AKUT

Der Penisflüsterer

Sei froh, dass du ihn hast, denn bist du nicht froh, hast du ihn trotzdem. Und wer braucht schon negative Haltung? Sicher nicht er, der ein Leben lang mit dir ist. Es wird Frühling, und das hier ist ein Knigge zur Wellness deines Penis.

Text: Manfred Sax

Zunächst zu Ms Paltrow. Die Wellness-Queen ist überall. Soll heißen, ihre Vagina ist überall, via Kerze, die angeblich danach duftet. Ein Kassenschlager. Und da ist jetzt auch noch US-Musikerin Erykah Badu. Mit einem Parfüm, das sie Erykah’s Pussy taufte. Es gibt ­Vagina-Halsbänder, Vagina-Lippenstifte und sogar Vagina-Perücken online zu erstehen. Was ist da los? Warum sind plötzlich überall Vaginas? Nun, meint die Gynäkologin(1): „Es steckt viel Geld in vaginalem Schamgefühl.“ Viele Frauen fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut, sagt sie, halten ihre Vagina für „dirty“, nämlich wie „schmutzig“, nicht „dirty“ wie „guter Sex“. Das hat Ms Paltrow erkannt. Sie verkauft Wellnessprodukte, garniert mit dem Versprechen, dass sie Probleme lösen, die eigentlich nicht existieren. Nur: Die derart beglückten Frauen fühlen sich ­tatsächlich besser. Was wenig mit den Produkten zu tun hat. Aber mit den Vagina-Duftkerzen & Co kommt auch mächtig viel Information, die Vagina wurde Thema, es wird ausgetauscht und abgeklärt, das Schamgefühl verflüchtigt sich. Die Beziehung der Frau zu ihrem schönen Ding ist besser, Liebe nicht auszuschließen.

Somit zum Mann. Nein, Penis-­Duftkerzen machen kein Thema. Es gibt Unterschiede. Wie schon der Autor Markus Malloy in einem Essay („Warum Widerlinge nicht wissen, dass sie Widerlinge sind“) skizzierte: „Männer lieben Pussy, sie können nie genug davon kriegen. Sende einem Typen ein Pussy-­Pic, und er wird überwältigt sein. Und er nimmt an, dass sie ähnliche Gefühle hat, wenn er ihr ein Dick-Pic schickt. Er ist überzeugt, dass sie Dick-Pics ebenso liebt, wie er Pussy-Pics liebt.“ Tja, so kann man sich täuschen.
Im Hetero-Austausch läuft schon lange was schief. Selbstbewusste Heterofrauen wie die Facebook-Heroine J., die verdammt nette Dinge postet (z. B.: „Mein Lover hat sooo einen schönen Schwanz. Wie traurig, dass ich ihn nicht posten darf.“), sind rar, eigentlich gibt es sie nicht, sie sind bestenfalls Zukunftsmusik. Im Hetero-Austausch ist die Vagina cool, der Penis unten durch. Spreize in der U-Bahn deine Beine, um ihm Kühle zu gestatten, und das Man­spreading-Gezische setzt ein. Aber es gibt Parallelen. Ihre Vagina-­Scham lässt sich mit seiner Penis-Unsicherheit vergleichen. Die Beziehung des Mannes zu seinem Ding war schon mal enger. Es ist nicht mehr so, dass du geboren wirst, mit dem Finger in der Nase bohrst und der anderen Hand am Sack fummelst – und langsam größer wirst. Stattdessen reden Psychologen die Zeitungen mit dem „verlorenen Glauben an die Maskulinität“ voll, Mediziner deponieren, dass 43 Prozent der Männer sexuelle Probleme haben, und dann ist da auch noch der Dauerbrenner #Metoo; im gemeinsamen Nenner immer der Penis. Wie soll der passabel funktionieren? Anders gesagt: Vielleicht ist es ja so, dass er mal eine anständige Dosis Wellness braucht. Warnung: Im Folgenden wird der Penis mal so richtig verwöhnt und gepflegt und so weiter. Let’s go.

