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Forever young – Sex nach der Menopause

Manfred Sax

Manche Menschen meinen, dass es sich nach der letzten Blutung auch mit dem Sex hat. Nun ja, es gibt diverse Härten. Aber der Rest ist erfreulich.

Text: Manfred Sax / Foto Header: Adobe Stock

Gestern hatte ich wieder mal einen schweigsamen Tag. Du kennst ja das Problem. Schweige ein paar Stunden gemütlich vor dich hin, schon hast du den Salat. Früher konnte das heftig werden, ich hab es schon mal erwähnt: zwei schweigende Männer an einem Tisch? Perfekte Harmonie. Sitzt aber neben dir die Göttin, macht dein Schweigen sie unrund. Das übliche Missverständnis. Sie schweigt dich ja prinzipiell nur an, wenn sie dich strafen will. Wenn sie dich gern hat, beginnt sie zu reden und entlädt spontan ein paar tausend ihrer täglichen 24000 kommunikativen Signale. Sie will dich belohnen, du aber fühlst dich bestraft. So war das mal. Aber im Lauf der gemeinsamen Jahrzehnte ändern sich die Dinge.

Irgendwann naht die Zeit, da sich jeder Mann von der eintätowierten Dualität in seinem Organismus lösen sollte. Die Zeit, da mit diesem primitiven Frau-Mann-System und dem noch primitiveren Muschi-und-Zumpfi-Magnetismus, der dich mit einer stattlichen Anzahl von sauteurem Nachwuchs bereichert hat, obwohl du eigentlich nur Spaß haben wolltest, nicht mehr ganz so viel anzufangen ist. Die Meno­pause ist so ein Irgendwann. Und wenn du Menopause sagst, ist eines mal klar: Du outest dich als alter Mann, der bei etwas Pech – und welcher alte Mann hat das nicht – auch noch weiß ist.

Sie aber, die Göttin, ist noch immer ein verdammt attraktiver Cougar mit all diesen netten Dingern an den richtigen Plätzen, mit einem großartigen, wenn auch mitunter höher temperierten Arsch, der dich nächtens beim Spooning die Öde des Seins vergessen lässt, dank eines allmählich ermatteten Gehirns, dem die zum Denken erforderliche Durchblutung versagt, weil sich der rote Lebenssaft in den Süden des Nabels verabschiedet. Bekanntlich konsumiert der Penis das Elffache des üblichen Blutbedarfs, damit ihm eine Erektion widerfährt, die du in Wahrheit gar nicht brauchst, du willst ja nur diesen heißen Arsch an deinem Bauch, um friedlich ins Land der Träume zu gelangen. Aber sag das mal deinem saudoofen Ding.

Apropos heißer Arsch. Demnächst ist Herbst, daher diese ­Anmerkungen zur Menopause, sprich: Herbst des Lebens. Klar auch, dass sich beim männlichen Herbst eine sogenannte Andropause aufplustert, insbesondere die Prostata, die mitunter so fett wird, dass sie dich nächtens dreimal per Harndrang aus dem Schlaf reißt und zum Besuch des Badezimmers zwingt, wo jetzt in den Nischen von Hennabrocken bis hin zu Tuben und Dosen für Haut und Haar alle möglichen Sachen herumliegen, die am Etikett Verjüngung und Reparatur und soweiter versprechen, und selbstverständlich auch die Dosen mit den Kapseln gegen Zystitis, alles Mögliche, wie gesagt, nur keine Tamponpackungen mehr. Du frequentierst also die Toilette und presst dir ein paar spärliche Tropfen Urin raus und verfluchst die Prostata, weil der massive Harndrang mit dem letztlichen Resultat in keinerlei Zusammenhang steht, und das Dumme ist, dass du jetzt zum Einschlafen wieder den heißen Arsch am Bauch brauchst, der allerdings nur mitunter heiß ist, mit den menopausalen Hitzewallungen ist es ein wenig so wie mit einer automatischen Heizung, die sich alle paar Stunden mal von selbst einschaltet. Aber es gibt Wege, auf „manuell“ umzustellen, man fuchtelt ein wenig an der Göttin rum, bis sie aufwacht und dir ein paar geharnischte Flüche gönnt, das macht auch den Arsch wieder heiß. Check.

