KULTUR

Ciao, Bellos! – Klaus Eberhartinger und Thomas Spitzer im WIENER-Interview

Klaus Eberhartinger und Thomas Spitzer im Interview mit dem WIENER. Es geht ihnen „Mzuri“, sagen die Kenia-Bürger. Die als „Abschiedstour“ angelegten Gigs finden ab 3. Februar statt.

Interview: Manfred Rebhandl  / Fotos: Maximilian Lottmann

Herr Spitzer, was heißt „Geht gut!“ in Kisuaheli, der Sprache Kenias, wo Sie seit vielen Jahren leben?
Spitzer: „Mzuri!“ Aber der Klaus kann wesentlich besser Kisuaheli als ich, der ist mehr der soziale Mensch, ich komme ja aus meinem Studio kaum hinaus.

Wohnt ihr noch zusammen? In einer Art Alters-WG?
Spitzer: 16 Jahre haben wir zusammengewohnt, zuerst quasi in zwei Häusern, in einem haben wir gewohnt, in dem anderen war mein Atelier und Studio. 2005 hab ich dann ein eigenes Grundstück gekauft, und jetzt hat der Klaus etwas Schönes gekauft, das ist ja gar nicht so einfach dort, aber die Details ersparen wir uns.

Ein absolut gelungenes Leben, das so nicht absehbar war, als Sie als junger Kunststudent am Wiener Wildpretmarkt im Ersten Bezirk wohnten.
Spitzer: Wir waren dort WG-mäßig zusammen und hatten auch den Proberaum dort, das war leistbar. In diesem Haus gab’s eines der letzten richtigen Innenstadt­kaffeehäuser, das hat aufgesperrt um vier in der Früh und offen gehabt bis acht am Abend. Und um acht am Abend hat die Jazz Gitti, die auch in dem Haus gewohnt hat, ihre Hüttn aufgesperrt, die die ganze Nacht bis vier Uhr in der Früh offen gehabt hat, das war also Verführung pur neben der Haustüre, weil bei beiden haben wir aufschreiben dürfen.

Es war nicht der Himmelsvater, der Klaus Eberhartinger zur EAV holte, sondern sein Spezi Thomas Spitzer. Am Anfang hätte er lieber 10.000 Schilling bezahlt, um nicht singen zu müssen. Aber dann … Foto: (c) Maximilian Lottmann

Ihr Professor an der Angewandten war der Oberhuber.
Gott sei Dank, weil der hat gesagt, er scheißt auf die Typen, die da jeden Tag in der Meisterklasse herumhängen und auf strebsam machen. Ob ihr euch als Aktio­nisten entleibt oder nicht, hat er gesagt, ist ihm wurscht, er verlangt nur eines: 120 Prozent Einsatz! Im ersten Studienabschnitt habe ich gleich einmal alle Prüfungen gemacht, weil wenn man einen guten Notendurchschnitt hatte – und ich hatte 1,2! –, bekam man einen günstigen Kredit über 60.000 Schilling, und die brauchte ich für das Equipment. Die letzten sechs Semester war ich dann ja eigentlich nur noch in Deutschland auf Tournee, die EAV war praktisch meine Diplomarbeit, meine Mutter wünschte sich ja schon ­einen Abschluss, und den habe ich ihr geschenkt.

Sorgen wird sie sich gemacht haben: Der Bub immer in diesen linken Clubs in Deutschland unterwegs …
Spitzer: Die Alternativszene war so groß dort, man konnte dauernd irgendwo spielen. Man hat zwar kaum was verdient, aber wenn man jung ist, dann macht man so was.

„Tausend Jahre EAV auf dem Buckel, davon 40 Jahre auf der Bühne. Nun soll im nächsten Jahr wirklich Schluss sein. Aber fix ist nix.“ Thomas Spitzer

Sie führten ein richtiges Tourleben im Bus mit ordentlich stinken und so?
Spitzer: Ordentlich gestunken, das haben wir! Und immer zu siebent am Fußboden in irgendeiner WG geschlafen. Aber man lernt! Weil wir keine Topmusiker waren, mussten wir über das Visuelle, das Theater kommen. Und wenn du keinen Hit hast, dann musst du dir jede Stadt erst neu erobern. Obwohl, Hamburg und Westberlin waren bald unsere Hometowns, das Quartier Latin war ein Club, der 900 Leute fasste, und das war gleich einmal 10x ausverkauft. Platten wollte aber am Anfang keiner machen, bis der Joe Artner dahergekommen ist und gesagt hat: „Das geht!“ Aufgrund dieser wohlwollenden Einschätzung hat er dann immer 1 Prozent von den Einnahmen gekriegt, danke, Joe!

