Mode

Heroin Chic

Christian Jandrisits

Unlängst schrieb die „New York Post“ voll Inbrunst „Heroin Chic is back“. Etliche Medien stürzten sich wonnig auf diese Schlagzeile. Um nicht ganz so ­mode-affinen Lesern auf die Sprünge zu helfen, hier die Definition des Heroin Chic!

Text: Alex Pisecker/Fotos: Getty Images

Anfang der 90er Jahre schickten Designer wie Alexander McQueen, Miu Miu, Marc Jacobs, Yves Saint Laurent etc. relativ ausgemergelte, androgyne, blasse Models mit dunklen Augenringen und strähnigem Haar über die Laufstege. Zur gleichen Zeit wütete von Seattle ausgehend der Grunge und dessen Galionsfiguren mit ihrem unersättlichen Appetit auf Heroin wurden zu Ikonen („kill your idols, die young“).

Dem gegenüber standen die aus den 80ern herübergeretteten, nach wie vor überaus gesund aussehenden Supermodels wie Claudia Schiffer, Linda Evangelista, „The Body“ Elle Macpherson, Cindy Crawford und deren ebenso atemberaubende Kolleginnen. Die waren jetzt auch nicht unbedingt fett, durften sich aber über schlanke, wohlgeformte Körper freuen. Nun befürchten besorgte Medien eine Rückkehr der extrem schlanken (manche nennen sie Hungerhaken) Models auf die Laufstege. Wobei sie sich immer dort aufgehalten haben, bis auf einige Vorzeige-Dickerchen, die man zur Gewissensberuhigung in den letzten Jahren mitlaufen ließ. Woher die nervenzerfetzenden Ängste vor dünnen Models kommen, die sich in gewissen Abständen langsam und schmerzhaft wie rheumatische Arthritis wiederholen, ist mir persönlich allerdings ein Rätsel.

Betrachtet man die Zahlen über Fettleibigkeit gemäß Statistik Austria, so sind in Österreich 3,7 Millionen Menschen über 15 Jahre übergewichtig und rund 17 Prozent von ihnen leiden schon unter Adipositas. Bereits im Alter von acht Jahren sind jeder dritte Bub und jedes vierte Mädchen übergewichtig oder adipös. Absolute Spitzenreiter in diesem Segment sind jedoch Mexiko und die USA mit einer Übergewichts- bzw. Fettleibigkeitsrate von etwa 75 bzw. 74 Prozent. Nun frage ich mich, woher die Aufregung kommt, scheint der ­Einfluss der Hungerhaken (via Werbung aber auch Social Media) auf die Menschheit doch relativ gering zu sein in Anbetracht dieser Statistiken.

Ebenso ist mir noch nie zu Ohren gekommen, dass sich ein medialer Shitstorm auf Grund untergewichtiger Schispringer – auch sie haben Vorbildwirkung – ­entwickelt hätte. In dieser Branche erscheint „body positivity“ eher unvorteilhaft, eventuell gefährlich zu sein. Man stelle sich ein die Schanze hinunter preschendes Pummelchen vor, das am Ende des Schanzentisches, anstatt sich elegant in die Lüfte zu erheben, einfach in die Tiefe purzelt. Unschön und schmerzhaft. Was sagt uns das? Es gibt einfach Berufe, die Schlankheit voraussetzen. Mode definiert sich über stetige Veränderung – in allen ihr zugehörigen Bereichen, wer das nicht anerkennt, versteht Mode nicht –  und Schönheit sowie Schlankheit, wie immer man sie interpretiert, sind ihr Währungssystem.

Alex Pisecker Fashion is her Profession. Sie kolumniert im WIENER, dem Journal des ­Luxus und der Moden