AKUT

Einer gegen die Würschteln

Manfred Rebhandl

Peter Pilz kommt an einem ­sonnigen Montagmittag mit einem Becher ­Tichy-Eis vom Reu­mann­platz herauf in den 6. Stock seiner ZackZack-­Redaktion über dem Platz. Er ist gut gelaunt, weil am Wochenende davor seiner Online-Zeitung ZackZack.at eine Under­cover-Geschichte über Martin Ho gelungen ist. Es geht um organisierten Drogenhandel in Hos ­Wiener Lokal Pratersauna, in dem der enge Ho-Freund Sebastian Kurz der prominenteste Gast war.

Interview: Manfred Rebhandl
Fotos: Maximilian Lottmann
Ort: Zackzack-Redaktion am Wiener Reumannplatz
Zeit: 31.08.2021, 11:30 Uhr

WIENER: Sagen wir es gleich zu Beginn: Es gilt die Unschuldsvermutung für alle Personen, die wir in unserem Gespräch erwähnen werden.
PILZ: Selbstverständlich, bei der ÖVP geht wohl nicht mehr viel ohne Unschuldsvermutung.

WIENER: Von Ihrem ZackZack-Büro hier im 10. Bezirk schauen Sie über die Dächer von Wien. Wie viele Bauten sehen Sie da als Aufdecker des Landes, bei denen irgendwas nicht ordentlich gelaufen sein könnte?
PILZ: Ich sehe hier schräg rüber aufs neue Bahnhofsviertel. Da stehen gleich einige Gebäude, die der Kurz-Spezi René Benko „entwickelt“ hat. Mehr sag ich dazu gar nicht.

WIENER: Geht Ihnen auf gut Wienerisch mittlerweile das G’impfte auf, wenn Sie seinen Namen bzw. andere Namen aus der „Familie“ des Regimes Kurz, wie Sie es in Ihrem Buch nennen, hören? Für Herrn Benko, schreiben Sie, wurde extra ein Gericht aufgesperrt, damit er das Leiner-Haus kaufen konnte.
PILZ: Schau, das hat es früher schon gegeben, dass bestimmte Unternehmer eine Nähe zu bestimmten korrupten Parteien gehabt haben. Das war in erster Linie die ÖVP, aber auch die Freiheitlichen und manchmal die SPÖ nach dem Muster: Korrupte Unternehmer finanzieren korrupte Parteien, damit sie Aufträge bekommen oder sich Steuern ersparen. Mit dem Regime Kurz haben völlig andere Zeiten begonnen. Kurz und seine Leute wollen von Unternehmern natürlich Geld, aber vor allem Hilfe beim Machterhalt. „Unternehmer“ wie René Benko sind dabei ganz entscheidend, weil sie auch Medien kaufen und bei der Gleichschaltung helfen können. Wir beobachten von Putin bis Orbán, wie diese Allianzen von Oligarchen und autoritären Führern Regimes begründen, in denen der Rechtsstaat demoliert wird, die Medienfreiheit abgeschafft wird und eine große Gleichschaltung beginnt. Daher ist es so: Wenn ich Namen wie Kurz, Benko, Novomatic oder Martin Ho höre, dann geht mir mehr als eine Impfung auf.

WIENER: Ist Österreich schon eine Diktatur?
PILZ: Nein, noch lange nicht. Ungarn ist gerade dabei, den entscheidenden Schritt in Richtung Diktatur zu machen. Die österreichische Regierung entwickelt sich gerade zu einem autoritären Regime. Das ist noch weit bis zu einer Diktatur, in der es keine Opposition mehr gibt. Ein autoritäres Regime erkennt man daran, dass die klassische Gewaltenteilung aufgehoben wird. Plötzlich sind Justiz, Polizei und Parlament in einer Hand und nicht mehr unabhängig. Wenn die Partei dann auch noch die Medien kontrolliert, dann braucht man nur noch auf die Stumm-Taste drücken, und eine frei gewählte Opposition ist plötzlich nicht mehr hörbar. Diese Stummschaltung erleben wir gerade jetzt in Österreich.

