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Binge-TV: Novine – The Paper – Die letzte Denkstelle vor der Grenze

Tatort Rijeka: Novine, das letzte meinungsunabhängige Tagblatt des Landes, wird von einem korrupten Industriemagnaten gekauft – inmitten einer alkoholgetränkten Provinzszene aus Politskandalen und Beziehungskrisen, in die praktisch alle Protagonisten verwickelt sind.

Text: Manfred Sax

Am Rand der Stadt knallt ein SUV in einen weniger robusten PKW mit drei alsogleich toten Insassen; es ist spätnachts, die Straße menschenleer, die Pilotin des SUV geschüttelt, wenn auch nicht gerührt genug für Erste Hilfe, sie begeht Fahrerflucht. Die alte Dame entpuppt sich als Mutter des unzimperlichen Baumagnaten Mario Kardum, der gerade im Begriff steht, die Tageszeitung „Novine“ zu kaufen – ihres Zeichens die letzte kritische Meinungsinstanz des Landes, die letzte Insel des „wahren“ Journalismus, so sehen es ihre Mitarbeiter.

Novine – The Paper: die letzte Denkstelle vor der Grenze. Foto: (c) Drugiplan

In der Redaktion herrscht nervöse Hektik, was tun, was ist die Schlagzeile des Tages? Chefredakteur Martin Vidov scheut sich, den bevorstehenden Verkauf der Zeitung an den korrupten Kardum zu outen, und gönnt dem Verkehrs­unfall Priorität – der sich allerdings als ominös erweist: Die Straßen­evidenz der CCTV-Kameras ist verschwunden, die üblichen Informanten von der Polizei geben sich verstockt, was ist da los, „drei Tote und keine Spur vom Täter?“ Nicht wissend, dass es sich dabei um die Mutter des zukünftigen Zeitungsbesitzers handelt, geht man solcherart in Druck, was Kardum entsprechend in Rage bringt. Und so entspinnt sich ein formidabler TV-Krimi, wie er nur machbar ist, wenn die Provinz die Kulisse abgibt, in der jeder mit jedem irgendwie zu tun hat: Top-Kolumnistin Dijana, die immer den besten Zund hat, weil sie auch mit Marko schläft, der leider nicht nur die rechte Hand des mächtigen Stadtpolitikers Ludvig Tomasevic, ­sondern auch der Gatte ihrer Schwester Anja ist; Chefreporter Andrej, der sich in den Verkehrsunfall recherchiert und eine Affäre mit Hana unterhält, die allerdings auch im Sold von Kardum steht, der wiederum als frischgebackener Besitzer sofort Chefredakteur ­Vidov rausschmeißt und durch Marketingtante Alenka ersetzt, die wiederum die Gattin von Reporter Andrej ist. Und so weiter.

Branka Katic als Kolumnistin Dijana Mitrovic. Foto: (c) Drugiplan

Die Kulisse zum Krimi ist Kroatiens Hafenmetropole Rijeka, also an sich eine bildhübsche Stadt, die Regisseur Dalibor Matanic allerdings in düstere Bilder taucht, ­mit häufigem Fokus auf verfallene Sozialbauten am Stadtrand oder auf den Industriehafen, wo seit der Unabhängigkeit Kroatiens und folglicher Privatisierung der Wirtschaft (Korruption!) die Krise nagt. Nostalgische Referenzen an den Sozialismus anno Jugoslawien kommen vor („Ihr habt ihn ja gewollt, diesen Kapitalismus auf Basis des freien Marktes“, wettert der scheidende Chefredakteur Vidov), die wiedererstarkte katholische Kirche wird zum ruchlosen Fädenzieher („Außer Geld könnt ihr von mir alles haben“, vermeldet der Erzbischof).

Alexander Cvetkovic als testosteronverseuchter Magnat Mario Kardum. Foto: (c) Drugiplan

Als Bindemittel zum – mit 12 mal 50 Minuten angenehm üppig angelegten – Stück hält der Alkohol her, der ist immer und überall, beim korrupten Pläneschmieden der Politiker und Wirtschaftsbosse ebenso wie an der Stammbar der Journos, wo es noch Flipperautomaten gibt und das Bier nur aus der Flasche kommt, wo nach Dienst resch gesoffen wird, und für den One-Night-Stand danach genommen, was noch stehen kann.

Macht in Summe sechs Stunden ausgesprochen kurzweiliges Entertainment, kompetent serviert von lokalen Stars wie Branka Katic (Captain America) als Kolumnistin Dijana und Alexander Cvetkovic als testosteronverseuchtem Magnaten Kardum. Und „Eye-candy“ Dajana Culjak, als Hana in horizontalen Szenen ausgesprochen busy, ist auch nicht zu verachten. Novine ist ein gelungenes Machwerk aus der TV-Werkstatt unseres südlichen Nachbarn.

Novine – The Paper

mit Branka Katic, ­Alexander Cvetkovic, Dajana Culjak u.v.m.;
12 Episoden à 50 Minuten, auf Netflix