AKUT

Positive Vorausschau

Heidi List

Um aus dem Nähkästchen zu plaudern: Für die Kolumnen bekommen wir ein gewisses Briefing. Also, es heißt, das Thema des Heftes ist irgendwas mit „Männer“, und schön wäre eine Kolumne mit einem positiven Ausblick. Das ist jedes Mal das Briefing. Jedes Mal. Schöner Ausblick. Nur das letzte Mal war es ein wenig anders. Da ging’s so: „Das Thema ist irgendwas mit Männern, und schön wäre ein Kolumne mit posi… ach, vergiss es.“ Also gut. Es ist eine sehr gute Zeit für einen positiven Ausblick. Man wird nämlich noch in diesem Jahr herausfinden, wie man eine Brille über einer FFP2-Maske aufsetzt, ohne dass die anläuft. Auf das kann man sich schon einmal freuen. Weiters wird’s wärmer, also so, wie es seit Jahrmillionen wärmer wird, weil Frühling ist, also ganz ohne schlechtes Gewissen wegen Klima und so. Wir können dann herumgehen und so tun, als ob wir ohnehin herumgehen wollen, und nicht auf Krampf spazieren gehen, damit wir nicht völlig einrosten, so wie im Winter. Man kann barfuß in eine Wiese hineinsteigen und es kurz fast nicht aushalten, wenn die Grashalme durch die Zehenzwischenräume kitzeln.

Wir werden wohl heuer den neuen James Bond endlich sehen. Und eine vierte Staffel „Stranger Things“ kommt. Okay, ich habe keine einzige Folge gesehen, aber damit kann ich vier Staffeln durchbingen, wenn ich wollte, wie gut ist das! Theater machen vielleicht auf, man kauft sich auf einmal mehrere Abos, und es ist egal, ob man das ausnutzt, man könnte ins Theater gehen, weil die haben offen wie in einer normalen Welt. Und der Trump ist weg. Und wer weiß, vielleicht wird er’s schwer haben. Oder gar ins Gefängnis müssen. Wir werden Konzerte sehen. In echt. Vielleicht stehen wir dafür am Shopping-City-Parkplatz oder sonst auf einem Acker mit 20 Meter Abstand – aber irgendwo wird eine Band spielen, und wir werden grölen. Wir werden wo hinfahren. Wenn es nicht das Meer ist, dann vielleicht an ­einen See. Oder zumindest durch den Liesingbach waten. Es wird warm sein, und man wird Getränke aus dem Supermarkt dabei ­haben. Viele von uns haben auf einmal Hunde. Macht die Welt auf jeden Fall besser.

Auch positiv: Ein paar Leute könnten sich impfen lassen, die das vorher gar nicht wollten. Jeder hilft. Jeder Einzelne verkürzt die komischen Zeiten. Unsere Omas und Opas können auf ­einmal zoomen. Das werden wir beibehalten. Das heißt, man kann sich davor drücken, wirklich jeden Sonntag nach Dings zu gurken, sondern nur mehr alle zwei Wochen, dafür öfter virtuell reden. Nein, das wird nicht gehen, also doch jedes Wochenende hinfahren, dort gibt es Essen, das man nicht selbst zubereiten muss.

Bald können wir uns über Frisuren lustig machen, weil sie ganz für sich scheiße sind und nicht, weil die Frisöre zu haben.

Manche von uns werden jemanden kennenlernen, und nach drei Skype-Dates, zwei PCR-Tests und noch mal zwei Schnelltests zur Sicherheit wird man vielleicht wen küssen. Wen wildfremden. Positiv: Es kann der schlechteste Küsser der Welt sein, es wird trotzdem aufregend sein. Als Person mit Ausfassen von vielen kindlichen Hausarresten kann ich vermelden: Jede Erleichterung, jede Lockerung wird sich anfühlen, als ob ­jemand ein bisschen mehr vom Fuß runtersteigen würde. Und wie beim Hausarrest wird man kaum was gelernt haben oder etwas eingesehen, aber man ist froh, dass es vorbei ist oder zumindest einfacher, und dieses Glückgefühl wird groß sein und Kraft geben, und man wird wieder Lust haben, die Scherben aufzusammeln, zu kitten und neu anzufangen. Oder halt „Stranger Things“ zu schauen, weil man will, nicht weil man zu viel Zeit hat. Ist positiv.


Heidi List
Wenn sie nicht liest oder Musik hört, arbeitet die zweifache ­Mutter selbstständig als Kommunikationsmanagerin und freie Autorin.