WIENER: Die wie ausschaut?
PILZ: Die führenden Oppositionellen im Land können zwar sagen, was sie wollen. Es kommen auch noch Journalisten zu ihren Pressekonferenzen. Aber am Abend schalten sie die Zeit in Bild ein und sehen eine Erklärung des Bundeskanzlers, wie er gerade COVID besiegt hat, die Taliban in die Schranken weist oder einer Pensionistin beim Essen zusieht. Fehlt nur noch, dass er bei Dancing Stars mitmacht und gewinnt, dann ist das türkise Glück perfekt.

WIENER: Oder dass er eine schöne Lederhosensendung auf Servus TV moderiert …
PILZ: Das ist alles drin, wir werden uns noch wundern! Dabei ist Sebastian Kurz kein Genie, er ist nicht einmal eine Persönlichkeit. Er ist das Gesicht einer perfekten Propaganda- und Machtmaschine hinter ihm. Von Bonelli und Blümel bis Fleischmann und Melchior haben seine engsten Vertrauten ihr Handwerk bei der Boston
Consulting Group und beim katholischen Sektenorden Opus Dei gelernt. Jetzt zeigen sie mit hunderten Millionen Steuergeld, was sie dort gelernt haben.

WIENER: In der Presseabteilung des Bundeskanzlers arbeiten 81 Experten, in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft 40 Staatsanwälte.
PILZ: Genau. Wir leben in einer Welt, in der nicht Fakten zählen, sondern Propaganda. Der normale politische Ton unter Türkis ist die Lüge. Es gibt in Österreich gar nicht so viele Balken, die sich biegen können, wenn die ÖVP ihre Politik erklärt. Kurz und seine Jünger – und die bezeichnen sich selbst so – leben von einer gewaltigen Abstumpfung. Früher, wenn man einen Politiker bei einer Lüge ertappt hat, gab es einen Aufschrei und man diskutierte seinen Rücktritt. Heute, wenn man einen ÖVP-Politiker bei der Wahrheit ertappt, fragt man sich: Was ist los, funktioniert die Partei nicht mehr?

WIENER: Versagt die Kontrolle der Politik durch die Medien?
PILZ: Sowohl im ORF als auch in Zeitungen und Magazinen gibt es nach wie vor eine Vielzahl hochanständiger und erstklassiger Journalistinnen und Journalisten, die um jede Zeile kämpfen und die Wahrheit berichten möchten …

WIENER: … Aber die haben, wie Sie in Ihrem Buch beschreiben, bei der „Presse“ zum Beispiel einen Chefredakteur Rainer Nowak über sich, der auch sehr gut mit dem Bundeskanzler ist …
PILZ: Viele haben von Medienherren wie Rainer Nowak – und nicht nur in der „Presse“ – buchstäblich die Nase voll – nicht nur in der Pratersauna oder im Member X Club von Martin Ho. Dort trifft sich der Bundeskanzler ja nicht zufällig mit bestimmten Medienmanagern und Staatsunternehmern.

WIENER: ZackZack hat ja gerade in der Pratersauna recherchiert. War’s lustig?
PILZ: Binnen weniger Minuten ist unser erstaunter Redakteur – gemeinsam mit dem Kollegen einer großen Tageszeitung – da gestanden mit einem kleinen Plastiksackerl Kokain in der Hand, das er gleich zur Polizei gebracht hat. Mit diesem Scheinkauf wollen wir erzwingen, dass Staatsanwalt und Polizei endlich hinschauen. Es ist seit Jahren ein offenes Geheimnis: In diesen Lokalen wird unter den Nasen von der Kriminalpolizei und Innenminister gedealt, dass man sich wie am Schneeberg fühlt. Spitzen von Politik und Medien gehen ein und aus – und keiner in Österreich berichtet darüber. Das ist ein Grund, warum wir ZackZack gegründet haben: Wenn die alten Medien zum Schweigen gebracht werden, indem ihnen der Mund mit Regierungsinseraten gestopft wird oder die Chefredaktion einfach ausgetauscht wird, dann muss was Neues her.

WIENER: Hat der Superaufdecker der Nation manchmal Angst vor den „Großen“ und „Mächtigen“?
PILZ: Es ist immer David gegen Goliath, aber wenn sich David halbwegs gescheit anstellt, dann zahlt Goliath drauf, weil er tönerne Füße hat und immer unter Selbstüberschätzung leidet.

