mehr vom Fleck. Also war ich allein in meiner Bude gesessen und hatte nicht so recht ­gewusst, ob ich Selbstmord begehen oder noch einmal richtig auf die Pauke hauen sollte, bevor es vorbei war. Alles, aber auch wirklich alles deutete darauf hin, dass ich mich für die Pauke entschieden hatte, denn:

„Zu tief ins Glas geschaut ist gut“, sagte Guttmann. „Wir reden hier von Sachbeschädigung, Erregung öffentlichen Ärgernisses, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Rauchen an Plätzen, an denen es ver­boten ist, und Pinkeln gegen fremde Hauswände.“ Na gut, heute muss man mit seinem Protest schauen, wo man bleibt: Ein bisschen gegen die Wand eines neu hochgezogenen Investorenprojekts pinkeln und schon fühlt man sich besser. Jedenfalls, solange man besoffen genug ist, aber du meine Güte, ist man halt mal besoffen! Wichtig ist, dass man dabei locker bleibt, möglichst nicht nüchtern wird und den Blick immer nach vorne richtet auf das nächste Investorenprojekt, gegen das man dann pinkelt.

Ich war also sogar ein wenig stolz auf mich, als mir Guttmann von meinen Schandtaten erzählte, und sagte: „Kannst du dir Jimi Hendrix vorstellen, wie er an einem Stück Gurke erstickt? Oder Janis, wie sie beim Häkeln vom Sofa kippt? Sid, Jim, James Dean, George Best? Eben!“

Dann kamen mir doch noch die Tränen, denn Guttmann reichte mir ein neues, grasgrünes Hawaiihemd und sagte: „Alles Gute!“ Bei meinen Hemden war mir wichtig – und wurde mir immer wichtiger –, dass sie weit genug geschnitten waren, weil man ja auch in zehn Jahren noch hineinpassen wollte. Ich zog es mir also über, und obwohl es ein Geschenk war, passte es wie angegossen. Das ist das Gute an diesen Hawaiihemden – sie passen einfach!

Dann musste ich etwas Ordnung schaffen, aber nicht in meinem ­Leben, sondern in meinem Wagen. Als wir einstiegen, lagen überall Dosen und Flaschen herum, Filter, Papers und Feuerzeuge, dazu CDs mit Musik aus einer Zeit, als sie noch nicht aus dem Telefon kam. Ich schob eine von Neil Young ­hi­nein und räumte, was ich noch brauchen konnte, in mein Handschuhfach, den Rest warf ich auf die Straße. Aus dem Handschuhfach nahm ich zwei volle Flachmänner, und weil mein neues ­Hawaiihemd zwei Brusttaschen hatte, steckte ich mir einen für ­später in die eine Tasche, den anderen trank ich leer und steckte ihn in die andere Tasche, um ihn später irgendwo wieder auffüllen zu können.

Schon sah ich wieder die Schönheit des Lebens – das herrliche Grün meines Hemdes, das wunderschöne Mintgrün meines Datsun – und war erfüllt von Dankbarkeit. Was für die Ladys die Handtasche, das sind für den Mann die Brusttaschen seines Hawaiihemdes. Ich stellte den Rückspiegel so, dass ich mich darin sehen konnte, und war zufrieden. Hätte ich den zweiten Flachmann sofort geleert, wäre ich vielleicht sogar glücklich gewesen, aber man soll das Glück nicht ­erzwingen.