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Die Ehe im Westen: eine Evolution

Manfred Sax

Im Mai wird gern geheiratet. Und das noch immer. Aber der Stellenwert der Ehe änderte sich in den vergangenen Jahrhunderten. Romantik und Liebe, früher Stiefkinder der Beziehungsfindung, sind heute potente Player. Neu im Bund: der Sex.

Text: Manfred Sax

Die Ehe also. In folgender Grafik sind, mit Fokus auf Ehe, die vergangenen vier Epochen skizziert – die interessante Verschiebungen in Sachen zwischenmenschlicher Bedeutung transparent machen. In der Epoche der Minne, zum Beispiel (vor dem 17. Jahrhundert), sticht Heirat noch als wirtschaftlicher und politischer, von den involvierten Familien ausgehandelter Vertrag hervor. Natürlich gab es auch die Wallungen der Liebe, damals als „göttliche Verrücktheit“ angesehen, die aber generell außerhalb der Ehe stattfand – und die schönen Künste befruchtete (siehe auch Story: Liebe ist Bullshit).

Mit dem 17. Jahrhundert mischte sich zunehmend auch das Phänomen der Romanze ins Beziehungsgeflecht, die sich zwischen Heirat (noch immer arrangiert) und Liebe einnistete. Nämlich als „Player“, den das arrangiert verheiratete Paar beziehungskommunikativ anwenden konnte und sollte, damit aus dem arrangierten Zustand letztlich eine liebevolle Sache wurde.

Ab dem 19. Jahrhundert widerfuhr dem wirtschaftspolitisch motivierten Arrangement eine kleine, aber feine Entwertung. Die Romanze – das Flirten, Anlabern, miteinander Zeit verbringen – stand immer häufiger am Beginn einer Beziehungsfindung, um den Paaren zumindest eine Einschätzung zu gestatten, ob eine langfristige Zweisamkeit sinnvoll sein kann. Erst dann wurde geheiratet, und es kam tatsächlich immer wieder mal vor, dass aus so einer Ehe im Lauf der Zeit auch Liebe wurde.

Ab den 1960er Jahren – und mit der sogenannten Sexuellen Revolution – änderte sich das Spektrum entschieden. Sexuelle Lust und Befriedigung etablierten sich als wichtige Voraussetzungen für romanzenhaftes Zusammenbleiben – was unter Umständen zu Befindlichkeiten führen konnte, die vom entsprechend befallenen Paar als Liebe identifiziert wurden. Worauf eine Eheschließung nicht mehr auszuschließen war. In diesem Sinne: Happy Honeymoon!

SZENEN DER EHE. Grafik: Information Is Beautiful by David McCandless, London 2012.