Farin Urlaub im Interview

Er ist Rockmusiker und Reisenarr, hat wasserstoffblondes Haar und ein breites Grinsen: Farin Urlaub ist seit mehr als 30 Jahren nicht zuletzt als Sänger und Gitarrist der Band Die Ärzte bekannt. Trotzdem geht er noch ganz entspannt in Berlin in den Supermarkt.

Ärzte-Gitarrist Farin Urlaub ist meist auf Achse. Wenn er nicht in der Heimat neue Alben aufnimmt oder Konzerte spielt, reist er allein in die Ferne. Vor seinem Tod will er noch alle Länder der Welt sehen – dabei fliegt er gar nicht gern. Gerade veröffentlicht er sein fünftes Solo-Album „Faszination Weltraum“. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa spricht der 50-Jährige über genervte Fans, drei Wünsche bei einer guten Fee und eine schräge Begegnung mit einem Taxifahrer.

WIENER: Nach sechs Jahren wieder ein Solo-Album von Farin Urlaub. Wieso der Titel „Faszination Weltraum“?

Farin Urlaub: Mochte ich. Klingt gut.

 

Das liegt nicht zufällig daran, dass die Erde nur noch von Schwachmaten und Idioten bevölkert wird, wie Sie in dem Lied „iDisco“ auf der Platte singen?

Ich singe ja nicht aus meiner Perspektive und ich singe auch nicht über mich. Es wäre wahrscheinlich einfacher, wenn ich Kurzgeschichten schreiben würde. Da wüsste man sofort, dass es nicht um mich geht. Aber die Figuren erleben halt was, haben ihre eigenen Meinungen und ich beschreibe sie einfach nur.

Machtmissbrauch, Geschlechterkampf, Oberflächlichkeit – Ihre Gesellschaftskritik dreht sich ja schon immer um dieselben Themen.

Aber ist das nicht logisch? Wir machen ja auch immer dieselben Fehler. Wie die Fliege, die immer mit dem Kopf gegen die Scheibe stößt.

Eine Fee gestattet Ihnen drei Wünsche, um die Welt zu ändern. Wie würden sie lauten?

Ich hab mir diese Gedanken öfters gemacht. Wie man das am besten formuliert, um die maximale Wirkung zu haben. Wenn wir anfangen mit Bildung, ergibt das automatisch Toleranz? Wahrscheinlich nicht. Es gibt genug Leute, die sind gebildet und intelligent und sehr intolerant. Das wären schon mal zwei Wünsche. Mehr Bildung für alle, mehr Toleranz für alle, aber dann haben sie immer noch nichts zu essen.

Dann haben wir doch schon drei: Bildung, Toleranz – und Essen.

(lacht) Ich glaube ich müsste jetzt ziemlich lange nachdenken, um die perfekten Wünsche zu haben, damit alles abgedeckt ist. Wenn wir zu Essen haben, gebildet und tolerant sind, sind wir noch lange nicht gesund.

In Ihrem neuen Lied singen Sie „Was die Welt jetzt wirklich braucht, ist: Sie in einem Superman-Kostüm“. Welche Superheldenfähigkeit hätten Sie gern?

Außer den Röntgenblick? Fliegen hätte schon was. Ich reise sehr gerne und fliege äußerst ungern. Weil es so ein demütigender Prozess ist, bis man im Flugzeug sitzt, dann lässt man sich da drin radioaktiv bestrahlen, kriegt lausiges Essen von schlecht gelaunten Menschen serviert, die halt einen Scheißjob haben und ständig im Jetlag sind. Also einfach zu sagen: „Jetzt will ich da hin“, und dann hinzufliegen – hey! Das hätte was.

Und in dem Lied „Fan“ geht es darum, dass sich Fans abwenden, wenn Künstler sich verändern. Auch die Ärzte thematisieren ja immer wieder die Gratwanderung zwischen Stiltreue und Mainstream.

Das Lied ist eine ambivalente Schere. Das habe ich alles schon selber gehört und gelesen, und zwar seit dem zweiten Album, also seit 1984 kenne ich das alles.

Und trifft Sie das?

Am Anfang total. Bis ich irgendwann verstanden habe, dass es gar nicht um mich geht, sondern um die Leute selbst, deren Leben weiterging. Und andererseits mache ich als Fan auch nur gewisse Entwicklungen von Künstlern mit. Der Fan an sich ist grundsätzlich konservativ. Er hat eben seine gelebten Momente mit gewissen Liedern. Mit unseren Lieblingsliedern haben wir die alle, egal ob sie objektiv gut oder schlecht sind. Man kann ja auch ein schönes Erlebnis mit Modern Talking gehabt haben. In dem Fall ist man ganz gut bedient, da klingt ja alles gleich. Wenn sich was verändert, ist es schlecht.

Wie reagieren Sie, wenn die Fans bei Ihren Solo-Auftritten nach den Ärzten rufen?

Das kam ein einziges Mal vor, das waren zwei Leute, die wohl auf dem falschen Konzert waren. Die konnten offenbar nicht lesen. Am Anfang hatte man natürlich Angst, aber die Fans haben das sehr schnell akzeptiert. Es gibt nie Ärzte-Songs bei den Solo-Konzerten.

Ist Ihre Reisesucht vielleicht auch eine Art Flucht vor der Popularität in der Heimat? Mit wasserstoffblond gefärbten Haaren und dem bekannten Gesicht können Sie in Berlin vermutlich nicht entspannt auf die Straße gehen, oder?

Doch. Das wird total überschätzt. Und wasserstoffblond bin ich ja nur, wenn ich Promo mache und Konzerte spiele – um Himmels willen, privat färbe ich mir nicht die Haare. Dann sind sie dunkelblond, mittlerweile auch grau an den Schläfen. Ich gehe in den Supermarkt, ich fahre Bus, ich gehe auf Konzerte, was man halt so macht, wenn man in der Stadt wohnt. U-Bahn fahre ich nicht so gerne. Ich hatte mal einen Taxifahrer, der meinte: „Ich kenne Sie. Sie sind doch von den Toten Hosen.“ Das war sehr schräg. Aber ich empfinde die Popularität nicht als Bürde. Es gibt die Kunstfigur Farin Urlaub, die steht auf der Bühne, die macht Interviews, die lässt es sich gut gehen. Und ich? Ich verreise.