Essen
C’est Poldiefique!
Der Kontrast zwischen dem wenig mondänen Ende der Taborstraße und französischer Küche hat seinen Charme: Im „Poldie“ hat man keine Angst vor Rustikalem und versteht sich auch auf alles, was aus dem Meer kommt.
Text: Roland Graf / Fotos: Brasserie Poldie
Lokalkritiken sind wie Dark Room-Erfahrungen und Theaterabende eine höchst subjektive Sache. Das stellen wir an den Beginn, denn in diesem Falle ist schwerlich Objektivität zu erwarten. Erstens steht in der Leopoldstadt, hart an der Doppelhaltestelle „Am Tabor“, Sebastian Slavicek in der Küche. Mit dem wir uns vor vier Jahren eine Kochsession im „Goldfisch“ lieferten, deren Bild-Dokumente die Nachwelt immer noch glauben lassen, dass ihr WIENER-Schreiber der Haubenkoch am Bild war. Fisch kann man also nahezu blind bestellen. Im Falle des Tagesangebots (Lachs von den Färöer – ein „Hickersberger-Gericht“ quasi) stammt der Garpunkt aus dem Lehrbuch der Fischfilet-Küche, die Beurre Blanc dazu führt uns zum zweiten Grund der dezent angeschlagenen Objektivität.
Denn mit einigen französischen Dingen macht man wenig falsch: Die wunderbare Sauce gehört ebenso dazu wie „Moules frites“ und eine gute Landpastete. Und was soll man sagen? In Christina und Reinhold Six Lokal gibt es glatt beides, zumindest in einem Monat mit „R“. Doch auch die „Terrine de Campagne“, die auf der Karte steht, zeigt, wie man sich hier der Bistroküche annähert.
Nämlich ohne Kompromisse. La joie, die Freude, beginnt aber schon beim Gedeck. Einen Elsässer Guglhupf mit Schinken muss man mal als „leichten“ Starter hinstellen. Dazu kommt mit Salzbutter und der erstaunliche leichten Kürbiskernbutter auch eine Leberpaté zu Tisch. Sie ist nahezu „nature“, ohne Süßwein oder Gewürz-Mix zur Lieblichkeit entstellt worden zu sein. Das muss man mögen, aber wenn man es mag, dann aber „allô!“, wie der Franzose sagt.
Wenn schon angepasst wird, dann dort, wo etwas vorschmecken könnte, etwa beim Muschelsud, der weder zu säurig ausfällt (wie so oft), noch von Zwiebeln lebt. Cremig ist er und Kräuter-reich, reden wir nicht drum rum: Der wird mit einem Extralöffel aufgeschlabbert bis zum letzten Tropfen. Was man auch von der Mayonnaise behaupten kann, die so harmlos im kleinen Tiegel zu den schulmäßigen Pommes aufgetragen wird. Die satte Creme, leicht orangenfruchtig, löst sich kaum vom Portionslöffel. Diätküche ist das keine, doch das erwartet auch keiner. Dafür bekommt man hier auch eine feinst faschierte Lammwurst mit Thymianjus, den man sich im Fünf-Liter-Kanister zum Mitnehmen wünscht.
Schlank hingegen sind die Weinpreise, wenn man weiß, was hier auf der Karte steht. Champagner-Freunde werden Eric Rodez ebenso finden wie den „Vénus“ von Agrapart. Glasweise beginnt das Prickeln bei 9,50 Euro – und dann hat man auch den wunderbaren Tarlant-Champagner im Glas. Ungewöhnlich ist die große Saft-Auswahl, die ähnlich gut kuratiert wurde wie die Weinkarte (Reinhold Six war lange Sommelier). Dass im Hintergrund „Je ne veux pas travailler“ als Soundtrack läuft, ist dann fast schon zu viel des Guten.
BRASSERIE POLDIE
Navigiere zu: Taborstraße 81, 1020 Wien, Dienstag-Samstag 17-23.30 Uhr (Küche bis 23 Uhr),
www.poldie.wien
Preise: Eine intensiv-samtige Bouillabaisse (16 Euro) kann man sich zum Start gönnen. Der Tagesfisch kommt auf 28 Euro, die Crêpes Suzettes samt Kürbiseis kommen auf acht Euro.
Pflicht-Kauf: Die Lammwurst auf Püree und einem aberwitzig dichten Jus (19 Euro) macht froh. Die rustikale Terrine (14 Euro) ist ebenso Frankreich pur wie die Muscheln (wenn sie Saison haben).
Ideal für: Wer auch nur ein bisschen mit französischer Bistroküche sozialisiert wurde, wird das „Poldie“ mögen. Der Garten ist ein Juwel und macht mit einem Flascherl Schampus auch Freude.
LEISTUNGSKOEFFIZIENT: 88
PREISBAND: 89