ZULU – Die schwarze Seele der weißen Weste

20 Jahre nach dem Ende der Apartheid liegen die Schatten der Vergangenheit immer noch über Kapstadt. Brutale Bandenkriege und nackte Gewalt prägen den Alltag in den Townships.

Brutale Bandenkriege, verschwundene Straßenkinder und nackte Gewalt sind für die Bewohner der Millionenmetropole am Fuße des Tafelbergs Alltag. Ganz ohne erhobenen Zeigefinger zeichnet Regisseur Jérôme Salle in seinem Action-Thriller „Zulu“ das Bild einer immer noch blutenden Wunde tief im Fleisch Südafrikas. Einer Gesellschaft, die zerrissen ist zwischen Schwarz und Weiß, arm und reich, Vergebung und Vergeltung; und in der ein Menschenleben keinen Pfifferling wert ist.

Oscar-Preisträger Forest Whitaker verkörpert Ali Sokhela, der als kleiner Junge mitansehen musste, wie sein Vater von weißen Rassisten bei lebendigem Leibe verbrannt wurde. Heute ist der gebürtige Zulu Chef der Kapstädter Mordkommission und plädiert, Nelson Mandela zitierend, für ein versöhnliches Miteinander.
Sein jüngerer Partner Brian Epsteen (Orlando Bloom) ist ein kaputter Zyniker, der jeden Tag neben einem anderen, gesichtslosen One Night-Stand erwacht und sich bereits zum Frühstück mit einem kräftigen Schluck Fusel betäubt. Die Trennung von seiner Frau und das miserable Verhältnis zu seinem halbwüchsigen Sohn hat er genauso wenig verkraftet, wie den Fakt, dass sein Vater als Staatsanwalt während des Apartheid-Regimes in deren Gräueltaten verstrickt war.

Das ungleiche Polizisten-Duo untersucht einen Mordfall an einer jungen Weißen aus reichem Hause. Sie finden nicht nur eine bis zur Unkenntlichkeit entstellte Leiche, sondern auch Spuren einer neuen Designer-Droge im Blut des toten Mädchens. Zu diesem Zeitpunkt ahnen die beiden noch nicht, dass sie mit ihren Ermittlungen in ein skrupelloses Netzwerk aus Menschenverschleppung, Drogenhandel und grausamen Experimenten an Kindern geraten.

Eine Reminiszenz aus längst überwunden geglaubten Zeiten, die ganz schnell klar macht, dass das Land nur scheinbar seinen Frieden gefunden hat. 

„Zulu“ besticht durch die unmittelbare Bildsprache, die ohne große Umwege die atmosphärische Temperatur der Szenerien klar macht. Die Cops schlittern immer tiefer in den Moloch aus Intrigen und Menschenverachtung und werden dabei auch mit ihren inneren Dämonen konfrontiert – stark ist die gegenläufige Entwicklung von Schuld und Sühne. Auf dialoglastigen Schnick-Schnack wird großteils verzichtet, Salle verwebt wohlportionierte Einblicke in die Innenwelt seiner Figuren mit der immer schneller werdenden, action-geladenen Haupthandlung. Er entblättert so weit, bis das zutiefst Menschliche übrig bleibt und an diesem Punkt entscheidet sich, wieviel Vergebung ein Mensch leisten kann. Und ob die Zeit tatsächlich alle Wunden heilt.

Die beiden Hauptcharaktere, Sokhela und Epsteen, sind offensichtlich wie Tag und Nacht erdacht. Doch so fesselnd, so fein nuanciert und ambivalent das Psychogramm des einen herausgearbeitet wurde, so grobschlächtiger wurde beim anderen der inszenatorische Holzhammer geschwungen. Orlando Bloom erhält die lang ersehnte „Bad Boy“-Rolle, leider wirkt sie an ihm über weite Strecken wie ein Schuh, der nicht richtig sitzen will, weil ums Euzerl zu groß. Das könnte daran liegen, dass er jede nur erdenkliche Klischée-Kiste erfüllen muss – „fuck you!“-tönend, verkatert die Augen zusammenkneifend und irrational aufbrausend. Schade, irgendwie platt!

Jérôme Salles lässt keinen Zweifel daran, dass er die Klaviatur der Bildgewalt beherrscht, er inszeniert die Umgebung wie seine Figuren, er lässt sie wirken. Er instrumentalisiert die omnipräsente Gegenwart der krassen Gegensätze, lässt dadurch die alles durchdringende Zerrissenheit unter Südafrikas Sonne aufwühlend plastisch werden. So sehr, dass man als Zuseher danach greifen und alles zusammenfügen will, bevor man aus dem Kinosessel in seinen friedlichen, europäischen Alltag zurückkehrt.