AKUT
Das Glück im Penthouse
Die Wiener SPÖ lässt sich am liebsten von den Reichen loben.
Seit Ende Februar ist es wieder einmal amtlich: Nirgendwo auf der Welt lebt man besser als in Wien. Das internationale Beratungsunternehmen Mercer hat diesen glücklichen Umstand nun schon zum achten Mal in Folge festgestellt. Wien ist quasi der Marcel Hirscher unter den Hauptstädten. Ein Seriensieger, der die Konkur- renz nach Belieben demütigt.
Natürlich freut das jene Partei ganz besonders, die seit Menschengedenken bestimmt, was in Wien zu geschehen hat und das Ergebnis deshalb persönlich nehmen darf. Funktionäre der Wiener SPÖ können kein Gespräch führen, ohne auf die schier unpackbare Lebensqualität in der Stadt hinzuweisen. Mercer! Total objektiv! Schon so lang Platz eins! Und samma si ehrlich: Stimmt! Dabei wissen alle Beteiligten, dass Mercer nur untersucht, wie es ins Ausland entsandten Mitarbeitern internationaler Konzerne so geht. In aller Regel sind das hoch bezahlte Topmanager. Beurteilt wird also der Wohlfühlfaktor einer Bevölkerungsgruppe, für die der ideologisch sattelfeste Wiener Genosse am liebsten den Terminus „G’stopfte“ verwendet. Aber macht ja nix. Werbung ist wichtig. Sind die Geldsäcke in ihren Penthäuseln wenigstens für irgendwas gut.
Ganz normale Wiener können die von oben verordnete Wellness nicht uneingeschränkt nachvollziehen. Bestimmt hätte man es mit dem eigenen Lebensmittelpunkt schlechter treffen können. Aber der satten Selbstzufriedenheit im Rathaus widerspricht die Realität mitunter doch gewaltig. In Wien gebe es, anders als in den meisten Millionenstädten, keine No-go-Areas, heißt es beispielsweise. Mag sein. Ein abendlicher Spaziergang in der Gegend rund um den Praterstern ist sensiblen Gemütern trotzdem nicht zu empfehlen. Auch die Shoppingmeile für den besonderen Bedarf an der U6 sollte beim Ausflug mit dem Firmkind lieber gemieden werden.
SPÖ und Grüne sind sich ei- nig, dass die Privatwirtschaft mit Vorsicht zu genießen ist. Solange das Rathaus steht, wird es deshalb nie zu einer Privatisierung der Müllabfuhr oder ähnlich sensibler Bereiche kommen. Bei der Betreuung kleiner Kinder kann man nach Meinung der Stadtchefs nicht so viel falsch machen wie beim Altpapier, weshalb das Kindergartenwesen zu großen Teilen in privater Hand ist. Wie viele kernige Islamisten unter den Betreibern sind, soll jetzt eine Studie klären. Auch Wiens islamische Schulen werden demnächst von einer Kommission untersucht. Es sei aber ganz bestimmt alles in Ordnung, hofft man im Stadtschulrat.
Dabei sind Morgengebete in Richtung Mekka nicht einmal das größte pädagogische Problem. Wer seine Kinder in eine ganz normale Wiener Volksschule schickt, sollte sich nicht vorschnell darauf freuen, dass sie ihm eines Tages im Altersheim die Zeitung vorlesen werden. Exotische Fertigkeiten wie Lesen und Schreiben lernen Schüler in Wien noch schlechter als anderswo in Österreich. Man könnte jetzt noch mit dem Millionengrab Krankenhaus Nord anfangen, mit den explodierten Schulden der Stadt, der Rekordarbeitslosigkeit, der Ghettobildung in einigen Bezirken oder den unanständig hohen Ausgaben für die Selbstbeweihräucherung. Aber lassen wir das. Den Managern gefällt es in Wien. Das ist die Hauptsache.
Die Tirolerin lebt seit 20 Jahren in Wien und arbeitet als Redakteurin für „Profil“. Privat reist und sportelt sie gerne.