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Formula 1 Ausstellung in Wien: Motorsport, keimfrei.

Franz J. Sauer

Noch bis Mitte Juni läuft in der Wiener Metastadt „Formula 1 – die Ausstellung“. Motorsport-Enthusiasten von klein bis groß bietet sich dort eine Multimedia-Show über die Königsklasse des Automobilrennsports. Schmutzig macht sich dabei allerdings keiner.

Klingt das jetzt ein bissl nach Kritik? So ist das nämlich null gemeint. Aber Sie müssen verstehen: Der Autor dieser Geschichte stammt noch ein bissl aus einer Zeit, als das Fahrerlager beim GP in Zeltweg (ja, so hieß das damals) einem mitteljugoslawischen (ja, so hieß das damals) Campingplatz glich. Zwar waren jene heißen Zeiten, in denen bei gefühlt jedem zweiten Rennen ein Formel-1-Pilot zu Tode kam, gottlob auch damals schon vorbei. Aber trotzdem: Mit der klinischen Keimfreiheit, die man heute bei einem Grand Prix beobachten kam, hatte Bernie Ecclestones großer Zirkus nichts gemein.

Zum Beispiel: Fiel ein Auto in den 1980er-Jahren aufgrund eines Defektes aus und rollte neben der Strecke aus, dann blieb es dort einfach stehen, ohne dass sich das restliche Starterfeld hinter einem Safety-Car aufzufädeln hatte, bis die gesamte Strecke wieder klinisch sauber war. Die gesamte Meute wetzte einfach den Rest der Renndistanz an der kaputten Karre vorüber, während der enttäuschte Pilot derselben entlang der Gartenzäune, welche die Zuschauer vom Renngeschehen trennten, zurück zur Box ging und Autogramme gab.

Erst ab anfang der Neunziger zogen die Drehkreuze ein in der Formel 1. Wurde das Renngeschehen hermetisch abgeriegelt, wurden die Fans in Zuschauer, VIPs, Super-, Golden-, Platin-, oder sonst wie VIPS eingeteilt. Ab 1993 war das Safety-Car Vorschrift, 2021 entschied es unmittelbar eine WM. Und im Jahr 2019 erschien die Netflix-Serie „Drive to Survive„, die parallel zu den Sportübertragungen an den Rennwochenenden einen hautnahen, aber doch filmisch-fiktiven Zugang zum Geschehen der Formel 1 bot.

Und spätestens mit der Live-Soap rund um das derzeit sportlich überlegene Red Bull Racing-Team zum heurigen Saisonstart, wünscht man sich ein bissl mehr Heinz-Prüller-Romantik und Pulverdamp-Atmosphäre zurück in eine steril gewordene Motorsport-Welt, die nicht nur optisch einem Operationssaal gleicht, sondern auch inhaltlich immer mehr zur Schwarzwaldklinik verkommt …

Wünscht „man“ sich derlei zurück oder bin es vielleicht doch nur ICH, der das gerne hätte? Ein etwas differenzierter Blickwinkel ist angezeigt. Den ich mir hole, indem ich meine 17jährige und extrem Formel-1-begeisterte Tochter dazu einlade, mit mir „Formula 1 – die Ausstellung“ in der Wiener Metastadt zu besuchen. Sie ist keineswegs aufgrund väterlicher Einflüße Fan der Formel 1, eher im Gegenteil. Eine größere Gruppe ihrer MitschülerInnen ist ebenso begeistert bei jedem GP dabei, wie sie. Man hat eigene WhatsApp-Gruppen, tauscht sich aus, kennt sich aus. Was das aktuelle Reglement betrifft ist mir Lilly hoch überlegen (dafür kann ich alle Weltmeister bis 1950 auswendig aufsagen, auch nicht nix, wie ich finde …). Es braucht also nicht viel Überredungskunst, mich zu begleiten. Womit wir nun endlich zur Ausstellung an sich kommen.

Headset-Ausgabe am Eingang. Zwischen Nikis Augen.

Man muss es dem F1-Management der Post-Ecclestone-Ära hoch anrechnen: Liberty Media hat die Formel 1 aus der Zielgruppe der benzinschwangeren, älteren Herren wieder in wesentlich hippere, jüngere Fahrwasser gehieft. Und ob das „wieder“ hier passend ist, weiß ich auch nicht so recht. Ich meine: Die Formel 1 hatte ihre Fan-Gemeinde und ein Niki Lauda war nicht umsonst der bekannteste Österreicher weltweit. Aber so richtig „hip“ war Motorsport eigentlich selten bis gar nie.

Nun ist sie hip, die Formula 1. Das lässt die Ausstellung in der Metastadt auf den ersten Metern klar erkennen. Überhaupt hat die Exhibition mit Pulverdampf und öliger Technik wenig am Hut. Eher klinisch tritt das Sammelsurium an Exponaten auf, pieksauber stehen die ausgestellten Autos auf ihren Podesten, berühren ist klarerweise streng verboten. Kopfhörer, so wie die Boxencrew, kriegt man am Eingang ausgehändigt, sie liefern den Sountrack zu den von gefühlt 1000en Screens flimmernden Videoeinspielungen. Lilly und ich nehmen die Overears zwar folgsam entgegen, sind uns aber von Anfang an sicher: Der Soundtrack sind wir selbst.

