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Neues aus dem Schnapsladen: Cafés, die eigentlich Beisln sind

Sarah Wetzlmayr

Wer in Wien in ein Café geht, der trinkt im Allgemeinen keinen Kaffee. Er will schließlich bedient werden und bedient nach Hause gehen.

Warum war es einst in dieser Stadt, mit ihrer gut gepflegten und nur selten gegen den Strich gebürsteten Kaffeehauskultur so üblich, Lokalitäten, die eigentlich alle klassischen Beisl-Kriterien erfüllen „Café“ zu nennen? Klar, Café Concerto klingt besser als nur Concerto oder auch „Beisl Concerto“. Vielleicht hat hier, ob der langen Öffnungszeiten, aber sogar schon einmal jemand einen Kaffee bestellt. Die meisten tun es jedenfalls nicht, dafür können sich die Absatzzahlen, was Bier und Spritzer anbelangt, bestimmt sehen lassen. Jemand, der vielleicht wirklich auf der Suche nach Kaffee und Kuchen ist, wird deshalb wohl am Absatz kehrt machen – doch die meisten bleiben sehr, sehr lange dort. Zu einer etwas anderen Kategorie zählen jene meist gut gefüllten Lokale, in denen es schon sehr viel Mut – falls so viel Mut überhaupt in diese platztechnisch sehr eingeschränkten Beisln passt – erfordern muss, sich gegen Alkoholika – welcher Art und Herkunft auch immer – zu entscheiden. Oder habt ihr im Café Malipop schon mal jemanden einen Häferlkaffee trinken gesehen? Eben, nein. Selbst die Poeten die alleine und von einer Rauchwolke beschützt in ihre kleinen Büchlein kritzeln und von denen immer mindestens einer im Malipop ist, trinken vorzugsweise Spritzer. Ähnliche Kandidaten sind das Café Bendl und das Café Anno – zwei illustre Orte, an denen man einen Macchiato oder einen Chai Latte vergeblich sucht. Was man dort allerdings findet, sind trinkfreudige Menschen im Alter von 20 bis 80. Wenn man sie denn überhaupt sieht, denn im Bendl muss man, wenn man überhaupt noch etwas klar erkennen kann, den Blick erst eine Wand aus scheinbar undurchdringbarem Rauch durchkämpfen lassen. Und das ist schon sehr schwierig. Auch das Café Laternderl ist hier dazuzuzählen, das damit punkten kann das uncoolste Lokal der gesamten Burggasse zu sein. Und damit natürlich wieder das coolste. Doch auch dort wird man vermutlich eher mit einem Dart-Pfeil unabsichtlich erschossen, bevor man sich tatsächlich einen Milchkaffee bestellt. Ob es hier überhaupt Milch gibt? man sollt es vermutlich tunlichst unterlassen, das herauszufinden.  Eine Steigerungsstufe zur Bezeichnung „Café“ ist „Espresso“ – aber auch logisch irgendwie, denn Espresso ist ja auch die Steigerung zu Kaffee. Oder so. Wer nicht weiß, was hier gemeint ist, der sollte mal im Espresso Florida in der Ottakringer Straße vorbeischauen. Sofern man die Augen da drin noch öffnen kann, wird einem das Florida diesbezüglich die Augen öffnen. In einer vollkommen anderen Liga: Das SMart Café. Hier trinkt man auch keinen Kaffee, es sei denn man hätte ihn gern in einem Napf serviert oder man hat einen eindeutigen Kaffee-Fetisch. Unvergessen natürlich auch das Kaffee Urania, mitsamt Hubert Horky und das Café Industrie, das zusperren musste bevor die Hipster-Gentrifizierung einsetzen konnte. Vielleicht ist in diesem Beisl-Verständnis das Wort „Café“ eher als Sinnbild zu verstehen und nicht mit der im weißen Häferl mit Goldrand servierten braunen Flüssigkeit gleichzusetzen. Vielleicht geht es viel mehr um Wohnzimmer. Um verrauchte, stinkende Wohnzimmer mit klebrigen Tischen zwar – aber doch irgendwie genau darum.