WIENER: Zum Beispiel, dass er über dem Recht steht?
PILZ: Ich vertraue nach wie vor auf den Rechtsstaat, aber ich zeige in meinem Buch, wie knapp es war, dass das Regime Kurz ihn ausschaltet. Der Rechtsstaat war bereits in der Hand des mächtigen Sektionschefs Pilnacek, es gab nur noch einen letzten Brückenkopf, und das war die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA. Genau die wollte Sebastian Kurz ausschalten. Die Staatsanwälte der WKStA haben in diesen Tagen nicht gewusst, ob sie am nächsten Tag noch auf freiem Fuß sind, ob ihre Handys bereits überwacht werden, ob es bei ihnen Hausdurchsuchungen geben wird. Und warum das alles? Weil die Spitze der ÖVP befürchten musste, dass die WKStA die Spur über CASAG, ÖBAG, Thomas Schmid und Gernot Blümel direkt zu Sebastian Kurz verfolgt. Es ist ihnen – noch – nicht gelungen, stattdessen sind die Köpfe der organisierten Justiz – Pilnacek und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter – jetzt selbst in großen Schwierigkeiten, und das ist ein sehr gutes Zeichen. Ich halte die Chance für groß, dass der österreichische Rechtsstaat gegen das Regime Kurz gewinnt.

WIENER: Wie funktioniert dieses Regime genau?
PILZ: Kurz garantiert, dass diese Republik von Würschteln regiert wird – Verteidigungsministerin, Finanzminister, Innenminister – lauter Würschteln. Dann setzt er noch einen Herrn Weismann an die Spitze des ORF. Bald hat er überall Würschtel, zu denen die Kanzlerberater nur noch ihren Senf geben müssen. Das ist das Grundrezept autoritärer Regimes: An die Schlüsselstellen werden sachlich ahnungslose Parteigänger gesetzt, bei denen man sich auf eines verlassen kann: Sie sind bedingungslos loyal. Denen ist es völlig egal, wie es dem Land geht, sie interessiert nur dafür, wie es der Partei und ihrem Führer geht. Je schlechter es dem Land geht, desto besser geht es der Partei.

WIENER: Was treibt die alle an?
PILZ: Kurz, da bin ich mir sicher, ist ein Getriebener. Wenn er nicht Kanzler bleibt, stürzt er ab und ist ein Niemand. Was ist die Alternative für ihn? Bundeskanzler oder schwer vermittelbarer Arbeitsloser ohne Ausbildung, der möglicherweise noch ein paar Strafverfahren am Hals hat. Ich hab neulich Niki Fellner von Ö24 in seiner Sendung gefragt: „Hand aufs Herz, wenn der arbeitslose Sebastian Kurz bei Ihnen anruft wegen einer Arbeit, Sie würden ihn nicht nehmen, weil er nicht einmal das kann!“ Fellner hat zustimmend gelacht.

WIENER: Und wenn er bei ZackZack anrufen würde?
PILZ: Dann würden wir ihm auch nicht helfen können. Auf ihn wartet kein Top-Managerjob und keine Spitzenposition in Brüssel. Für ihn heißt es jetzt schon „alles oder nichts“.

WIENER: Sie haben ihn ja im Parlament sehr früh erlebt. Wie war er da?
PILZ: Er war am Anfang eine seltsame Erscheinung. Ein ÖVP-Nach­wuchspolitiker im Geilomobil war noch keine Bedrohung für die Re­publik. Aber heute ist er ein autoritärer Führer, hinter dem die gepanzerten Fahrzeuge von Innenminister Nehammer warten. Von Anfang an war Kurz einer dieser Teflon-Politiker, an denen scheinbar alles abrinnt. Der erste dieser Art war Karl-Heinz Grasser. Kurz ist heute eine Mischung aus Grasser und Dollfuß, das macht ihn so gefährlich. Er hat eine alte, christdemokratische Partei genommen und ihr ein freiheitliches Herz eingepflanzt, setzt auf fremdenfeindliche und – noch gefährlicher – antieuropäische ­Politik. Der Unterschied zwischen Kurz und Grasser ist nicht ihr ­Wesens- und Charakterkern, sondern dass der eine ein freiheitlicher Luxusboy vom Wörthersee­ufer war.

