AKUT

Memento Mori

Liebes 2016,

du bist eigentlich gefeuert. Bad, bad job. Du kannst anscheinend keinen Frühling. Zumindest keinen echten. Doch, die Pflanzen blühen schon und auch die Vögel zwitschern. Aber heuer gab’s dieses Neuanfanggefühl nicht, das positive Erwachen nach der Katharsis. Wenn der Frühling schon so vergeigt ist, der nun aber wohl das-Einfachste sein sollte, um ein Jahr ordentlich zu gestalten, verzichten wir auf den Rest. Müssen nicht wissen, was da sonst noch lauert.

Jahreszeiten sollten etwas Reinigendes haben. Im alten Jahr mollpopst man sich über Weihnachten, bleibt den Jänner über verkatert eingefroren und beginnt im Februar langsam, das Vorjahr zu reflektieren. Das Schlimme, das passiert ist, wird verdaut und je nach Intensität in kleine Verkraftungsschubladen gesteckt. Die guten werden schöne Erinnerungen. Man beginnt, den Neuanfang zu planen, lächelt über Vorsätze, die eine gute Idee gewesen wären, fasst dann die, die realistisch sind. Überlegt, was sich gerade politisch tut, und gesellschaftlich und im Freundeskreis und der Familie. Der Februar sortiert. Und dann kommt der März mit seinem Sonnenstand, der daran erinnert, wie sich das Ganze im Sommer anfühlen könnte. Das hat man nämlich über den Winter immer vergessen. Die Ahnung vom Leichteren kommt. Im April dann ist sie da, die Kraft. Heuer nicht.

2016 kam gleich zu Beginn mit Keulen daher, so vehement, dass es nicht möglich war, die traurigen Wirbelwinde von 2015 abebben zu lassen. Zuerst stirbt David Bowie, also eigentlich ein Unsterblicher, gefolgt von Granden und Vorbildern aus so vielen Bereichen, bis dato sind das unter anderen Roger Willemsen, Guido Westerwelle, Johan Cruyff, Alan Rickman, Peter Lustig, Umberto Eco, Harper Lee, Nikolaus Harnoncourt, Keith Emerson, Roger Cicero, Imre Kertész, Zaha Hadid – alle tot, alle weg. Irgendjemand hat schlussendlich erschöpft geschrieben: „2016, das Jahr, in dem Gott uns mit den Idioten zurücklässt.“ Verdeutlicht durch den parallelen Trend hin zu Kasperlfiguren mit ernsthaften Chancen, in re-präsentative Positionen aufsteigen zu können. Ich erinnere an das Lugnersakko in der ZiB2,  aber viel schlimmer: Donald Trump – ein Brüllaffe mit Hamster am Kopf könnte US-Präsident werden, einer, der gegen alle außer sich selber ist. Einer, der gegen die Welt ist. Währenddessen wird die Heiligsprechung der Top-PR-Marke der katholischen Kirche, Mutter Teresa, geplant, in deren Armenhäusern die Gelder und Medikamente nicht ankamen.

Und während man das beobachtet, weiß man nicht, ob die Bilder der Verzweifelnden an den Grenzen widerlicher sind, oder das Gehabe der Politiker, der meisten, der allermeisten Politiker. Auch das der gutmeinenden. Derjenigen, die „Lügenpresse“-Postings in sozialen Medien für Politik machen halten. Hilfe! David Bowie, Roger Willemsen, Harnoncourt – wo genau ist der hemdsärmelige Eurereiner der Politik, der hier den Frühling einziehen lässt?
Der sich als Gestalter mit anderen wahrnimmt und nicht als fragwürdige Ich-Galaxie. Und mit Charisma den einen menschenwürdigen Plan, also einzig möglich wahrhaftigen, weil angstfreien, verkauft -sowie den anderen mitteilt, dass man sie eh noch lieb hat, wenn sie ihre Meinung ändern. Ruhe, bitte, Frieden, bitte. Das ist nämlich erlaubt. Man soll nicht bei schicksalgegebenem Aufenthalt auf einem ungünstigen GPS-Punkt der Weltkarte sterben gehen müssen.

So also, 2016, du hysterische Kuh, you failed. Dir sei eines gesagt: Memento mori gilt auch für dich. Auch du bist sterblich. Und wir werden da sein, um 2017 wieder das Leben zu feiern, und die -Menschen und die guten Entscheidungen und das Wiederfinden der Herzenswärme. Oder normal sein. Bis dahin reiß dich zusammen, so braucht dich niemand. Wir tun es auch und wir haben uns.Wenn sie nicht liest oder Musik hört, arbeitet die zweifache Mutter selbstständig als Kommunikationsmanagerin und freie Autorin.