Foto: Adobe Stock

My Apologies, ich drifte schon wieder ins Biologische ab. Das ist einerseits Habitus, die Biologik der Hormone, die uns lebenslang allerlei Launen verpasst und zwar zwecks Überleben der Spezies einen soliden Zweck hatte, aber auch etwas beschränkt ist. Sie war auf lediglich zwei Geschlechtern aufgebaut (F-emale, M-ale), aber damit lässt sich heute keine Gesellschaft mehr basteln, du musst deinen Horizont erweitern. Also blätterst du zwecks Orientierung im neuen Vokabular, da finden sich jede Menge neuer Buchstaben: F, L, I, N, T, A, G, B, Q (1) zum Beispiel, nur leider kein M, also wirst du kurz mal unwirsch. Warum haben die Bastler der nunmehr sozialen Geschlechter kein M integriert, ich meine nicht für M-ann, das ist eh klar, aber warum haben sie kein M für Menopause integriert? Das ist eine total andere Befindlichkeit als jene, die hinter den obig erwähnten neuen Initialen stecken. Und langsam dämmert es: Weil sie keine Ahnung haben. Weil sie jung sind und mehr Gedanken als Erfahrung haben und die Macher der neuen Konzepte häufig nicht unter F zu finden sind. Wenn du sie fragst, ob sie L sind, kommen sie mit „bist du die Alternative?“ retour, was du eigentlich cool findest, aber in aller Wahrscheinlichkeit gibt es unter den Personen zu den neuen Geschlechtern viele, die alle vier Wochen mies drauf sind, weil sie sich gezwungen sehen, einen Tampon in ihre Mumu zu stecken, womit sie sich nicht identifizieren können, weil es sie an den ewiggestrigen OWM-Biologismus erinnert.

Aber jedenfalls glauben sie, mehr über die Menopause zu wissen als ich, der, so ist das Leben nun mal, eigentlich nur noch menopausale Fs und Ls kennt. Unlängst hatte ich Verkehr mit einer jungen F oder L, nein, nicht was du meinst, es war nur ein sozialmedialer Austausch. Vom Feedback her ist sie eine aufmerksame Leserin, wenn auch geistig auf einem anderen Planeten heimisch. Sie hat einen meiner Ergüsse gelesen und stieß sich an einer Stelle, wo von einer Frau die Rede war, die sich „als letztes Hurra“ vor der Menopause einen Seitensprung gönnte. Die Leserin zog daraus den Schluss, dass ich glaube, dass es nach Eintritt der Menopause keinen Sex mehr gibt. So war das „letzte Hurra“ natürlich nicht gemeint, da ging es vielmehr um die Tatsache, dass so ein Seitensprung kraft des spät getriggerten Hormonsalats nicht nur mental, sondern auch biologisch „verjüngt“, dass also die vorher nur noch selten auftretende Blutung wieder regelmäßig eintritt.

Anyway, beim Sex nach der Menopause eröffnen sich wider Erwarten neue, faszinierende Welten, die, bittesehr, jeder Mensch selbst entdecken sollte. Ich persönlich finde den Fetisch „blindfold“ großartig, da muss sie den alten Sack nicht sehen, und für ihn ist der Moment, wann er die falschen Zähne rausnimmt, nicht mehr so kritisch. Cunnilingus mit Gebiss erscheint mir etwas dumm. Aber der Rest – wenn das Optische weniger zählt, dafür Duft und Tastsinn ebenso erstaunlich wie erfreulich dominant werden – erweitert das Bewusstsein. Sex nach der Menopause ist schön. Alles andere erscheint mir vergleichsweise wie Kinderschänderei.


(1) F(rauen), L(esben), I(nter­person), N(icht-binär), T(rans), A(gender), G(ay), B(isexuell), Q(uestioning bzw. queer)