Klaus Eberhartinger kommt an den Tisch, er war gestern für eine TV-Aufzeichnung beim Oktoberfest in München.

Spitzer: Ich geh eine rauchen.

Herr Eberhartinger, wie war’s?
Eberhartinger: Wenn du das nicht gesehen hast, das glaubst du nicht, der Sicherheitscordon, schwerst gestresste Sicherheitsleute, und trotzdem wär ich mit einer Granate ungehindert durchgekommen, auf den Zugängen steigst du ins Gespiebene, Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit, und irgendwann kommst du ins Hofbräuzelt, das ja eigentlich ein Haus ist, und oben ist ein Balkon, da schaust du runter, da sind 7.000 Leute Schulter an Schulter, sie schunkeln, es spielt eine Band irgendwas von den Toten Hosen, die Mass kostet 11,40, 11,40! Und es muss irgendein Leichtbier sein, weil das zischt du obe wie nix, eh klar, wenn das ein Starkbier ist, dann speiben ja alle nach zwei Bier, aber der Rausch muss was kosten, 50 Euro mindestens. Der Lothar wollte mich dann noch zur Alten Wies’n ziehen, zum „Teufelsrad“, was weiß ich, dort spielt es sich ab, hat er gesagt, dort gibt es Enthauptungen, sag ich zu ihm: Enthauptungen muss ich jetzt auch nicht sehen. Sagt er: Aber es ist lustig. Sag ich: Ich muss weg von hier, ich gehe zu Fuß, ich renn nach Schwabing! Bin fluchtartig weg! Ich weiß nicht, wen es dort hinzieht. Man muss es vielleicht wie den Ballermann einmal ge­sehen haben, aber ich bleib keine Minute extra …

Im Talk mit WIENER-Autor Manfred Rebhandl. Foto: (c) Pia Möstl Photography

In Deutschland gibt es gerade eine Ausstellung „Zarte Männer in der Skulptur der Moderne“, Sie sind Teil dieser Ausstellung?
Eberhartinger (lacht): Nein, nein, ich bin einfach nicht blad. Ich hab immer sehr gerne und sehr viel gegessen, aber ich höre auf meinen Körper. Wenn er sagt, „Hunger!“, dann esse ich. Sonst nicht.

Sie tanzen nicht den Salatisten-Mambo?
Eberhartinger: Ich esse kaum Wurst. Obwohl, heute habe ich Nürnberger Bratwürstel gegessen, die sind ein Traum, und der ­Leberkas kann schon ab und zu sein, ich bin ja ein Innviertler, aufgewachsen in Braunau.

Von dort müssen Sie den Rausch ja auch kennen.
Eberhartinger: Das Innviertel ist eine Prüfung, sage ich immer, das musst du überleben. Dort wurde ich früh politisch sozialisiert. Ich hatte zum Glück einen wirklich guten Geschichtslehrer im Gym. Er hat sofort die Nazis behandelt, hat gleich Fotos gezeigt von die Straße waschenden Juden, und das schockt, wenn du jung bist. Er hat gesagt: „Ein Regime, das so etwas nicht nur zulässt, sondern einfordert, ist abzulehnen, wurscht, welcher Farbe.“ Mit 14, 15 haben wir dann Veranstaltungen infiltriert, 300 Leute im Stadtsaal bei „Der Lieblingsflieger des Führers“, bummvoll! Wir sind zu zwölft hinten gesessen und haben mit der Polizei gestritten, bis wir rausgeflogen sind. Dann in Graz beim Medizinstudium bin ich mit den Schmissbrüdern vom RFS konfrontiert worden, als gelerntem Braunauer sind mir die gerade recht gekommen. Mit zwei Psychiatern, einem Schriftsteller und ­einer Schauspielerin haben wir das Grazer Straßentheater gegründet und dort das Stück „Der alltägliche Faschismus“ aufgeführt, unter Androhung von Schlägen. Aber wir hatten guten Zulauf und die Schmissbrüder haben sich lächerlich gemacht.

