AKUT

Die Osso Collo Diät – Fatty George und die blondierte Kardiologin

Christian Jandrisits

Götz Schrage war bis vor Kurzem exklusiv am Zweirad unterwegs. Nach einem Unfall hat er als Spätberufener den B-Schein gemacht. Die Ärzte meinen, es gäbe keinerlei Folgeschäden nach dem Unfall. Wir von der Redaktion sind uns da nicht so sicher. (Kolumne WIENER Frühling 2023)

Die Kardiologin färbt sich die Haare blond. Vielleicht soll das die Patienten beruhigen. Mich beruhigt das nicht und Zimmerfahrräder machen mir immer schon Angst. Zimmerfahrräder sind ein wahr gewordener Albtraum. Man versucht den Verfolgern zu entkommen, aber man bleibt am selben Ort kleben. Angeblich hat sich noch nie jemand elektrisiert an diesen Elektroden, die sie mir vorher an die Brust geklebt hat, aber einmal ist immer das erste Mal. Und wenn etwas schon Elektrode heißt, muss es gefährlich sein, sonst hieße es ja anders. Soweit kenne ich mich aus. Überhaupt ist das alles lächerlich. Für einen Belastungspuls brauche ich kein Zimmerfahrrad. Für mich genügt ein weißer Mantel und eine blondierte Kardiologin und ich bin so unfassbar belastet. Sie bräuchte mir nur die Dinger an die Brust kleben und messen. Das nächste Mal werde ich Gummistiefel tragen. Mit Gummistiefeln fühle ich mich dann halbwegs sicher wegen der Elektrizität und so. Sie verstehen mich sicher. 

Götz Schrage

Wir müssen reden. Die Kardiologin will reden. Ich muss. Davor hat sie mir noch Blut abgenommen. Das letzte Mal hat mir ein Zivildiener Blut abgenommen, der sah so aus, als würde er alle zehn Minute eine Crack-Pfeife rauchen. Der hat das jedenfalls besser gemacht. Doch ich reiße mich zusammen und höre zu: „Sie sind übergewichtig und über sechzig, da müssen wir jetzt was tun. Bewegung, Diät und das Bauchfett muss weg.“ – MOMENT! Was redet die da? Ich bin nicht über sechzig? Ich bin zweiundsechzig! Das ist gerade mal eben sechzig und nicht über. Und apropos „über“. Ich bin gewichtig, sonst hätte ich keine 5000 besten Facebook-Freunde, aber sicher nicht „übergewichtig“. Wenn ich dusche, dusche ich nackt. Und wenn ich vor dem Duschen auf die Toilette gehe und meine Goldkette ablege, muss ich mich nur noch leicht nach vorgebeugt auf die elektronische Superwaage stellen und solange den perfekten Winkel suchen, bis da 99,8 Kilo steht. Und ein Mann, der quasi zwei Meter groß ist, kann wirklich kein Gramm weniger wiegen, ohne als zaundürr zu gelten. Und zaundürr wollte ich wirklich noch nie sein. 

Der Fatty George ist dann auch bald gestorben. Wahrscheinlich hatte er ein paar Nüsse in den Taschen seines letzten Hemdes.

Götz Schrage

Männer brauchen keine Diäten. Dicke Männer fangen keine Weltkriege an. Wie ich jung war machten nur Frauen Diäten. Schon wegen den Bikinis und der Twiggy. Männer mussten Geld verdienen und Autofahren können. Nur Eintänzer, Gigolos und Heiratsschwindler achteten auf ihren Körper und vielleicht Homosexuelle. Aber, wie ich jung war gab es in Wien keine Homosexuellen. Nur in Italien und Griechenland vielleicht. Bei uns nicht! Frauen machten die BRIGITTE-Diät. Jedes Jahr eine andere und jede Diät verteilte sich über ein paar Hefte, weil die Verlage ja auch Geld verdienen mussten. Männer lasen Playboy, Praline und die WIWO (Wiener Wochenblatt) und da gab es garantiert keine Diäten, dafür aber Frauen in Bikinis (und ohne Bikinis). Warum ich das so genau weiß, weil ich ab der Pubertät heimlich alle drei Magazine auf Diäten kontrolliert habe. Erfolglos. 

Irgendwann saß dann Fatty George bei uns in der Küche und aß Osso Collo und weil er gar so blaß aussah, machte ihm meine Mutter ein Spiegelei. Was anderes durfte er nicht essen, außer ein paar Nüssen, die er in der rechten Sakkotasche verwahrte. Fatty George machte eine Diät beim angesagtesten Internisten der Stadt. Ein paar Wochen später waren wir dann zu einem Fest in einem dieser renovierten und schicken Landhäuser eingeladen. Alle hatten von früh bis spät ein Achterl Weißwein in der Hand, nur am Küchentisch saß ein prominenter Wiener Architekt und aß Nüsse mit Osso Collo und alle wussten warum. So hipp war diese Diät. Später ist er dann umgefallen am Weg zur Toilette und wir sind dann mit Tempo nach Oberwart ins Spital gefahren. Gleich mit mehreren Autos im Konvoi nur wegen diesem einen Architekten. Vielleicht weil er so prominent war? In Oberwart hat das mächtig Eindruck gemacht, wie wir da mit einem Jaguar, einem Bentley und anderen solchen Autos vorfuhren. Der Primarius selbst hat dann alle Untersuchungen vorgenommen und den prominenten Architekten am Ende mit dem fachärztlichen Rat: „Essen Sie am besten gleich eine Semmel“, entlassen. Dann ging es ihm wieder gut dem Architekten und ab dann hatte er in der linken Hand eine halbe Semmel und in der rechten ein Achterl Weißwein so wie alle. 

In den Kreisen der Wiener Innenstadt hieß die Diät dann bald die „Mörder-Diät“ und niemand mochte mehr zu diesem Arzt gehen. Der Fatty George ist dann auch bald gestorben. Wahrscheinlich hatte er ein paar Nüsse in den Taschen seines letzten Hemdes. Nur der Architekt wurde glücklich und uralt und das habe ich auch vor. Für die Zukunft möchte ich gerne gerade stehen können und die Goldkette anbehalten, wenn ich mich wiege. Sonst plane ich den Besuch eines Fitnesscenters, aber man soll nichts übereilen denke ich mir.  Ich würde mir ja ein Zimmerfahrrad kaufen und alleine daheim trainieren. Nur vor Zimmerfahrrädern fürchte ich mich, wie bereits erwähnt.