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Busenfreunde – Sechs Typen, die uns verstehen

Hämorrhoiden und Haarausfall, Liebeskummer oder gecrashte Bikes – das Männerleben ist kein leichtes. Doch zum Glück gibt es diese sechs Typen, die uns verstehen.

Text: Roland Graf / Fotos: Oliver Gast

Online tummeln sich vielleicht Trolle, Buddies oder Bro(ther)s, aber keine Freunde. Ein virtuelles „High Five“? Das ist nicht mehr als die Fern­schachv­ersion der maskulinen Gefühlswelt. Echte Männerfreundschaften sind analog. Basta! Der Schweiß soll gemeinsam fließen, das Motoröl muss man riechen und Tränen trocknet man nicht via WhatsApp. So einfach ist das im Grunde. „Doch nicht alle können alles“, wusste schon der spätantike Philosoph Macrobius. Der Sex­berater unseres Vertrauens, dieser mit allen Körpersäften gewaschene ­Filou unter den Freunden, wird ­vermutlich nicht einmal die Frage verstehen, wenn es um die Montage der neuen Pergola geht.

Foto: Oliver Gast, Model: Marion Mandl, Hair & Make Up: Manja Mietho

Dafür haben wir – siehe die ­folgende WIENER-Typologie – ­unseren persönlichen MacGyver. Dem kann seit Jahren keine Frau mehr an die Wäsche, weil sie zwischen Leatherman, Schlüsselbünden, ­Akkuschrauber-Halter und Handykabeln nicht einmal einen Zugang zum Hosenstall findet. Aber so ist das Leben unter den Männern, die wir lieben: Das graue Sackhaar und seine über Nacht erschienenen 23 Kameraden sind kein Konversationsstoff für alle unsere Freunde. Doch zumindest einer wird uns da verstehen, wenn wir uns fragen: Ausreißen oder färben?

Biologisch mag das grausam sein, aber die Logik ist zu klar: Der Fehlervermeidung am Lebensweg höchst zuträglich sind ältere Freunde.

Wobei diese Ansicht – Freundschaft als Nützlichkeitsgemeinschaft – wiederum krass an der Oberfläche bleibt. Wir wollen aber in die Tiefe gehen. Vom Sackhaar also zu Kafka: „Ich danke Dir aufrichtig mein lieber Max, nur dass mir noch immer die Unklarheit der Tatsachen klarer ist als deine Belehrung“, schrieb der Weltliterat am 22. August 1908 an Max Brod. Die 110 Jahre alte Postkarte zeigt, was Freundschaft ausmacht: Wir sagen höflich Danke, auch wenn wir einmal echt nichts mit den Ergüssen unserer Amigos anfangen können. Und noch etwas zeigt dieses öffentliche Medium an, wenn man weiterliest, wo Franz Kafka schreibt: „…daß wir noch lange und oft uns den (sic!) Kinema, die Maschinenhalle und die Geishas ansehen müssen, ehe wir die Sache nicht nur für uns, sondern auch für die Welt verstehen werden“. Geishas und Maschinenhalle? Da verstehen wir nur Bahnhof – und genau so soll es auch sein.

Foto: Oliver Gast, Model: Marion Mandl, Hair & Make Up: Manja Mietho

Die intimste nicht sexuelle ­Beziehung unter Männern (puber­täres gegenseitiges „Erforschen“ ­unter Freunden lassen wir hier mal weg) hat nämlich immer auch etwas Sinn-Freies: Die Logik des bürger­lichen „Nützlichkeitsgehirns“, wie es der in Wien geborene Dadaist ­Raoul Hausmann nannte, bekommt gemeinsam eine Faustwatschen versetzt. Es geht eben nicht mehr um ein „What’s in there for me?“. Freunde müssen nichts. Sie können aber (fast) alles. Wenn sie wollen. Und darüber reden sie. Denn das „Wir gegen die Welt“ beginnt in der Regel mit einer eigenen Sprache. Erst dann arbeitet sich dieses „Leck-mich!“-Kollektiv mit der kleinstmöglichen Mitgliederzahl am Leben ab.

Wer uns immer noch selbstverständlich ans Gemächt greift, als wären seit dem Schulhof keine 25 Jahre – und drei Ehen – verpufft, braucht uns keine Statusmeldungen zu schicken.

Wahre Freunde strecken sich ­gemeinsam, um die Sterne zu erreichen, und lecken ihre Wunden nach dem Fall, den diese Versuche unweigerlich nach sich ziehen. Auch das steckt in dieser Kafka-Postkarte: Es geht ums Ganze, „die Welt“, wenn wir unter uns Jungs sind. Posen und Geheimnisse reißt uns im Idealfall schon ein strenges „Oida!“ des ­Gegenübers herunter. Jetzt wird nämlich Tacheles geredet. Und auch wenn wir wissen, dass der Dialog am Ende in einem wenig lösenden, die Erde (zumindest nicht heute) nicht aus ihren Angeln hebenden Besäufnis enden wird: Mit niemandem würden wir jetzt lieber reden – und später reihern.

