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Darija Kasalo – Im Mondlicht

Manfred Sax

Der Künstlertreff „Ungar Grill“ ist History, es lebe das „Shalimar“. Darija Kasalos Lokal Shalimar – zu deutsch „Mondlicht“ – hebt seit einem Jahr den Marktwert der Schmalzhofgasse in Wien 6. Ein Besuch.

Fotos: Erich Reismann, Text: Manfred Sax

Im Sommer 2020 geriet Darija Kasalo anlässlich eines Spaziergangs in Wien 6 in die Schmalzhofgasse, eine vom modernen Leben konsequent vernachlässigte Gegend. Die Gasse beginnt mit einem Uhrmacher-Shop und endet neben einem widerstehlichen Thai-Beisl, dazwischen füttern nur Graffiti die Augen des Normalpassanten, aber wem fällt schon das Wort „normal“ ein, wenn Darija Kasalo das Thema ist.

Die geborene Kroatin mit legendärer Vergangenheit als Wirtin des Künstlertreffs Ungar Grill (1) blieb vor dem Haus mit der Nummer 11 stehen, das war ein schmalzhofgassenmäßig nicht mehr ganz frisches indisches Lokal mit einem Pfau als optischer Köder. Es hieß Shalimar, zufälliger Weise das erste indische Restaurant der Stadt, die noch ein anderes Wien war. Um die richtigen Gewürze zu finden, musste Sushil Vadhera, Gründer des Shalimar, noch nach London fliegen. Kasalo läutete an, wurde eingelassen und hatte zunächst mal „Gänsehaut“ (Kasalo): Der Garten des Lokals war enorm schön.

Die Gänsehaut hatte mit ihrer Karriere als Wirtin zu tun. Aber was heißt Karriere, da ist mehr dabei. Wenn du in Vukovar geboren wirst, dann im Zug des Krieges Donau-aufwärts in Wien landest, dort studierst und nebenbei kellnerst und schließlich als „die Wirtin“ den Ungar Grill binnen Jahren in einen Fixpunkt der Kunstszene verwandelst (2014-2020), dann geht es auch um ”roots“, um Identität. Du kannst die Wirtin aus dem Lokal entfernen, (weil irgendein Chinese das Haus gekauft hat), aber nicht das Lokal aus der Wirtin. Ein Vertrag wurde wahr. Und bald trug das Shalimar Kasalos höchstpersönlichen Stempel: „Ich habe kein Konzept, ich bin das Konzept. Mein Lokal ist mein Baby, ich bin dort alles, vom Einkauf bis zur Putzfrau. Ich bin immer da, das wollen die Gäste. Sie lieben es, von der Chefin bedient zu werden.“ Als Referenz an die Lokalgeschichte ziert ein Dal-Gericht die Speisekarte, gute Wahl, Dal-Rezepte wurden schon im berühmten Epos Mahabharata (400+BC) notiert. Restaurant und Garten glänzen im Kasalo-Look und nun, zum einjährigen Jubiläum, wurde auch ein Salon eröffnet.

Logisch, dass der kreative Input der Wirtin den Marktwert der Schmalzhofgasse enorm hebt, außerdem bereichert sie einen raren Sektor der Stadt: „„Es gibt wenige Wirtinnen in Wien, sagt sie, „spontan fallen mir gerade mal sechs Wirtinnen ein, Wirte dagegen über hundert. Und leider glauben sie, dass Frauen keine Ahnung haben. Aber wenn ich nicht ernst genommen werde, werde ich schroff. Mit Männern bist du automatisch im Wettbewerb, das ist anstrengend.“ Der männliche Gastronom als Chauvi – wer hätte das gedacht? Und natürlich ist da auch noch deren Y-Chromosom, Pipeline für das Übliche: „Ich war mal eine Lolita“, erinnert Kasalo, „mit langen Haaren und so weiter. Da kannst du machen, was du willst, du bist immer Sexobjekt.“

Aber wahr ist auch, dass Männer leicht einzuschüchtern sind, die Wirtin muss da nicht handgreiflich werden, es reicht ein Besuch bei Künstlerin Mari Artista – die ihr vergangenen Sommer die Haare schnitt. Resultat: ein ”head turner“, wie der Brite sagt und etliche Auf-ersten-Blick-Kommentare unterstrichen, da war von „Nofretete“ bis „Mönch“ Einiges dabei, die einzig richtige Antwort dennoch simpel: „Ich bin eben ich“, sagt Kasalo, und die Nebenwirkung ist ausgesprochen nett: „Ich werde seither nicht mehr dumm angequatscht.“

Ein Jahr Darija Kasalo im Mondlicht also, die Wirtin mit dem Hund Da Vinci. Harte Arbeit, wenn auch mit erfrischendem Bonus: Ihre alte Stammkundschaft stellte sich alsbald ein, die Schmalzhofgasse hat einen frischen kulturellen Muskel, also, neben dem Uhrmacher, einem „Mambo“-Tanzstudio und den für das nette ”Love Yourself“-Graffiti verantwortlichen Artist. „Ich war nervös, als ich aufsperrte, sagt sie, „aber dann kam gleich Maria Bill durch die Tür, mit einem großen Blumenstrauß.“ Hinweis: Im Salon ist an einem diskreten Platz auch ein Bowie-Cover (Low) zu sehen, weshalb wir mit einem seiner berühmten Zitate schließen wollen: “I don’t know where I’m going from here, but I promise it won’t be boring.” Sollte passen.


(1) WIENER-Story „Hinfallen, Corönchen richten, weitergehen.“ https://bit.ly/3llQKpu
Info: Shalimar, Schmalzhofgasse 11, 1060 Wien, Tel. (01) 4308305.