AKUT

Stichwahl

Sarah Wetzlmayr

Die Wiener Gelsen wählen ihre bevorzugten Brut­stätten nach zwei Hauptkriterien aus – der Anzahl der vorhandenen Grünflächen wie auch der Nähe zu Gewässern. Wo man sich in Wien also besser nicht die absolute Blöße geben sollte, zeigt diese Karte.

Sommerzeit ist, wie wohl jeder weiß, auch immer Gelsenzeit. Aus dem Urlaub heimgekehrt wird man plötzlich nicht mehr sanft von der rauschenden Brandung des Meeres geweckt, sondern durch penetrant monoto­nes Sirren aus dem Schlaf gerissen. Was allerdings wohl nicht jeder weiß: Auch in den Innenstadtbezirken verbrin­ gen immer mehr Wiener ihre Nächte auf erbarmungs­loser Gelsenjagd durch die Schlafzimmer. Dem Ökolo­gen und Gelsenexperten Bernhard Seidel zufolge liegt das nicht zuletzt an der stetigen Zunahme der heiß be­gehrten Dachterrassen, die zusätzliche Grünflächen und damit kleine Gelsen-­Idyllen schaffen. Wobei es sich um ein regionales Problem handelt, denn Gelsen gelten als extrem heimatverbunden und entfernen sich nur ungern mehr als 200 Meter von ihrer Brutstätte – womit auch das dramatische Gelsengefälle in der City Richtung Donaukanal geklärt wäre.

Dass der Prater nicht nur ein Naherho­lungsgebiet ist, sondern auch die Nähe des Menschen zur Stechmücke intensiviert, macht den 2. Bezirk ebenfalls zur Gelsenzone. Relativ sicher Bein zeigen kann man hinge­gen in den Bezirken 3 bis 8. In diesen Teilen Wiens, wie auch in den Bezirken 15 und 16, hält die dichte Bebauung die Stechmücken fern. Ein wenig größer ist der Absatz an Gelsensteckern & Co bereits im 10., 11., 12. und 17. Bezirk, die Bezirke 13, 14, 18 und 19 markieren mit ihren hohen Pro­ zentsätzen an Grünarealen veritable Gelsen­-Paradiese. Und auch die Bezirke 9, 20, 21, 23 sowie der an die Lobau grenzende 22. Bezirk bieten, dank ihrer Donaunähe, Gelsen ebenfalls feuchtfröhliche Bedingungen. Allerdings reicht den Plagegeistern, wie Norbert Nowotny, Virologe an der Wiener Ved Med, erläutert, bereits ein weit gerin­geres Wasservolumen: „Friedhofsvasen und Regentonnen können ebenfalls zu optimalen Brutstätten werden.“

Doch nicht nur die heimischen Gelsen brüten fleißig: Durch die von Experten schon lang befürchtete An­kunft der Asiatischen Buschmücke (Aedes Japonicus) in Wien wird wohl gerade, still und heimlich, eine Plage und Invasion noch unkalkulierbaren Ausmaßes ausgebrütet, die uns laut Seidel „in spätestens zwei Jahren ziemliche Probleme bereiten wird“.

Schlag zurück!

Gelsenbekämpfer lassen sich grob in drei Lager einteilen: Die Chemiker, die beispielsweise auf den „Anti­ Brumm Spray Forte“ setzen, deren Gelsen­stecker die Hauskatze bei jedem Vorbeistreunen in ei­ nen rauschartigen Zustand versetzen und die wohl schon mehr Ultraschall­geräte zu Hause stehen haben als eine Neuge­borenenstation. Dann gibt es noch die Ökos, die Natur mit Natur zu bekämpfen versuchen und deshalb mit einer Zitronenscheibe im Mund und Nelkenpiercings probieren, sich die Gelsen vom Leib zu halten. Und schlussendlich die Prag­matiker, die – Bernhard Seidel zufolge – die einzig wirklich wirksamen Mittel einsetzen: Fliegengitter und ihre eigenen Hand­ flächen, um die Biester zu erschlagen.