1. Der Jugendfreund

Making love and breaking hearts,
It is a game for youth.
But I’m not waiting on a lady,
I‘m just waiting on a friend!

The Rolling Stones, „Waiting on a Friend“

Klären wir zunächst einmal, warum die selbsternannten „BFF“ (= best friends forever) auf den Instagram- Bildern IHM nie das Wasser werden reichen können: Der Unterschied bemisst sich nicht nur an der ­Anzahl der Jahre, vor denen zwei Kindsköpfe bereits zu einem siamesischen Gehirn verschmolzen sind. Er gleicht vielmehr dem zwischen einem durchgescheuerten Freundschaftsband in peinlichen Farben und der ehernen Verbundenheit der zusammengeschmiedeten Buddies aus „Flucht in Ketten“. Während jeder dümmlich grinsend für ein Foto die Hand auf die nächste Männerschulter legen kann, teilt etwa nur ein Einziger das Wissen um den Kampfruf „Katzenkäse“ ­(bitte einen Sinnlos-Ruf eigener Wahl einsetzen!). Hier wäre auch der Zeitpunkt, darauf hinzuweisen, dass ­jahrelanger Nicht-Kontakt derlei ­intensive Bande nicht schwächt, ­sondern noch enger schweißt. Merke: Wer uns immer noch selbstverständlich ans Gemächt greift, als wären seit dem Schulhof keine 25 Jahre – und drei Ehen – verpufft, braucht uns keine Statusmeldungen zu schicken.

2. Das ewige Kind

While time outran you and
trouble flew toward you,
And you were there to greet it:
Weren’t you, foolish Cassiel?

Nick Cave & the Bad Seeds, „Cassiel’s Song“

Erinnert sich noch jeder an Gary King? Das von Simon Pegg gespielte Mitglied der „Fünf Musketiere“ aus dem Film „World’s End“ setzt mit seinem Drive die Katastrophe erst in Gang: „Ein Mann mit deiner Sauferfahrung trinkt verdammten Regen?“, lautet seine erste Frage bei der nach 20 Jahren nachgeholten Tour durch alle zwölf Pubs ihres ehemaligen Schulorts. Wasser trinken gibt’s bei ihm nicht! King ist der Prototyp des Party-Animal; er will doch nur spielen. Was neben einem permanenten Ausloten der Schamgrenzen auch bedeutet, dass er bestens vorbe­reitet ist. Er sorgte schon einst dafür, dass man sich einfach zu den coolsten Mädchen setzte, während die Schüchtis noch das Für und Wider diskutierten. Bis heute organisiert keiner kollektive ­Bubenaktivitäten – auch wenn das längst keine Besäufnisse und Orgien mehr sein müssen – besser. Er mietet den Hubschrauber und bringt die Kotztüten gleich mit Namensschriftzug mit. Die ­wichtigste Regel, wenn er loslegt: ­Niemals laut aussprechen, was er da gerade tut. In der Regel fühlt es sich am Ende richtiger an, als die Handbremse im Gehirn zugeben würde.

3. Der MacGyver

Don’t call if you’ve got
nothing to say,
Don’t call me if you just
want to play,
But call me on Devil’s Day,
You can count on me.

Sammy Davis jr., „You can count on me“ (Theme From „Hawaii 5-0“)

Mit dem Vergaser-Aufbohren bei der Vespa hat die Einsicht ins Unvermeidliche begonnen: Geteilte Leidenschaften bedeuten leider nicht geteiltes manuelles Geschick. Nagel einschlagen geht ja, man kann ja immer noch das alte Mantra „schief ist Englisch“ hinterherjagen. Ausmalen wiederum … Da suchen wir seit jeher lieber schnell seine Nummer raus. Und in diesem Fall wissen wir alten Prothesen­götter (© Sigmund Freud), dass sich unsere beiden linken Hände durch die Digitalisierung nur noch mehr verkrampft haben. Spätestens seit Telekom-Man uns schlüssig erklären konnte, wie man durch Film-Downloads locker auf vierstellige Monatsabrechnungen kommen kann, wissen wir ­sogar, wie teuer guter Rat ist. Gut, Style-Beratung würden wir vom Dauer-Hoodieträger keine in ­Anspruch nehmen. Aber wenn man mit ihm abhängt und sich nur jedes zehnte Wort merkt, kommt man selbst schon profes­sionell rüber. Denn mit etwas Übung haut man Sätze raus wie: „PGP ist so 1990er, ohne TOR geht gar nix!“ Und parallel fordern wir die Übersetzung dieser Insider-Wuchtel per WhatsApp an.

