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Stermanns Kolumne: Fast wia im richtigen Leben
Fast wia im richtigen Leben. An den großartigen Gerhard Polt musste ich denken, als ich im Landesstudio Wien einem Radio-Wien-Kollegen gegenübersaß.
Ich kam gerade von einem Interview, in dem es um mein neues Kabarettprogramm ging, und wurde von einer Mitarbeiterin am Gang aufgehalten. „Gut, dass ich Sie treffe“, sagte sie. „Wir müssten noch kurz etwas mit Ihnen aufnehmen.“ Sie winkte einem Kollegen. „Könntest du mit dem Herrn Stermann kurz etwas aufnehmen? Ich kann gerade nicht.“ Der Kollege nickte und wir setzten uns in ein kleines Studio. Wir setzten uns beide Kopfhörer auf und schauten uns freundlich an. „Um was geht es denn“, fragte ich höflich. „Keine Ahnung“, antwortete er. „Wir sollen etwas aufnehmen.“ „Ja, klar. Das hab ich schon verstanden. Aber was?“
Er zuckte mit den Schultern und begann, die Aufnahme vorzubereiten. „Gut“, sagte er. „Ich bin so weit. Die Aufnahme läuft.“ Ich schaute auf das Rotlicht und ihn fragend an. „Ganz ehrlich, ich hab keine Ahnung, was ich sagen soll. Stellen Sie Fragen?“ „Was denn für Fragen?“, antwortete er. „Ich hab ja überhaupt keine Ahnung, um was es geht.“ „Ich auch nicht“, sagte ich. „Am besten ist, Sie fangen einfach an“, sagte er. „Womit?“ „Das weiß ich nicht. Haben Sie irgendeine Idee, um was es gehen könnte?“ „Nein, ich weiß es nicht. Die Dame hat gesagt, ich soll irgendwas mit Ihnen aufnehmen.“ „Ja, das hat Sie mir gesagt. Ich soll irgendwas mit Ihnen aufnehmen. So drei oder vier Minuten.“ „Aber was?“ „Ich weiß es nicht, das hat sie mir nicht gesagt.“ Wir schauten uns leer an. „Vielleicht sollten wir sie noch einmal fragen, was wir eigentlich aufnehmen sollen“, schlug ich vor. Er schaute aus dem Studiofenster auf einen unbesetzten Schreibtisch. „Sie ist nicht auf ihrem Platz. Wir können sie nicht fragen. Aber es soll eh nur ein paar Minuten lang sein“, sagte er. „Ja, schon. Aber es wäre ganz gut, wenn ich wüsste, worüber ich sprechen soll.“ Er nickte verständnisvoll. „Das würd’s mir auch erleichtern“, sagte er. „Aber ich weiß es nicht. Sagen Sie doch einfach irgendetwas.“ „Worüber?“ „Keine Ahnung.“ „Geht’s vielleicht um mein neues Kabarettprogramm?“ „Nein, das glaub ich nicht. Da waren Sie ja schon bei einem anderen Kollegen, soweit ich weiß.“ Ich nickte. „Ja, da hab ich gerade ein langes Interview gegeben.“ „Eben. Darum geht’s bestimmt nicht.“ „Verstehe. Aber um was geht’s jetzt?“ „Wenn ich das wüsste!“
Er seufzte. „Aber es soll ja eh nur ganz kurz sein. Ein paar Minuten.“ „Ja, das hab ich begriffen. Aber ein paar Minuten können ganz schön lang sein, wenn man nicht weiß, worüber man sprechen soll.“ „Ja, da haben Sie recht. Es ist mir auch unangenehm, dass ich Ihnen da nicht mehr sagen kann. Aber vielleicht fangen Sie einfach mal mit irgendetwas an. Vielleicht ergibt sich ja dann der Rest.“ „Woran hatten Sie gedacht?“ „Na ja, vielleicht sagen Sie einfach mal Ihren Namen.“ „Aber das dauert nicht ein paar Minuten. Mein Name ist eher kurz.“ Er schien langsam die Geduld zu verlieren. „Passen Sie mal auf. Ich komm hier auch zum Handkuss. Es ist mir scheißegal, was Sie sagen, Hauptsache, es ist lang genug!“ Ich resignierte. „Gut. Also, mein Name ist Dirk Stermann. Ich schaue jetzt auf die Studiouhr und zähle drei Minuten herunter. Drei Minuten, zwei Minuten und 59 Sekunden, 58, 57 …“ Nach drei Minuten verabschiedete ich mich. Auf dem Gang trafen wir die Dame wieder, die uns mit der Aufnahme beauftragt hatte. „Habt ihr die Aufnahme gemacht?“ Wir nickten. Zu Hause sah ich mir auf YouTube den Gerhard-Polt-Sketch mit Professor Sonnblum an. Fast wia im richtigen Leben.
Bild groß: (c) ORF (Hans Leitner)
Kolumniert seit Jahren im WIENER, heißt wöchentlich Österreich willkommen und ist erfolgreicher Autor.