Film & Serie
Die Kinder der Toten pubertieren
Der steirische herbst konnte in diesem Jahr mit einem Monsterprojekt aufwarten: Mit einer performativen Auseinandersetzung mit Jelineks (anti-)heimatlichem Horror in „Die Kinder der Toten“.
„In unserem ersten Gespräch meinte sie: ,Dieses Buch hat mein Leben gerettet.’ Das ist einer unserer Leitsätze für diese Arbeit geblieben. Wie kann so ein Film bzw. die Arbeit mit dem Publikum unser Leben retten?“
Obwohl das zur Zeit der Planung des Programms für den steirischen Herbst kaum bis gar nicht abschätzbar war, so gibt es wohl keinen besseren Zeitpunkt als diesen Herbst, um sich mit Elfriede Jelineks Roman „Die Kinder der Toten“ auseinanderzusetzen. So geschehen in der Obersteiermark, wo Jelineks 666 Seiten starker Roman durch das amerikanische Performance-Kollektiv Nature Theater of Oklahoma filmisch-performativ inszeniert wurde. Was also vorher „nur“ geschriebenes Wort war, wurde im Zuge dieses Projekts zu einer performativen Angelegenheit, bei der das Publikum nicht nur angesprochen werden soll, sondern in der Interaktion mit den Künstlern auch Antworten liefern kann. Die Kinder der Toten sind älter geworden, pubertieren, wollen mehr sein als ein Roman und stellen Fragen an die Gesellschaft iM Jahr 2017. Worum es in Jelineks Roman eigentlich geht: Ausgelöst durch einen Busunfall in den Bergen suchen die Opfer der österreichischen und europäischen Geschichte das Land als Untote heim. Das Performance-Kollektiv begibt sich für ihre filmisch-performative Auseinandersetzung mit dem Roman an die Originalschauplätze des Romans um dort ihre öffentlichen Dreharbeiten durchzuführen. Schauplatz des (anti-)heimatlichen Horrors war also für knapp einen Monat Neuburg an der Mürz und umliegende Regionen. Mit Jelineks Zustimmung durften sich die Künstler Kelly Copper und Pavol Liska dafür all die von ihnen eingeforderte Freiheit nehmen. Der Spielfilm selbst wird von Ulrich Seidl produziert und soll 2018 in die Kinos kommen.
Dass Jelinek ihrem Roman genau für das Neuwahl-Jahr 2017 freigegeben hat, mag natürlich purer Zufall sein, kann aber jetzt, nachdem sowohl die Wahl als auch der steirische herbst vorbei sind, als starker Kommentar zum mutmaßlichen Ergebnis der mutmaßlichen Koalitionsentscheidung verstanden werden.
Der steirische herbst fand von 22.9. bis 15.10. statt. Hier wird es auch in Zukunft noch weitere Informationen zum Kinder der Toten-Projekt geben.
Fotos © Ditz Fejer