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Der andere Rebhandl – Rock Rockenschaubs Kolumne im WIENER #W443

Manfred Rebhandl

„Bisch a Tirola …“

Ich schaute auf einen Sprung zum Diskonter am Wiener Brunnenmarkt, um für Dirty Willy ein paar Thermounterhosen zu organisieren, nichts mit Leoparden- oder Tigermuster, kein String, kein Eierbecher, nicht rote und nicht goldene, sondern nur warme, wollige Unterhosen, gerne gestrickt und mit Bommeln dran. „Und nimm mir auch Socken mit! Warme!“

Willy kannte nämlich einen Tiroler Bergbauernbuben, der es zum Tiroler Bergbauernzuhälter gebracht und dabei eine schöne Stange Geld verdient hatte, mehr als andere Tiroler mit ihren Skiliften oder Bergbahnen. Er hatte einfach so ziemlich jeden Tiroler Bergbauernbürgermeister geschmiert und in fast jeder Tiroler Bergbauerngemeinde einen scheiß Tiroler Zweitwohnsitz angemeldet – diese verschlagenen Tiroler Bergbauern! Seine Zweitwohnsitze durfte er zwar nicht vermieten, worauf er als Tiroler Bergbauernlümmel aber schiss, weil: „Bisch a Tirola Bergbauer, bisch a Gierhals. Bisch koa Tirola Bergbauer, bisch a normala Mensch.“ Oder weiß der Teufel, wie dieser verdammte Spruch ging. Willy jedenfalls nannte ihn Greedy Schröggsi. Greedy ­deshalb, weil er es war. Und Schröggsi, weil er so hieß. „Schröggsi mit zwei G“, wie er immer sagte.

Greedy Schröggsi hatte jetzt aber Probleme, seine Zweitwohnsitze mit zahlungskräftigen Kunden aus England, Deutschland, Holland oder Skandinavien voll zu kriegen, gerne auch aus Arabien, weil „der Wasserkopf Wien“, wie unser schönes rotes Wien bei den Bergbauern dort drüben hieß, wegen dem Virus das ganze verdammte Land Tirol am liebsten abgeschnitten und in den Kübel gesteckt hätte – Skiflifte, Skigaudi, Skihüttenschwangerschaften. Alles, was der Mensch nicht brauchte, fand man in Tirol.

Willy schaute traditionell immer auf den Cent und davor schon auf den Groschen. Darum war er seit seiner letzten Thailand-Reise, von der er mit einer eitrigen Eichel nach Hause gekommen war samt einem geschwollen Sack darunter, nie mehr im Urlaub gewesen – „zu teuer!“ Aber nachdem Greedy Schröggsi die Preise pro Nacht und Bergbäuerin nun moderat gesenkt hatte, senken musste – ungern, aber doch im Zehn-Euro-Bereich –, buchte Willy bei ihm eine Woche Kitzloch, Brennholz für die warmen Füße inklusive. Wir sollten nur, stand im Vertrag, wenn wir dann dort waren und auf der Piste, einfach sagen, dass wir einen Skilehrerkurs besuchten – falls uns jemand fragte.

Ich packte also noch Lemmy in den Wagen, der zuvor einen kleinen Handkoffer mit Gras zusammengepackt hatte, und Gutti, der zwar nicht Skifahren konnte, sich jedoch mit einer Bergbauerntochter eine rasante Schlittenfahrt erhoffte. Und dann noch Kubelka, den Gehirnschlosser, der dort in den Bergen bei den Bauern sein „Gehirn ein wenig durchlüften“ wollte, letztlich aber natürlich auch nur auf die Bergbauerntöchter scharf war. Und los ging’s! Nur die Ski ließen wir zuhause, weil wir natürlich gar keine Ski ­hatten.

Unsere lustige Ausflugsgemeinschaft schaukelte also den Gürtel hinunter, am Pink Flamingo vorbei und dann am Westbahnhof, und dabei erzählte ­Kubelka uns einen Witz: „Wie spricht der gemeine Tiroler das Wort ‚Banane‘ aus?“ Keiner von uns wusste es, nur Kubelka selbst: „Bananeckckckckckck.“

Brüllend vor Lachen lenkte ich den Datsun am India Shop und schließlich an der Pferdefleisch­wursterei vorbei, aber dann sahen wir das Schild „A1 Westautobahn“ vor uns, und es verging uns die gute Laune. Wir kriegten plötzlich alle so Heimweh, dass ich auf die linke Fahrspur hinüber wechselte und bei der Gumpendorferstraße unter der S-Bahn-­Brücke hinüberlenkte auf die Fahrspur, die uns herauf Richtung Ottakring zurückführte, wo das Leben am schönsten war und kein Tiroler uns beim schön Leben stören konnte.

Manfred Rebhandl
Autor in Wien. Zuletzt erschien von ihm „Sommer ohne Horst: Rockenschaub löst auf alle Fälle alle Fälle“ (Haymon Verlag 2020)