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Götz Schrage: Der Muskulateur, der Schmächtige und ich!

Christian Jandrisits

Götz Schrage ist seit neuestem für ein Waffenverbot. Aber für eines mit besonderer pro-Schrage-Staffelung. Dann könnte er auch endlich gefährlich sein. Dann ist Schluss mit lustig.

„Lustiger, steig wieder ein aber gschwind!“ – Ich bin nicht lustig! Ich wollte das niemals sein und jetzt besonders gar nicht. Ich will lieber gefürchtet sein! Quasi forever gefährlich. Aber ich bin dann doch eingestiegen in mein Auto wie ein verdammter Verlierer. Immerhin ein unlustiger Verlierer wie ich meinen darf. Alle haben gehupt und allen konnte ich nicht erklären, was ich dem Mutigen erklären wollte. Älter werden ist sowieso nix für Feiglinge, aber dass die Jungen den Respekt verlieren, trifft mich doppelt. Hätte ich was zu sagen, gäbe es ein gestaffeltes Waffenverbot. Zum Beispiel keine Messer für Männer unter 30 (für Ausländer sogar bis zum 50er verboten). Und danach lockert es sich mit jedem Geburtsjahr. Ich bin 62 und dürfte bereits eine Menge haben. Ohne Eignungstest, einfach per Geburtsurkunde. Da würde sich der Mutige dann denken: Oida, der ist älter als sein Auto. Da bin ich jetzt lieber nicht frech! 

Früher, wie man noch Respekt vor mir hatte, waren wir meist zu dritt unterwegs. Insbesondere wenn es brisant wurde. Wenn wir irgendwo hin mussten, um irgendwem irgendwas wegzunehmen, wo wir meinten, dass es uns gehöre. Oder, was viel häufiger vorkam, wir was wem erklären mussten und ich war der beste Erklärer von allen. Ich konnte so gut erklären, dass die Menschen immer ganz begeistert schienen. Außerdem war ich ja nie allein, wenn wir in ein Lokal gegangen sind und wir dem Wirten erklären mussten, dass er das Geld bezahlen muss, was er bei uns in den Automaten geworfen hatte, weil es dann nicht mehr sein Geld war, sondern unseres, dann schienen die immer richtig dankbar, dass das jemand so gut erklären konnte, wie ich damals. 

Überhaupt erzähle ich gerne von den wilden Zeiten, weil das hören die Menschen gerne.
Obwohl ich mich da auch oft nicht mehr so genau erinnere. Es ist einfach so viele Jahre her, wie mir alles egal war. Jetzt wo mir so viel recht wichtig ist, will man sich gar nicht vorstellen, was alles hätte passieren können. Immerhin war ich niemals dabei, wenn geschossen wurde. Das hätte ich mir gemerkt, weil ich sehr lärmempfindlich bin. Ich habe sicher hundert Waffen gesehen und ich habe auch gesehen wie jemand eine Waffe gezogen hat und ich stand auch schon vor einer. Aber geschossen wurde nie, weil das hätte ich nie vergessen.

»Mir ist in mehr als zehn Jahren nichts passiert. Abgesehen von zwei Niederschlägen, einer
Magnum vorm Bauch, einem Messer an der Brust und einer posttraumatischen Belastungs-störung.«

Götz Schrage

Geholfen hat mir auch immer die Begleitung. Direkt hinter mir der Muskulateur für alle Fälle. Der konnte wirklich was mit den Fäusten und das wussten alle, deswegen musste er das niemandem beweisen. Mich hat er einmal geboxt aus Freude, weil der Andi Herzog in der vorletzten Minute ein Freistoßtor geschossen hat. Ich glaube, es war gegen Israel und es war ein wichtiges Tor. Jedenfalls schmerzt die Stelle immer noch an regnerischen Tagen und deswegen weiß ich, dass der wirklich was gekonnt hätte für den Fall der Fälle. 

Und zuletzt der Schmächtige mit dem traurigen Gesicht und der halbkurzen Lederjacke als dritter im Team. So eine Jacke wie Waffenträger sie gerne tragen, dass sie schnell hinlangen können, wenn sie müssen. Nur der Schmächtige hatte meist keine Waffe, nur den traurigen Blick und den Abstand von zwei 7er BMWs in der Langversion, damit er nicht denen in den Rücken schießt, auf die er aufpassen soll. 

Wobei, passiert ist praktisch nie was. Mir ist in mehr als zehn Jahren nichts passiert. Abgesehen von zwei Niederschlägen, einer Magnum vorm Bauch, einem Messer an der Brust und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Aber wie gesagt, letztlich ist nichts passiert, weil wir in so einem sicheren Land leben und überhaupt, das mit den Gefahren ist so wie im Urwald. Dort ist es ja eigentlich ja auch fad. Keine wilden Tiere oder so. Die meisten Menschen im Urwald sterben wahrscheinlich ja an Langweile. Die Touristen meine ich. Die sehen original absolut nichts und fahren dann nach Hause und erzählen vom Yeti, den wilden Nashörnern und den Tigern, die versucht haben die Autotür aufzubeißen. Alles garantiert völlig frei erfunden, weil wenn man drei Tage im Urwald ist, sieht man gar nichts. Absolut nichts. Natürlich wenn man zehn Jahre oder länger im Urwald wohnt, so wie ich einst in den Nächten der Stadt, dann passiert einem alles. Wenn mir jemand erzählt, der zehn Jahre im Urwald gelebt hat, dass ihm eine Giraffe den Penis abbeißen wollte, dann glaube ich das dem Mann. Schon aus Respekt. 

Ich würde jetzt im Alter wieder gerne zurück ins Erklärgeschäft. Dem frechen, jungen Mann von dem ich in der Einleitung schrieb, wollte ich einfach das Reißverschlusssystem erklären. So in den Grundzügen, und dass mein Blinker keinem Gesuch auf Gnade entspricht, sondern dass ich ein Recht auf den Spurwechsel habe. Und dass ich ihm, wenn er nochmals hupt, die Händen brechen könnte, es aber nicht tun werde, weil ich es meiner Mutter und meiner Freundin versprochen habe. All das würde ich gerne erklären, aber ich habe kein Team mehr. Der Muskulateur lebt nicht mehr und der Schmächtige mit dem Waffengesicht und der halbkurzen Lederjacke hat eine Freundin und die lässt ihn Abends nicht mehr raus.

Also wenn Sie über genügend Freizeit verfügen und bei diesem Projekt dabei sein wollen, bewerben Sie sich bitte beim WIENER, Kennwort: „Erklär-Team Reissverschluss“ und schon sind Sie dabei. Ich freue mich auf Sie. 

PS: Nur bitte nennen Sie mich niemals „Lustiger“. Es wäre nicht das erste Versprechen, das ich gebrochen hätte und nicht die erste Hand (doch davon ein anderes mal mehr in einer anderen Kolumne. Außerdem muss ich die Verjährungsfrist überprüfen. Danke für Ihr Verständnis). 


Götz Schrage war bis vor Kurzem exklusiv am Zweirad unterwegs. Nach einem Unfall, bei dem er bewusstlos auf der Gumpendorfer Straße gefunden wurde, hat er als Spätberufener den B-Schein gemacht. Die Ärzte meinen, es gäbe keinerlei Folgeschäden nach dem Unfall. Wir von der Redaktion sind uns da nicht so sicher.