Bergers Siegerwagen von Monza 1988 rührt mich zu Tränen.

Klar werden keine Neuigkeiten auf den Bildschirmen gezeigt – zumindest für uns nicht, die wir gerne und vielleicht sogar eine Spur zu oft Youtube und alle anderen, einschlägigen Kanäle nach Formel-1-Videos durchforsten. Fast jede Rennszene, die aus den 60er- bis 80er-Jahren gezeigt werden, kann ich für Lilly mit Jahr und Rennort festmachen, ähnliches kann sie, wenn es Aufnahmen aus den letzten Jahren sind. Klar rührt mich der Gerhard-Berger-Ferrari von 1988, gleich in der ersten Halle, zu Tränen; Saß ich doch sozusagen „live“ vorm Fernseher, als Berger in Monza das einzige Rennen dieser Saison als Nicht-McLaren-Pilot gewann. Und, liebe Formula-1-Macher: Das war nicht vier sondern einen Monat nach dem Tod des großen Enzo Ferrari.

Die Verehrung für Ayrton Senna teilen meine Tochter und ich. Auch hier war ich leider „live“ dabei, als der Größte von allen in Imola verstarb. Lilly betrachtet mit Ehrfurcht alle ihm gewidmeten Devotionalien, auch ihr Outfit hat sie diesbezüglich punktgenau gewählt. Im Herzen schmerzt es sie, dass Ihr „Liebling“, Daniel Ricciardo zur Zeit so überhaupt gar nichts reißt. Was ihr Favoriten-Team betrifft, ist sie dafür auf der Siegerstraße unterwegs: Man hält hochoffiziell zu Red Bull und Max Verstappen.

Interessantes Detail hierzu: Die Seifenoper, die ich oben erwähnte, ist Lilly herzlich wurscht. Weder kennt sie die Details, noch weiß sie, um wen es geht. Der Rennsport zählt. Und was sich auf der Strecke tut. Insofern liefert die Ausstellung zwar guten Content, wenn Helme und Rennfahrer-Puppen in Originalgröße präsentiert werden, vor allem als Zeitreise veranschaulicht. Aber doch mehr Interesse ziehen hierbei die technologischen Exponate auf sich. Wie klein, dünn und unsicher Rennwagen etwa früher waren, ein Blechmonocoque, dahinter ein Mega-Motor und ausmaus. Wie man in solchen Fahrzeugen auch nur irgendeinen Unfall überleben könnte, bleibt ihr wie mir schleierhaft.

Schlau gedacht hat man beim Zusammenstellen der Ausstellung die nationale Schwerpunkt-Setzung. Nach Madrid ist Wien ja nun der erste zweite Austragungsort der Show, entsprechend fett ins Bild gerückt werden hierzulande Autos, die von Österreichern gefahren wurden oder aus Österreich stammen, wobei, derlei ist derzeit sowieso schwer zu umschiffen. Auch dem Österreichring in Spielberg ist viel Raum, eigentlich sogar ein ganzer solcher gewidmet. Aber auch Jochen Rindt und Niki Lauda finden prominent Platz, ein bissl vergessen hat man scheinbar auf Alex Wurz, Christian Klien, Jo Gartner und all die anderen, rotweißroten Nebendarsteller des F1-Sportes. Vermutlich deren tatsächlicher Bedeutung im Sport global gesehen geschuldet.

Auch zu interaktiver Betätigung wird animiert, per Touchscreen kann man seine höchstpersönliche Meinung zur Wahl der coolsten Rennfahrer aller Zeiten (oder aber: nach Epoche, frei justierbar) einloggen, interessanterweise werden die jeweiligen Rankings mitnichten nur von Rindt oder Lauda angeführt. Als Höhepunkt der Show geriert sich ein Filmchen, das alle Viertelstunden startet und im letzten Ausstellungsraum aus einer wahren Kaskade an Bildschirmen von groß bis ganz ganz groß auf uns hereinbricht (folgerichtig wird auch vor schnellen Bildfolgen und extremen Lichtblitzen gewarnt). Eindrucksvoll das Spektakel, überschaubar der News-Wert. Aber davon hat man schließlich auch nichts versprochen.

Fazit: Formula 1 – Die Ausstellung in der Wiener Metastadt hält, was sie verspricht. Das bisschen mehr an Öligkeit, das ich mir vielleicht gewünscht hätte, ging meiner Tochter und Mit-Fänin Lilly in Form von Real-Life-Exponaten aus dem aktuellen Renngeschehen ab. Aber man kann nicht alles haben oder kriegen. Insofern: Große Empfehlung, schauen Sie sich das an. Vor allem wenn Sie Youtube und Konsorten noch nicht leergestreamt haben, was alte Rennen und sonstiges Formel 1-Gedöns betrifft.

TICKETS GIBT ES HIER.