WIENER: Mit schönen Haaren.
PILZ: Und der andere ein Meidlinger Nachwuchstalent der Volkspartei.

WIENER: Auch mit schönen ­Haaren.
PILZ: Ein Friseur würde aus Kurz keinen besseren Kanzler machen. Die Gefahr ist jedenfalls: Würde sein Projekt in Österreich funktionieren, dann könnte ein Markus Söder in Deutschland sagen: Das, was der Kurz in Wien kann, das kann ich, der starke Markus Söder, in München und Berlin jederzeit! Wenn dann die deutsch-französische Achse bricht, ist das der Anfang vom Ende. Dann zerbricht die Europäische Union. Das ist die Gefahr, die jetzt von Wien ausgeht. Kurz kann zum politischen Superspreader werden.

WIENER: Wie sehr spüren Sie, dass „die“ Sie nicht mögen, vielleicht sogar hassen?
PILZ: Ich weiß, dass es Leute in der ÖVP gibt, die nicht nur mich, sondern auch ZackZack hassen, aber das ist deren Problem. Ich hasse niemanden, ich würde mir nur wünschen, dass die Würschtel durch qualifiziertes Personal ersetzt werden. Nach wie vor habe ich ja viele Freunde in der ÖVP, nicht nur den Reinhold Mitterlehner, wo ich das öffentlich sagen darf, ohne ihm politisch noch schaden zu können. Die, die nicht genannt werden dürfen, sind auch die, die mich aus der ÖVP am Laufenden halten.

WIENER: Unten am Reumannplatz kaufen sich die sprichwörtlichen kleinen Leute ihr Tichy Eis. Sie beschreiben in Ihrem Buch die abgehobene Welt des Sebastian Kurz, dessen Bussibussi-Freund Thomas Schmid solche Leute in seinen Chats als „Pöbel“ bezeichnet.
PILZ: In dieser türkisenen Welt geht es nur um eine kleine Clique. Mit dem „Pöbel“, wie sie das Volk nennen, wollen die nichts zu tun haben. Das Grundgefühl der ÖVP ist: Wir sind die Auserwählten, zusammen mit den Oligarchen, die hinter uns stehen. Uns gehört
Österreich.

WIENER: Haben Sie die ganzen Schmid-Chats gelesen?
PILZ: Und noch viele Millionen andere Seiten an Akten und Unterlagen, die alle da in meinem Computer sind.

WIENER: Besser geschützt als das Handy von Thomas Schmid?
PILZ: Sehr gut geschützt! Auf diese sensiblen Daten passen wir sehr gut auf, weil wir ja nicht wissen, ob nicht demnächst ein türkisener Kripo-Trupp mit einem Hausdurchsuchungsbefehl in der Hand vor der Tür steht.

WIENER: In anderen Ländern hängen solche wie Sie auch mal in irgendeinem Park an einem Baum.
PILZ: In Österreich wird viel probiert, um Leute, die der ÖVP kritisch gegenüberstehen, zu überwachen, aber ich fühle mich in Österreich nicht bedroht. Wir sind nicht in Russland oder in der Türkei. Ich fürchte bei einem Innenminister wie Nehammer etwas ganz anderes: Dass Österreich ungeschützt ist, weil er sich nur um den Schutz seiner Partei kümmert. Islamistische Terroristen wissen, dass sie in Österreich tun und lassen können, was sie wollen. Der Anschlag vom 2. November 2020 hätte verhindert werden können. Aber Nehammer und sein türkisener Verfassungsschutz haben versagt.

WIENER: Und die grüne Justizministerin Alma Zadic?
PILZ: Sie bemüht sich. Vielleicht hat sie nicht die nötige Härte, um die WKStA mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu schützen. Aber ich bin mir sicher, dass sie nicht bereit ist, Verfahren zu „daschlogn“, um ihrem Bundeskanzler zu helfen. Sie steht auf der Seite des Rechtsstaats.

