Film & Serie

Binge-TV: Happy! – Hokuspokus, Motherfucker!

Gestatten: Nick Sax, Ex-Cop und Auftragskiller, ein Motherfucker auf der Suche nach seiner entführten Tochter – von deren Existenz er nicht wüsste, wär da nicht Happy, das blaue Einhorn aus Plüsch. Es gibt Storys, die können nur funktionieren, wenn die kranken Fantasien des Masterminds der „Crank“-Kultfilme dahinter stecken.

Text: Manfred Sax / Fotos: Getty Images

Stell dir vor, du murkst einen Halunken ab, und das Blut spritzt in Fontänen, aber mittendrin hast du einen Herzinfarkt und gehst meier. Einen Filmschnitt später erwachst du aus dem Koma, noch mal gut gegangen, könnte man meinen – nur tanzt da ein blaues Einhorn aus Plüsch oder was vor deinen Augen und schneidet Grimassen. Was sollst du dir da denken? Nick Sax, der Hurensohn mit dem Infarkt, denkt nur das Schlimmste. Er denkt, dass er im Himmel ist. Ein Horrorgedanke in Wahrheit, denn der Himmel ist in seinen Augen was für AAs, den Klub der Anonymen Arschlöcher.

Willkommen zum BingeTV-­Herbst. Der Platz ist Kalifornien, das ist nicht Nicks Art von schmutzig, außerdem hasst er Avocados. Nick Sax ist Ex-Cop und Auftragskiller und außerdem ein cooler Arsch. Die erste Episode der ersten Staffel von „Happy“ ist 5 Sekunden alt, da spuckt er schon Blut. Nach 50 Sekunden will er sich umbringen, nur ist er zu besoffen, um den Lauf der Pistole in seinen Mund zu kriegen. Nick hat einen Mundgeruch, der die Leiche in seinem Schrank auflösen könnte. Aber vor allem hat er Happy am Hals, ein blaues Einhorn, seinen eingebildeten Freund, den er seit dem Infarkt nicht mehr los wird. Stofftier Happy erzählt Nick, dass er – erstens – eine Tochter namens Hailey hat. Zweitens wurde Hailey gekidnapt, mit vielen anderen Kindern. Von Baddies, die Weihnachtsmänner oder Osterhasen oder berufsjugendliche Kinder­serienstars sind. Nett. Und Nick macht sich also mürrisch auf die Suche.

Manchmal glaubst du, du steckst im Kinderfernsehen. Jede Menge Knirpse, jede Menge Stofftierchen. Aber dann kommen die Sachen, die nur kranke Gemüter erfinden können. Auch Stofftiere wollen Sex, you know, und wie wird das Happy mit seinem rosa Horn am Kopf wohl machen? Oder, die Foltermethoden von Doctor Smoothie (genial: Patrick Fischler), der seine Blutrunst als Kunst versteht („Ich werde deinen Schwanz in Scheiben abschneiden.“ – Dazu Nick: „Das wird aber lange dauern, if you know waddamean.“) Spätestens bei der Episode „Blitzkrieg“ (S2E4), als Nick ein Altersheim für die letzten überlebenden Nazis aufstöbert und dieselben endlöst (Holzbeine und Zahnprothesen fliegen nur so rum), beginnt es zu dämmern: Moment mal, kranker Plot, kaputtes Herz und platte Peniswitze – ist das nicht …? Und ja, der Mastermind dahinter ist tatsächlich Tausendsassa Brian Taylor, Urheber der legendären „Crank“-­Filme mit Jason Statham und dessen marodem Herz, das zur Wiederbelebung ständig Reibung braucht, die er mit der umwerfenden Amy Smart betrieb.
Bei „Happy“ ist anstelle von Statham Christopher Meloni (Law and Order) großartig aktiv, derangierter geht nicht, gelegentlich holt er sich auch im Autobus einen runter. Bleibt die Frage: Stofftiere und Kinder im Volksschulalter plus Weihnachtsmänner und Osterhasen, kurz: Kinderfilme nur für Erwachsene, wie lässt sich das vermarkten? Simple Antwort: Gar nicht, die zweite Staffel stürzte denn auch ziemlich ab. Aber „Happy“ ist verdammt lustig. Männer, die mit Durchfall unter donnernden Furzgeräuschen auf der Klomuschel sitzen, sind immer lustig. Aber wenn Nick Sax Durchfall hat, dann scheißt er einen Alien. Das ist verdammt lustig.

Happy!
by Grant Morrison & Darick Robertson (Buch), Regie Brian Taylor. Mit Christopher Meloni, Ritchie Coster, Medina Senghore; 2 Staffeln; Netflix.