Der gepflegte Penis
Hygiene. Verwende zum Waschen der Intimzone warmes Wasser und milde Seife ohne Duftstoffe, die Haut in der Gegend ist empfindlich. Die Innenseiten der Oberschenkel brauchen ebenfalls ­Wasser, dort kann sich Schweiß ansammeln. Dann wasche den Penisschaft. Wenn du eine Vorhaut hast, zieh sie sachte zurück und wasche die so freigewordenen Stellen besonders gewissenhaft. Das verhindert eine Ansammlung von Smegma. Smegma ist schlimm, eine Evidenz für den sträflich vernachlässigten Penis, der sich denn auch bisweilen mit einer Eichelentzündung revanchiert. Grundsätzlich gilt: Der Penis hat nichts dagegen, täglich gewaschen zu werden.

Intimpflege. Manche Männer pflegen ihr Schamhaar, andere nicht. Spätestens mit den Metrosexuellen der Nullerjahre wurde es Trend. Bei Rasuren ist der Hauttyp zu ­beachten, das verhindert etwaige Ausschläge. Rasiere in die Richtung, die deine Haare einschlagen. Verwende Rasiergel und behandle mit einer Kortisoncreme nach, um Irritation zu vermeiden. Grundsätzlich gilt: Teile nie dein Rasiergerät mit anderen. Das gilt auch bei einem Trimmen der Haare für die Schere. Andere Methoden der Haarentfernung wie etwa das schmerzhafte Waxing werden hier nicht empfohlen, der Penis soll stets entspannt bleiben.

Penis-Wellness
Bleibe hydriert. Hydration ist auch für den Penis wichtig, es existiert ein Zusammenhang von Dehy­dration und erektiler Dysfunktion (ED). Zwei Liter Wasser sind das Mittelmaß. Beachte die Farbe des Urins. Ist er farblos, trinkst du mehr als genug, ist er dunkelgelb bis braun, liegt Dehydration vor.

Iss bewusst. Eine ausgeglichene Diät reduziert die Aussicht auf Diabetes und Herzkrankheiten; beide können ED verursachen. Nah­rungs­mittel wie Spinat und Avo­cados können den Testosteronspiegel und die Fruchtbarkeit verbessern. Die Schale des Apfels beherbergt Flavonoide, regel­mäßiger Genuss verringert die Aussicht, sich mit ED beschäftigen zu müssen.

Fitness. 20 Minuten Workout täglich können die Gesundheit des Penis verbessern.

Beckenbodenübungen. Diese werden zwar generell mit einer gesunden Vagina assoziiert, helfen aber auch dem Penis. Eine Studie an 55 Männern mit ED ergab, dass sich 40 Prozent von ihnen nach Beckenbodenübungen wieder ­normaler Erektionen erfreuten.

Sexercises. Nicht wirklich erstaunlich, aber richtig: Sex ist gesund. Er ist gut fürs Herz und mindert Stress- und Angstzustände. Sex stärkt das Wohlgefühl und stützt das Immunsystem. Vor allem ist Sex die natürlichste aller Drogen, weil er Testosteron (männlich) und Oxytocin (Liebe) und Dopamin (wunschlos) triggert, die begehrtesten Hormone. Die großartige Nachricht: Das funktioniert auch mit Masturbation, sofern dem Penis keine aggressive Behandlung widerfährt und die Psyche frei von etwaigen religiös bedingten ­Gehirnstürmen ist.

Das wär’s. Natürlich führt das Thema stets zu üblich verdächtigen Fragen, etwa: Wie wichtig ist die Penisgröße? Antwort: Ein Penis ist ein Penis, so wie Österreich ein Land ist; es mag klein sein, aber es hat eine große Geschichte. Oder: Können Angst und Stress zu ED führen? Antwort: Ja, aber viele der obigen Tipps helfen dagegen. Schließlich: Kann Pornokonsum zu Lustlosigkeit führen? Nun, so manche Studie zeigte, dass Porno bei männlichen Teenagern zu „sexueller Anorexia“, also Nullbock auf Sex führen kann. Aber generell ist es so, dass der Penis umso besser funktioniert, je mehr ihm Zu­neigung widerfährt. Eigentlich ­logisch, oder?