„Das Innviertel ist eine Prüfung, sage ich immer, das musst du überleben.“ Klaus Eberhartinger

Spitzer kommt zurück.

Spitzer: Der Klaus war ja mein politischer Ziehvater. Im jugend­lichen Alter ist ja jemand, der drei Jahre älter ist als du, eine methusalemverdächtige Autorität.
Eberhartinger: Er hat mich ja beeindruckt mit seinem Zeichentalent, und er war natürlich ein wilder Hund. Wir sind ja auch mit dem Wolfi Bauer durch die Straßen gezogen …
Spitzer: Der Handke war auch dort.

Sie hätten auch Literat werden können?
Spitzer: Hätte ich mir nie zugetraut! Meine literarischen Qualitäten konzentrieren sich auf die Verdichtung einer Situation auf drei Minuten. Deswegen war ich gezwungen, Liedtexte zu dichten. Ich habe erst gestern auf ARTE eine Wilhelm-Busch-Sendung gesehen. Mein Vater hat mir bei Todesstrafe den Besitz von Comics verboten, aber ich hatte die ganz fette Ausgabe vom Wilhelm Busch, und wenn das deine einzige ­Lektüre ist, dann prägt dich das. Also hab ich mir gedacht, wenn ich schon keine Comics haben darf, zeichne ich mir die Sachen halt selber. Es gab ja vorm Wilhelm Busch in der Art überhaupt nichts, nicht nur in Hinblick auf Humor und Schärfe, sondern auch auf die Zeichnungen. Er war ja auch auf diversen Kunstschulen und unterschätzte sich selbst sträflich, er war sich nicht genug. Aber ich danke meinem Vater posthum, dass er mir den aufgezwungen hat, der war mein ­Lehrmeister, schwarzhumorig und makaber und mit super Sprache: „Höchst verwunderlich … ich fand das ­absunderlich …“ Der hat sich was getraut!
Eberhartinger: Und immer so bös am Schluss!

Ein bisserl kindisch wart ihr beide auch?
Spitzer: Von Anfang an waren wir uns, was den Humor angeht, einig. Aber auch in unserer Liebe zur deutschen Sprache. Gab es ja damals nicht, außer Ambros, Danzer. Sonst hat jeder versucht, auf Englisch zu singen.
Eberhartinger: Kindisch waren wir beide, aber auch nicht ganz ­unintelligent … Auf der Uni! Wenn ich dem Thomas einmal was erklärt habe, dann hat er es kapiert. Der ist ein Rebell!
Spitzer: Ich geh eine rauchen.

Herr Eberhartinger, Sie haben immer mit großem körperlichen Aufwand gearbeitet. Das Dromedar, das Sie im Video zu „Fatamorgana“ reiten – Sie führen sich auf!
Eberhartinger: Ich habe mich um mein Leben bewegt! Ich war ja zuvor nie auf einer Bühne. Und wie der Thomas mich gefragt hat, ob ich das machen will als Sänger, da meinte er, wir haben drei Tage und drei Nächte zum Üben, und wenn ich mit einem Flickflack auf die Bühne komme, dann passt das schon, das ist die halbe Miete, ich war ja Leistungsturner. Also hat er mit mir im Stall mit einer Kassette die schon fertige Show geprobt, wir mussten im Schlachthof Wien auftreten. Aber proben, das mag ich bis heute nicht. Ich hab gesagt, ich zahle euch 10.000 Schilling, ein Vermögen, wenn ich nicht raus auf die Bühne muss. Aber dann kam die Einspielungsmelodie, und ich hab aussi miassn wie die Tarantel: I muass! I muass! Und dann ist das von mir abgefallen, da war kein Denken mehr, ich hab gemerkt: Das gefällt mir. Und habe dann die an den Nagel gehängte Dissertation nicht mehr heruntergenommen.