WIENER: Wie gehts Ihnen denn heute mit ihren alten Freunden von den Grünen? Auch für manche von denen gilt ja mittlerweile die Unschuldsvermutung.
PILZ: Bitte mir alle Fragen zu Werner Kogler, Sigi Maurer und ein paar anderen zu ersparen. Was Chorherr und andere angeht: Sie zeigen, dass bei den Grünen auch schon vieles möglich ist, was ich für unmöglich gehalten habe. Dass Spitzenpolitiker der Grünen möglicherweise korrupt sind, habe ich für unmöglich gehalten, auch, dass Grüne einem Glücksspielkonzern dienen. Jetzt ermöglichen die Grünen einer türkisen ÖVP freiheitliche Politik zu machen. Das ist auch für mich überraschend.

WIENER: Die Erwähnten mögen Sie umgekehrt auch nicht, oder?
PILZ: Darum haben sich unsere Wege 2017 getrennt. Ich habe noch ein Strategiepapier mit über hundert Punkten geschrieben, eine Alternative aufgezeigt, wie man um die Leute kämpfen kann, wie man den Freiheitlichen Wähler wegnehmen kann, wie man Mehrheiten gewinnen kann, das alles ist ja möglich! Viele würden anders wählen, wenn sie eine Alternative hätten. Aber die Grünen haben sich anders entwickelt. Dieselben, die vor Jahren noch mit ihren Kerzerln für offene Grenzen demonstriert haben, lassen mit den Türkisen die Kinder von Moria im Stich. Vor diesen Leuten habe ich den letzten Respekt verloren. Für saubere Umwelt und saubere Politik zu kämpfen, das war der Kern der Grünen, der ist kaputt. Von Chorherr bis Kogler haben Spitzen der Partei den Grünen irreparablen Schaden zugefügt. Ich hoffe trotzdem, dass die vielen Leute, die ich dort immer noch schätze, das selbst in die Hand nehmen und wieder von vorne anfangen. Wir brauchen echte Grüne.

WIENER: Mit Ihnen?
PILZ: Geh!

WIENER: Dem alten Silberrücken, dem man Grabscherei unterstellte?
PILZ: Schau, damals waren alle zu feig sich anzuschauen, was da wirklich passiert ist mit einer ÖVP-Angestellten, die sich mit jahrelanger Verspätung an etwas erinnern konnte, das nie stattgefunden hat. Die Staatsanwältin hat sich das genau angeschaut, hat mich nicht einmal einvernommen und alles eingestellt. Das kam wohl auch aus den Giftschränken der ÖVP, die nicht nur gegen Grüne und andere Missliebige Material gesammelt hat, sondern, wie wir heute wissen, schon damals gegen den zukünftigen Koalitionspartner FPÖ, gegen Strache und auch gegen Christian Kern von der SPÖ. Heute wissen wir, dass die Kripo schon 2015 starke Hinweise auf Drogen und freiheitliche Spitzenpolitiker hatte, aber das Material ging nicht zur Staatsanwaltschaft, sondern in den Giftschrank der ÖVP.

WIENER: Sie wohnen nach wie vor im Gemeindebau und haben nie – wie zum Beispiel der ehemalige ÖVP-Parlamentspräsident Kopf – bei Investor Tojner angerufen und sich um eine Wohnung in seinem Heumarkt-Projekt beworben?
PILZ: Ich wohne dort, wo meine Oma gewohnt hat, wo meine Mutter gewohnt hat, in Kaisermühlen. Ich hätte oft in die Innenstadt ziehen können.

WIENER: Weil Ihnen Ihr Spezial­freund Benko heimlich was Schönes im Golden Quarter angeboten hat?
PILZ: Mich hat immer beruhigt, dass Leute wie Benko, Ho oder Tojner einen großen Bogen um mich machen. Das heißt, sie respektieren meine Arbeit.