4. Der Altspatz

Your kindness for weakness
I never mistook.
I worried you often,
yet you understood:
That life is so fleeting,
these troubles won’t last
Forever

Dropkick Murphys, „Forever“

Tranchiert man die Schriften Martin Heideggers wie ein Brathendl, schält sich unter der braunen Haut der NS-Nähe und dem jahrhundertelang gemästeten Fleisch des abendländischen Denkens seit Parmenides eine Erkenntnis heraus: Unser Leben besteht aus einem „Vor-Laufen zum Tode“. Hat man das einmal verinnerlicht, lebt man nicht nur intensiver. Man erkennt auch, dass zwangsläufig jene etwas zu sagen haben, die dem unausweichlichen Ende altersmäßig ­näher sind. Biologisch mag das grausam sein, aber die Logik ist zu klar: Der Fehlervermeidung am Lebensweg höchst zuträglich sind ältere Freunde. Sie erkennen die klaren Anzeichen, dass man über die Verhältnisse lebt – und bringen einen mit einem Hinweis auf ein freudloses Leben nach der dräuenden Porsche-­Pfändung schnell wieder zur Räson. Sie dürfen uns auch ungestraft auf Bauchfett und Augenringe hin­weisen („Magst wirklich älter ausschauen als ich?“). Vor allem aber haben sie kein Problem, zu jeder Zeit zuzuhören. Aus ihrer Sicht besteht beim Jüngeren ja noch echte Hoffnung auf eine Kurskorrektur.

5. Die zum Pferdestehlen

And she shows you where to look
Among the garbage and the
flowers.

Leonard Cohen, „Suzanne“

Frauen sind die witzigsten. Belassen wir es dabei. Hinzugefügt sei lediglich, dass der uns ewig fremde weibliche Blick auf das Leben (und, nicht zu unterschätzen bei Intimbeichten: seine Weitergabe) eine der größten Chancen auf ein Korrektiv ermöglicht. Das mag man egoistisch nennen, und eine Fortschreibung alter Klischees. „Diene mir“ als ­intellektuelle Übung statt als körperliche Ausbeutung quasi. Doch das ist nicht der Fall, wenn es um unsere hehre Freundin geht, mit der nichts läuft. Die monatlichen ­Mittagessen mit ihr dienen der ­Psychohygiene von beiden. Es ist eine Symbiose, kein Parasitismus am weiblichen Witz, dem kein Mann je nahekommen wird. Was auch schon vor dem Ableben von Stephen Hawking so war.
Geben wir uns dieser Erkenntnis also hin, sie demütigt nicht, wie Macho-Deppen glauben. Sie be­reichert. Sagen wir’s mal so: Fragen Männer „Was ist dein Friseur von Beruf?“, packen wir die Gegen- Frechheit aus („Gab’s das Leiberl nicht in XXL?“). Fragt es die Frau des Vertrauens, ist ein neuer Barbier dringend zu empfehlen.

6. Der Sex-Instruktor

No use staring at your
old photograph,
Walkin’ around your neigh-
borhood, gotta tear it in half.
Only one way you can clear
your tormented mind:
Stop thinking she was
one of a kind.

Van Morrison, „Roll with the punches“

Steve Kanaly gab nicht immer den Ray Krebbs in der TV-Serie „Dallas“, sondern verkörperte auch „Hurenhaus-Jim“ im 1972 gedrehten Star-Movie „Das war Roy Bean“. Die Spezialität dieses Charakters ist unschwer zu erraten. Und auch dem Eros-Experten in unserer Freundessammlung kennt man ­seine Leidenschaft an. Er betrachtet Sex als Lebensinhalt und Kunstform. Was man auch sieht. Manikürte Fingernägel („die gleiten besser“, sagt er) und ein Bizeps unterm ­immer zu knappen Shirt sollten aber nicht täuschen. Denn der ­richtige unter den Ratgebern für Vorspiellänge und neumodische ­Abkürzungen im „Dirty SMS Talk“ hat ­Selbstironie. Dumme Aufreißer und „pickup artists“ sind ihm ein Gräuel. Schließlich liebt er die Frau an sich – und damit alle ihre Erscheinungsformen. Einem ewigen Rätsel nähert man sich nicht mit Stricherllisten! Das weiß er. Und wir wissen: ­Keiner kommt den Lustzentren näher und kann darüber so eloquent berichten, dass es den GV fast schon ersetzt. Und so viel detailreiche Fremd-Anatomie hilft mitunter auch über Liebeskummer hinweg. Perverses Leben!