Sie waren damals 31. Wachen Sie manchmal schweißgebadet auf, weil Sie einen Albtraum hatten, in dem Sie das Mikro nicht in die Hand genommen haben?
Eberhartinger: Nein. Ich wäre wahrscheinlich in die Medizin zurückgegangen, ich war ja davor in Amerika in einem großen Spital und wollte immer Gehirnchirurg werden, oder in die Gentechnologie. Oder ich wäre in die Politik gegangen.

Stattdessen waren Sie dann in den 80er-Jahren auch häufig in der DDR unterwegs, dem Anti-Oktoberfest schlechthin …
Eberhartinger: Neugierig waren wir! Da durfte ja keiner hinein damals! Ich war vorher schon ausgetreten beim Kommunistischen Studentenverband, aber in der DDR wusste ich dann auch, warum. Wenn damals immer noch Leute den Stalin versucht haben zu rechtfertigen, habe ich gesagt: „Und aus, geht’s! Gleicher Topf wie alle Diktatoren!“ Aber den Marx und den Engels mag ich immer noch ein bisserl, das waren schon gscheite Leute …

Thomas Spiter und Klaus Eberhartinger mit WIENER-Autor Manfred Rebhandl (Mitte). Foto: (c) Maximilian Lottmann

Spitzer kommt zurück.

Spitzer: Das Publikum, das wir ansprechen wollten, durfte ja gar nicht rein, zu 90 Prozent waren das Blauhemden, also Stasi-Leute. Vorher ist immer so eine Kulturabteilung in den Westen gefahren, um inhaltlich zu ­prüfen, wie wir drauf sind. Die ­haben dann immer gesagt: Jetzt müsst ihr unterschreiben, dass ihr die, die und die Nummer nicht spielt. Und wir: Würden wir nie im Leben tun! Und dann sind wir da hingefahren und haben sie natürlich gespielt. Oder sie haben gesagt: Die Amerikaner könnt ihr kritisieren zweieinhalb Stunden lang, aber unser System nicht. Das haben wir aber nicht immer so ernst genommen.
Eberhartinger: Wir haben dort auch gespielt an dem Tag vom Tschernobyl-Unfall, aber dort wusste niemand Bescheid. Wie wir rausgefahren sind aus dem Land, da hat uns ein LKW-Fahrer gesagt: „Macht euch an der Grenze auf etwas gefasst, wir wurden gerade dekonta­miniert.“ Das war die DDR. Nix Romantik!

Wo wart ihr da genau?
Spitzer: Ganz unten an der polnischen Grenze, in Eisenhüttenstadt oder Dresden, im heutigen „Dunkeldeutschland“. Lustig war auch, dass wir im damals noch existierenden „Palast der Republik“ gespielt haben, zwei Tage, nachdem der Breschnew dort aufgetreten ist …

Sie hätten mit ihm „Bella ciao“ singen können. Ihr neuer Song „Trick der Politik“ klingt ein wenig danach, und DJ Ötzi arbeitet sich auch gerade an dem Song ab. Spielt er im Vorprogramm Ihrer Abschiedstournee?
Spitzer: Geh, der DJ Ötzi hatte noch nie einen so guten Text!
Eberhartinger: Wir sind ja beide Tom-Waits-Fans. Aber der hat eine wirklich schlechte, eine ­unglaublich weinerliche Bella-ciao-Version eingespielt.

In diesem Sinne: Alles Gute und Ciao, Bellos!

Die EAV

ist eine der bekanntesten österreichischen Pop-Rock-Bands der letzten vier Jahrzehnte, sie wurde 1977 vom ­gebürtigen Grazer Thomas Spitzer gegründet, er ist kreativer Kopf, Texter und Grafiker der Band.
In der wechselhaften Geschichte übernahm der gebürtige Innviertler Klaus Eberhartinger ab 1981 den Part des Sängers und Conferenciers. Wurde die EAV anfangs der Kabarettszene zu­geordnet, feierte sie vor allem ab den 80er-Jahren zahlreiche Erfolge mit Hits wie Banküberfall, Märchenprinz, Fatamorgana und über 10 Mio. verkauften Tonträgern. Einem ­finanziellen Absturz in den 90er-Jahren folgte eine solide Karriere, welche die Band nun mit der angekündigten Abschiedstour ausklingen lassen möchte.

Abschiedstour:

03.02.2019 – 06.02.2019 | 20:00 | Sporthalle Fehring