WIENER: Trainieren Sie auch beim John Harris, um sich für den Kampf gegen Goliath zu stählen?
PILZ: Ich bin Obersteirer und verbringe die Hälfte des Jahres auf meiner Alm, dort hol ich mit meiner Säge Bäume aus dem Wald und bringe sie mit der Scheibtruhe zu meiner Alm. Mit der Meslhacke mach ich dann Ofenholz draus. Diese Alm ist nicht weit von Kapfenberg, meiner Arbeiterstadt, wo einmal 11.000 Leute im Böhlerwerk arbeiteten, heute sind es 1500, mein Vater war dort Betriebsrat. Ich weiß, wer die sogenannten kleinen Leute, die alles andere als klein sind, sind, was sie für Ängste haben, was sie ärgert und sorgt. Ich kenne ihre Lebensfragen. Für Sebastian Kurz und seine Familie sind sie „der Pöbel“. Die Menschen, die einst Kreisky gemocht hat, wissen, wie sehr sie dieser Meidlinger Schnösel verachtet. Ich möchte, dass Österreich von Menschen regiert wird, die sich für andere Menschen interessieren, für ihre Schicksale, für ihre Lebensfragen. Mein Vater hat jeden Tag für seine Leute gekämpft, und das ist auch mein Antrieb.

WIENER: Ihre hohe Politikerpension geben Sie aber nicht nur für Motorsägen aus?
PILZ: Die gebe ich für ein ganz normales Leben und natürlich für ZackZack aus. Ich arbeite als Herausgeber gratis und zahle mir die Spesen selbst, als Lohn habe ich eine tolle und spannende Arbeit und ein wunderbares Team. Der Schlüssel zum Erfolg von ZackZack werden unsere Clubmitglieder sein, wir brauchen 5000, damit wir fest auf den Beinen stehen. Da frage ich jeden Einzelnen, ob ihm oder ihr die Pressefreiheit 9,90 Euro im Monat wert ist. Mehr brauchen wir nicht.

WIENER: Ich überleg’s mir.
PILZ: Mir geht´s nicht nur um das linke und liberale Milieu in der Stadt, die werden vom Falter gut bedient. Mir geht es um verzweifelte Protestwähler, die glauben, dass sie nur die Wahl zwischen Kurz und Kickl haben. Das glauben sie, weil der österreichische Boulevard käuflich ist und ihnen täglich Kurz-Propaganda serviert. Also brauchen wir Gegenverkehr am Boulevard, nicht immer nur Rechtsverkehr.

WIENER: Was passiert, wenn die Novo­matic ein Inserat bei Ihnen schalten will?
PILZ: Wir würden das Inserat nicht nehmen, und wenn sie uns den zehnfachen Preis zahlen.

WIENER: Und wenn Sie Herrn Benko draufkämen, dass er längst förderndes Clubmitglied von Zackzack geworden ist?
PILZ: Dann müssten wir erstmals ein Clubmitglied ausschließen.

WIENER: Abschließend: Was wissen Sie noch alles, was wir nicht wissen? Drogenkonsum, geschlechtliche Ausrichtungen, verdeckte Parteispenden?
PILZ: Wenn mir Leute Geschichten über „das intime Leben von dem und jenem“ anbieten, werde ich taub, weil das interessiert mich nicht. Privat bleibt privat. Wenn sich aber herausstellt, dass führende Mitglieder einer Bundesregierung durch Drogendealer und organisierte Kriminalität erpressbar sind, dann ist das keine private „Kokst da wer im Freundeskreis?“-Geschichte, dann ist das von höchster politischer Relevanz und wir verfolgen diese Spuren.

WIENER: Man hört, Sie planen eine ZackZack-Wanderung?
PILZ: Ganz im Stil der Bundeskanzler-Wandertage! Mit uns geht es auf den Schneeberg, ganz ohne Pratersauna. Das wird schön, von dort hat man eine gute Aussicht!


 Peter Pilz
Peter Pilz wurde am 22.1.1954 im steirischen Kapfenberg geboren und zog bald nach Wien, wo er ab 1973 Volkswirtschaft und Politikwissenschaft studierte (Promotion 1983). Ab Dezember 1986 saß er für die Grünen im Parlament, kandidierte bei der „Wendewahl“ 1999 sogar als Spitzenkandidat, entfremdete sich aber im Laufe der Jahre von der Partei, bis er 2017 die Grünen verließ und seine eigene Partei (zunächst „Liste Pilz“, dann „Jetzt“) gründete. Nach dem zunächst erfolgreichen Einzug ins Parlament 2017 konnte die Partei diesen Erfolg im Jahr 2019 nicht mehr wiederholen. Daraufhin gründete Pilz aus dem Mitteln der JETZT-Parteiakademie das Onlinemedium zackzack.at, dessen Herausgeber er ist.