GENUSS

So schnippisch – Roland Grafs Kolumne im WIENER W428

Jetzt geht‘s um die Schneid. Aber die ist klarerweise wertlos, wenn ihr die Schärfe fehlt: Genuss-Kolumnist Roland Graf über ein Schlüsselerlebnis beim Karottenschnippeln, wo in Tokio das perfekte Messer geschmiedet wird und was das alles mit Porno zu tun hat.

Text: Roland Graf

Einem Nachmittag mit weiß gewandeten Marokkanerinnen, die jederzeit auch die Versuchsgruppe einer Adipositas-Studie abgegeben hätten, verdanke ich ein Erweckungserlebnis. Ich schneide seit diesem Kochkurs Karotten anders als davor. Nämlich längs, entferne mit einem Keilschnitt den Mittelteil und verarbeite den Rest dann entweder à la Julienne (Streifen) oder Brunoise (Würfel). Der Kulturschock ob der maghrebinischen Schneidetechnik sitzt so tief, dass ich seither in jeder Küche genau darauf achte, wie denn geschnippelt wird. Das Hacken der Zwiebel in der eigenen Faust habe ich Feigling mir dann übrigens doch nicht abgespickt von den Matronen von Marrakesch.

Dafür wurde letztens wieder leidenschaftlich diskutiert, welcher Messerschmied in der Tokioter Kappabashi-Straße das beste Santoku schmiedet. Wer dieses Magazin liest, kennt – ­zumindest vom Hörensagen – auch Pornoläden, postulieren wir jetzt mal. Stellen Sie sich nun einen solchen Laden im Umfang eines Straßengevierts von der Wollzeile bis zur ­Johannesgasse vor. Und jetzt ersetzen Sie „Porno“ durch „Küchenzubehör“, dann kennen Sie Kappabashi (und haben dank des WIENER soeben die Flugkosten nach Japan gespart).

Wir einigten uns statt eines Geschäfts auf „Damaszener Stahl, mehr­lagig“, nachdem mein Favorit Seiichi Kamata nicht ganz mehrheitsfähig war in der Runde. Zwei Wochen später waren Geschäfte wie sein Kamata Hakensha ohnehin vergessen am Stammtisch, nachdem der Wirt mit einer Schneidevorrichtung aus Kappabashi heimgekehrt war, die eine Sellerieknolle in laaaaange Tagliatelle verwandeln kann (nicht dass man das jetzt oft bräuchte; aber: schon cool!).

Das Teil muss ich das nächste Mal wohl mit dem jungen Zazzeri besprechen. Der Italiener aus dem La ­Pineta in der Provinz Livorno führt eine der beeindruckendsten Klingen. Für die Spezialität seines Hauses, ­rohen Mittelmeerfisch, kocht er zwar nicht, dafür geht es um den perfekten Cut. Vieles könnte ich noch zum Thema Messer-Meister und Schneidetechnik erzählen, wenn mich nicht eine Frage davon abhalten würde: Warum wird hier in Wien schon wieder das ZAHNLOSESTE aller Messer eingedeckt?