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Die verschwundene Subkultur – Rudi Wranys Kolumne im WIENER W428

Ist die Zeit der Auflehnung und Revolutionen vorbei? Partyveranstalter und Kenner der Wiener Clubkultur, Rudi Wrany, auf der Suche nach der Subkultur von heute. 

Unsere Jugend – damit meine ich die Generation der Mit- und ­Spätvierziger und die unserer Väter, sofern sie in rebellischen Biotopen aufwuchsen – war geprägt vom Zugehörigkeitsgefühl zu einer Subkultur oder gesellschaftskritischen Bewegung. In den Siebziger- und Achtziger­jahren gab es auch in Wien strenge Kleidungsvorschriften: Mods, Punks, Gruftis, Gothics und Skins prägten nicht nur ­gesellschaftliche Nischen, sondern auch das Straßen- und Hörsaalbild.

Heute sucht man diese vergeblich, manchmal begegnet man noch ein paar „Nostalgiepunks“ auf der Maria­hilfer Straße, die aber sehr schnell vom U-Bahn-Boulevard zum öffent­lichen Ärgernis erklärt werden. Selbst die in den Neunzigern aufkommende HipHop- und Rave-Generation hat ihre Sneakers und schrillen Outfits gegen die Bürokluft getauscht. Die Zeit der Auflehnungen und Revolutionen scheint vorerst vorbei zu sein. Waren es in der NS-Zeit die Schlurfs, die sich durch lange Haare und Jazz der Naziideologie entzogen, was nicht selten lebensgefährlich war, so nährten die erzkonservativen ­Aufbau- und Nachkriegsjahre den Wunsch nach Ausbruch aus der ­gesellschaftlichen Starre. Den Höhepunkt an Zulauf erreichten die jugendlichen Subkulturen dann in den Achtzigern, als der Ost-West-Konflikt auf sein letztes Kapitel zusteuerte.

Mittlerweile leben sie in für uns ­unsichtbaren Nischen weiter, weil wir – so der Jugendforscher Bernhard ­Heinzelmaier – in der Nische der allgemeinen Durchschnittlichkeit leben, die alles nicht Normale ausfiltert. Der Boulevard siebt alles Abweichende gnadenlos aus in einer Welt, die von Outfittery bis zur ideologielosen Monotonie eingekleidet wurde. Derzeit differenzieren sich Zugehörigkeiten maximal noch durch ihre Musikvorlieben. In der realen Welt ist es längst die Mitmachkultur geworden, die dominiert, beflügelt durch immer rasantere Entwicklungen auch in ökonomischer Hinsicht und die dadurch nicht mehr vorhandene Zeit, sich noch ein wenig mit Ideologien zu beschäftigen. Wenn man so will, dann ist die Subkultur der heutigen Zeit das Start-up.

Foto: (c) Anna Ullrich